Christiane Schneider
Karin Desmarowitz

Folgende Rede hielt Christiane Schneider, innenpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, am 12. April vor der Hamburgischen Bürgerschaft

Haben Sie das gelesen? Der Tourismusverband appelliert an die Hamburger Bürgerinnen und Bürger, beim G20-Gipfel am 7./8. Juli friedlich für den Weltfrieden zu demonstrieren! Vielleicht öffnet Ihnen dieser Appell die Augen, dass das Treffen der 19 mächtigsten Staats- und Regierungschefs und der EU hier in Hamburg für große Teile der Zivilgesellschaft kein Grund zur Freude ist, sondern ein Grund, Kritik, Widerspruch, Protest auf die Straße zu tragen. Mit ihrer Freude, dass der G20 hier in Hamburg stattfindet, stehen der Bürgermeister, seine Stellvertreterin und Sie von der CDU eher ziemlich einsam da.

Bei allen Unterschieden zwischen den Mitgliedern versammelt sich hier auf Einladung von Merkel und Scholz ein Staatenclub, der maßgeblich die internationale Wirtschafts- und Währungspolitik bestimmt und für hemmungsloses Wirtschaftswachstum mit allen seinen Auswirkungen steht, der für Profitmaximierung als wesentliches Steuerungselement steht, für Umverteilung von unten nach oben und Vertiefung der sozialen Ungleichheit in der Welt, bis hin zur absoluten Verelendung großer Regionen.

Hinzu kommt, und zwar nicht zuletzt, dass sich unter den Eingeladenen lupenreine Autokraten befinden, Menschenrechtsverletzer, Völkerrechtsverletzer vom Schlage eines Trump, Putin oder Erdogan. Allein diese Namen stehen dafür, dass es beim G20 nicht um Weltfrieden geht.

Was für den Tourismusverband selbstverständlich ist, sollte für die politischen Repräsentanten der Stadt, die sich als weltoffen und dem Frieden verpflichtet versteht, erst recht selbstverständlich sein. Für uns LINKE jedenfalls ist es selbstverständlich, dass wir am 8.Juli demonstrieren – wie Zehntausende andere, die bunt, laut und mit Kind und Kegel von der Moorweide zum Heiligengeistfeld ziehen werden.

Anlass unserer Anmeldung war, dass die Versammlungsbehörde im Kooperationsgespräch mit den Anmeldern plötzlich eine blaue Demonstrationsverbotszone aus dem Hut zauberte. Praktisch die ganze Innenstadt sollte für die Demonstration am 8.7. gesperrt werden. Nun hat gestern Justizsenator Steffen, wie es heißt nach Diskussion im Senat, die Polizei korrigiert und sich zum Recht auf Versammlungsfreiheit auch in der Innenstadt bekannt. Das begrüßen wir ausdrücklich, auch wenn es eigentlich selbstverständlich ist.

Den Worten müssen nun Taten folgen. Selbstverständlich sind die Herausforderungen groß, vor die die vielleicht größte Demonstration, die Hamburg in den letzten Jahrzehnten erlebt hat, die Sicherheitsbehörden stellt. Erst recht, wenn sie durch die Innenstadt zieht, wo die politischen Repräsentanten und ihr großer Tross wohnen und durch die ihre An- und Abfahrtswege führen. Aber diese Herausforderungen sind ja seit dem Moment klar, in dem der Hamburger Senat die Gastgeberrolle beanspruchte. Genauso klar ist aber, dass in einer rechtsstaatlich verfassten Demokratie die Versammlungsfreiheit nicht das letzte ist, das bedacht und garantiert werden muss, sondern das erste, gleichrangig mit der Sicherheit aller Beteiligten. Das ist die Verantwortung des Senats!

Deshalb fordern wir den Innensenator auf, das Gespräch mit den Anmeldern nicht allein der Polizei zu überlassen, sondern selbst, als Vertreter des einladenden Senats, ebenso wie der Gesamteinsatzleiter, an den Gesprächen teilzunehmen. Wir fordern ihn und seine Behörde auf, jetzt schnell Einvernehmen mit den Veranstaltern über die Route durch die Innenstadt hin zum Heiligengeistfeld herzustellen. Er trägt die Verantwortung dafür, die Kooperation, zu der nicht nur die Anmelder, sondern auch die Polizei verpflichtet ist, zu gewährleisten – jetzt, in den nächsten Wochen und während der Gipfeltage. Deshalb muss auch die von der Polizei angedachte Allgemeinverfügung, mit der die Versammlungsfreiheit während des Gipfels eingeschränkt werden kann, vom Tisch.