DIE LINKE beim Newroz-Fest: „Wir brauchen eine soziale Offensive!“

Seit über 3000 Jahren feiern Menschen in aller Welt das kurdische Neujahrs-und Frühlingsfest Newroz. Am 24. März hat auch DIE LINKE in Hamburg wieder zum großen Frühjahrsempfang ins Rathaus geladen. Eindrücke vom Fest gibt es hier. Die Fraktionsvorsitzenden Sabine Boeddinghaus und Cansu Özdemir betonten in ihren Redebeiträgen die wichtige politische Bedeutung des Newroz-Festes.

Cansu Özdemir: „Türen offen halten für Menschen in Not“

Cansu Özedemir - Fraktionsvorsitzende DIE LINKE. Hamburg

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freundinnen und Freunde, liebe Gäste, ich begrüße Sie ganz herzlich zum dritten Frühjahrsempfang der Fraktion DIE LINKE im schönen Festsaal des Hamburger Rathauses.

Vor zwei Tagen verübte die Terrororganisation Islamischer Staat Anschläge in Brüssel, bei dem viele Menschen ums Leben kamen. In der Vergangenheit auch in Suruc, in Paris, in Ankara, in Beirut, in Istanbul. Die Liste des IS ist lang und blutig. Sie machen Menschen das Leben zur Hölle, um dafür ins Paradies zu gelangen. Sie instrumentalisieren eine Religion, um ihre menschenverachtenden Vorstellungen durchzusetzen. Sie rechtfertigen ihre widerlichen Taten. Wir verurteilen die Anschläge und die Greueltaten des IS aufs Schärfste und wir sagen ganz deutlich: Nichts, wirklich nichts kann und darf die unfassbaren Greueltaten des IS rechtfertigen. Und gerade weil der IS in verschiedenen Regionen der Welt wütet, darf Solidarität keine Grenzen kennen.

Newroz: Mythologisch und politisch von großer Bedeutung

Umso wichtiger ist es, heute das Newroz-Fest zu feiern. Aus Sicht des IS ist es das Fest der „Ungläubigen“. Das Fest und die Bedeutung des Festes passt eben nicht in die menschenverachtende Ideologie des IS. Wenn Sie auf die Vorderseite der Einladungskarte schauen, lesen Sie Nauroz, Newroz, Nouroz. Übersetzt ins Deutsche bedeutet es Neuer Tag/Neues Jahr, aber auch der Frühlingsanfang wird am 20./21. März begrüßt. Mehr als 300 Mio. Menschen im Mittleren und Nahen Osten, auf der Balkanhalbinsel, in der Schwarzmeerregion, im Kaukasus und in Zentralasien feiern es. Im Iran, in Kurdistan, in der Türkei, in Afghanistan, in Aserbaidschan und vielen anderen Ländern dieser Welt. Das Fest hat eine mehr als 3000 – Jährige Geschichte mit verschiedenen Bräuchen.

Das wichtigste Symbol des Newroz-Festes ist das Anzünden eines Feuers, über das die Menschen springen und um das die Menschen tanzen und singen. Das Newroz- oder Novruzfest geht auf die Legende des Schmiedes Kawa zurück, der den grausamen Despoten Dehok besiegte und zum Zeichen der Befreiung ein Feuer anzündete. Mittlerweile hat das Fest nicht nur eine mythologische Bedeutung, sondern auch eine starke politische. Vor allem für die Kurdinnen und Kurden in der Türkei, in Syrien, im Irak und im Iran. Das Newroz-Fest zu feiern war in diesen Ländern verboten und mit starken Repressionen verbunden. Je nach Lust und Laune der Regierung wird auch heute noch das Feiern des Festes verboten. In den vergangenen Jahren wurden auch Menschen während der Feierlichkeiten von den staatlichen Sicherheitskräften verhaftet, angegriffen oder gar getötet.

Feiern trotz Repressionen: Ein Zeichen des Widerstandes

Die Haftanstalt in der Stadt Diyarbakir war das für Menschenrechtsverletzungen und Folterungen berüchtigtste Gefängnis der Türkei. Hier war auch  der junge Widerstandskämpfer Mazlum Dogan inhaftiert. Aus Protest gegen die unerträglichen Menschenrechtsverletzungen und Folterungen setzte er seine Zelle in der Nacht vom 20. März zum 21. März in Brand, um auf die Missstände in den Gefängnissen aufmerksam zu machen. Seitdem hat das Newroz-Fest eine größere politische Bedeutung, als Symbol gegen Menschenrechtsverletzungen, gegen Rassismus und Diskriminierung, als Zeichen des Widerstandes und für die Forderung nach Demokratie und Frieden. Mazlum Dogans Mutter entfacht jedes Jahr immer das erste Feuer und eröffnet somit die Feierlichkeiten, die auch dieses Jahr trotz Ausgangssperren und massiver staatlicher Gewalt stattgefunden haben.

Im Iran wurde nach der islamischen Revolution von 1979 das Nowruzfest nicht verboten aber dafür in den „Tag der Natur“ umbenannt. Das Regime bezeichnete Nowruz als einen „heidnischen Aberglauben“, weil Nowruz kein religiöser Feiertag ist. So wie es der IS heute tut. „Charshanbesuri“, der rote Mittwoch an dem die Menschen um das Feuer feiern, wurde ebenso verboten. Mit der Begründung: Das Mittwochsfeuer sei „Feueranbetung“. Das Verbot brachte aber die Menschen im Iran nicht davon ab, das wichtigste Fest weiterhin zu feiern. Obwohl sie wussten, dass es gefährlich ist, sie verhaftet oder getötet werden können. Unter der Herrschaft der Taliban war das Naurozfest auch in Afghanistan bis 2001 verboten. Heute feiern die Menschen in Afghanistan das Fest wieder.

Ein Symbol für Hoffnung und Menschenrechte

Vor einigen Tagen entdeckte ich in den sozialen Medien ein Foto, auf dem geflüchtete Menschen zu sehen waren. Das Foto ist eines von vielen, die uns in den letzten Wochen sehr berührt haben. Sie warten in Griechland darauf, die Grenze überqueren zu können um nach Europa zu kommen. Sie saßen am 21. März, dem Newroz-Fest, um ein Feuer. Das Fest ist auch verbunden mit Hoffnungen. Es ist bitter, es ist traurig, dass Menschen dieses wichtige Fest nicht zu Hause feiern können. Nicht mit ihren Familien und Freunden. Es ist unglaublich bitter zu sehen, wie die EU die Rechte der Flüchtlinge an Erdogan verkauft, um sie loszuwerden. Bitter, dass die EU einen solchen Deal eingeht, mit einem Tyrannen, der sich dadurch in seiner Kriegspolitik gegen die KurdInnen gestärkt fühlt. Bitter, dass die EU über die Menschenrechtsverletzungen schweigt und sie hinnimmt, und dies als europäische Lösung bezeichnet.

Sie sehen, das Fest symbolisiert Widerstand gegen Unterdrückung, Menschenrechte, Demokratie, Frieden, Freiheit, Gleichberechtigung – alles Werte die nicht in das menschenverachtende Bild des IS passen. Werte, die universell sind, die der IS als Gefahr für sein Kalifat sieht. In der mythologischen Bedeutung von Newroz galt der Tyrann Dehok als „unbesiegbar“, bis der Schmied Kawa ihn besiegte. So wie Dehok besiegbar ist, ist auch der IS besiegbar. Vor zwei Jahren versuchte der IS Kobane einzunehmen und ein weiteres Massaker zu begehen. Wir haben gebangt und gehofft. Und heute, zwei Jahre später, feiern die Menschen im befreiten Kobane das Newroz-Fest wieder.

Dialog, Solidarität, Offenheit: Heute wichtiger denn je

Das Fest wird auch von tausenden Menschen in Hamburg auf unterschiedliche Weise gefeiert. So wie die Menschen, die nach Hamburg eingewandert sind und u.a. dieses Fest mitgebracht haben, zu Hamburg gehören, gehört eben auch dieses Fest zu dieser Stadt. Um das kulturelle Miteinander zu fördern und den interkulturellen Dialog zu stärken, ist es wichtig dass die Kulturen gewürdigt und anerkannt werden. In Österreich wurde das Nouruzfest offiziell anerkannt. In Deutschland leider immer noch nicht. Es ist an der Zeit: Das Nourozfest muss auch in Deutschland offiziell anerkannt werden.

Wir wünschen uns, dass die diesjährigen Newrozfeierlichkeiten die Gelegenheit für die Beendigung der Kriege, für den Frieden und die Demokratisierung im Iran, in der Türkei, In Kurdistan, in Syrien, im Irak, in Afghanistan und überall auf der Welt sind. In Zeiten wie diesen, ist es wichtig den Dialog zu führen, zusammenzuhalten, Solidarität zu zeigen und die Türen offen zuhalten für Menschen die in Not sind.

Sabine Boeddinghaus: Wir brauchen eine soziale Offensive in Hamburg

Sabine Boeddinghaus

Ein Herzliches Willkommen auch von mir – schön, dass Sie und Ihr alle da seid! Vor allem wollen wir heute zusammen feiern – den Frühling. Dabei wollen wir aber auch miteinander ins Gespräch kommen darüber, was aktuell in unserer Stadt passiert, was Sie und Euch bewegt, was uns als linke Bürgerschaftsfraktion bewegt – über das, was uns, wie ich stark hoffe, auch gemeinsam bewegt.

Dazu gehört natürlich der starke Rechtsruck in Deutschland. Seien wir ehrlich, hätten am vorletzten Sonntag auch in Hamburg Wahlen  stattgefunden, wären wir auch hier mit einer erstarkten AfD konfrontiert. Dazu gehört natürlich auch die Frage und die heftige Debatte um eine humane und menschenwürdige Flüchtlingspolitik. Und dazu gehört vor allem die Frage der sozialen Spaltung in unserer Stadt, der wachsenden Armut und das Auseinanderdriften der einzelnen Stadtteile.

Die AfD spielt skrupellos mit Ängsten

Damit eng und ursächlich verknüpft ist aus unserer Sicht die grundfalsche neoliberale Schuldenbremsenpolitik mit der Folge zunehmender Privatisierung der öffentlichen Daseinsvorsorge, einer unsozialen Kürzungspolitik, einem massiven Investitionsstau der Infrastruktur, dem Abbau im Öffentlichen Dienst und einem menschenverachtenden Hartz IV-Regime. In einer Gemengelage von diffusen Stimmungen, in der die Flüchtlinge von vielen als Ventil und Sündenböcke instrumentalisiert werden, indem sie sagen: „Jahrelang werden wir von der Politik nicht be- und vor allem geachtet und nun kümmert Ihr Euch alle um die Flüchtlinge“ spielt die AfD skrupellos mit den Ängsten dieser Menschen: Sie suggeriert, gäbe es nicht so viele Geflüchtete, gäbe es auch ansonsten keine Probleme in unserer Stadt, in unserem Land.

Was hat die AfD aber zu bieten außer Hetze gegen Flüchtlinge? Ein Familienbild aus dem vorletzten Jahrhundert und eine soziale Kahlschlagpolitik! Ohne WählerInnenbashing betreiben zu wollen, wage ich zu behaupten, dass viel zu viele Menschen am 13. März mit dem Kreuz bei der AfD ihre eigenen Henker gewählt haben, denn die AfD steht für weiteren Sozialabbau, für die Abschaffung des Mindestlohnes und die Kürzung des eh indiskutabel niedrigen Hartz IV-Satzes.

„Die Überzeugungskraft der Demokratie hängt an ihrer Glaubwürdigkeit“

Aber, und das ist das Bemerkenswerte, die AfD hatte viele HelferInnen aus anderen Parteien. Denn CDU, SPD, Grüne und FDP verantworten seit vielen Jahren in unterschiedlichen Konstellationen die zunehmende soziale Spaltung, die wachsende Armut vieler und den wachsenden Reichtum weniger.

Wir als LINKE halten dagegen – gegen die zunehmende soziale Spaltung und für eine weltoffene solidarische Stadt. Wir brauchen : Gleiche Rechte für alle! Es gilt, die Glaubwürdigkeit der Demokratie praktisch wiederherzustellen. Denn die Überzeugungskraft der Demokratie hängt an ihrer Glaubwürdigkeit. Gegen eine stigmatisierende Debatte, in der die Parteien sich mit Vorschlägen zur Drangsalierung der Geflüchteten überbieten, stellen wir die Frage nach einer ernstgemeinten Teilhabepolitik.

Wo Weltoffenheit und Menschlichkeit dominieren, hat es auch die fundamentalistische Propaganda deutlich schwerer. Wir zeigen klare Kante gegen Obergrenzen! Nicht die Geflüchteten sind das Problem, sondern eine neoliberale Politik, die die Schwachen gegen die Schwächsten ausspielt und die Starken nicht ausreichend in die Pflicht nimmt. Wir müssen uns weiterhin und erst recht stark machen für eine solidarische Gesellschaft! Wir brauchen eine soziale Offensive in Hamburg. Dafür wollen wir uns in der nächsten Zeit einsetzen mit einem Sofortprogramm in eine soziale Infrastruktur, die ALLEN in Hamburg zu Gute kommt, den hier lebenden HamburgerInnen und den Neu-HamburgerInnen.

Gemeinsam gegen Rassismus, für die soziale Umverteilung

Hamburg geht es wirtschaftlich gut, die Steuereinnahmen sprudeln wie seit Jahren nicht mehr. Für Leuchtturmprojekte des Senates wie Elbphilharmonie und Hafen City oder gar für die HSH Nordbank-Rettung ist Geld genug vorhanden. An vielen sozialen Projekten geht dieser Geldsegen aber vorbei! Es kann und darf nicht sein, dass die soziale Spaltung in unserer Stadt immer weiter vom Senat vorangetrieben wird. Denn nur wenn Bildungs- und Jugendhilfeeinrichtungen, Beratungsstellen, die gesundheitliche Versorgung u.v.m. auskömmlich ausgestattet sind, wird die Integration, besser noch die Inklusion, Aussicht auf Erfolg haben.

Das schafft DIE LINKE aber nicht alleine. Und wir sind ja auch nicht alleine. Es gibt so viele Initiativen, die sich jeden Tag für Geflüchtete und seit vielen Jahren in sozialen und kulturellen Projekten engagieren. Das ist ein Riesengeschenk für die Stadt und unsere Gesellschaft! Mit Ihnen und Euch allen gemeinsam brauchen wir einen breiten Schulterschluss gegen Rechts, gegen Rassisten und Menschenhasser, für die uneingeschränkte Wahrung der Menschenrechte, für eine Umverteilung des Reichtums von Oben nach Unten. Denn die sozialen Verwerfungen, die wir zunehmend erleben, sind politisch gewollt und hausgemacht und sind der Nährboden für dumpfe menschenverachtende Ressentiments. Ich sage ganz deutlich an die Adresse der SPD: Schwenken Sie endlich um zu einer wirklich sozialen und demokratischen Politik. Sonst machen Sie sich überflüssig.

DIE LINKE: Selbstbewusst in der Opposition

Die Anfänge dafür sind gemacht. Aktuell kämpft DIE LINKE in Bürgerschaft und in den
Bezirksversammlungen allein für soziale Gerechtigkeit und bessere Lebensbedingungen vieler. Wir füllen unsere Rolle sehr selbstbewusst aus und geben all denen auch im Parlament eine Stimme, die ebenfalls meinen, dass der SPD-Grünen-Senat das wirkliche Leben der Menschen oftmals aus dem Blick verliert.

Wir sagen, selbstverständlich schaffen wir das – wir wollen das, es geht aber nur, wenn wir Hamburg als eine sozial gerechte und solidarische Stadt für ALLE Menschen weiter entwickeln. Daran arbeiten wir – versprochen! Das hat ja beim Olympia-Referendum schon ganz wunderbar geklappt. Wer hätte das gedacht – der 29.11. 2015 war ein Paukenschlag gegen die Arroganz der Macht! Solche oder ähnliche Erfolge tun gut und geben uns Kraft, weiterzumachen, weiter zu kämpfen. Heute wollen wir aber erst einmal feiern! Ich wünsche uns allen einen geselligen und vergnüglichen Abend! Vielen Dank!