Plenarprotokoll 20/44: HSH Nordbank – ein Ungeheuer. Unkalkulierbare Haushaltsrisiken, unzureichendes Krisenmanagement

Norbert Hackbusch DIE LINKE: Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Noch vor wenigen Wochen haben uns der Vorsitzende der HSH Nordbank und unser Finanzsenator mit den Worten beruhigt, es seien doch bisher kaum Verluste eingetreten und dementsprechend könnten wir doch erst einmal Ruhe bewahren im Zusammenhang mit der HSH Nordbank, diesem Ungeheuer. Seit gestern können wir feststellen, dass das Geschichten von gestern sind. Die neue Realität holt uns ein, die Bank hat Verluste in Höhe von 3,2 Milliarden Euro gemacht, die Hamburg bezahlen muss. Und wir wissen, dass sich in den letzten drei Monaten die Situation für die Stadt um 4,5 Milliarden Euro verschlechtert hat. Meine Damen und Herren, das empfinden wir als bedrohlich und das macht uns Angst.

(Beifall bei der LINKEN)

Es wird gesagt, die derzeitige Situation habe vor allen Dingen etwas mit der Schifffahrt zu tun. Aber wir müssen feststellen, dass größere Bereiche der Bank sich gegenwärtig noch in einer guten konjunkturellen Lage befinden. Die Schifffahrt macht nur ein Drittel des Bankgeschäfts aus. Weitere große Geschäftsbereiche betreffen Aktien und Im-mobilien, denen es zurzeit relativ gut geht. Das heißt, wir haben derzeit nur einen Bereich, in dem es dunkel aussieht, aber in allen anderen Bereichen drohen in den nächsten Wochen dunkle Wolken aufzuziehen. Dementsprechend wird dieses Problem in der nächsten Zeit noch um einiges größer.

Jeder von uns muss für diesen Rettungsschirm nicht nur, wie eine Tageszeitung heute berichtet hat, 361 Euro bezahlen – die Bedrohung ist um einiges größer. Es kann schnell das Fünffache oder Zehnfache werden oder anders ausgedrückt: Wir haben dort eine Bedrohung von 10 Elbphilharmonien. Und keiner hier soll sagen, das ist mir alles zu groß und zu ungeheuer, sondern damit muss sich diese Stadt auseinandersetzen.

(Beifall bei der LINKEN)

Der Senator und auch das „Hamburger Abendblatt“ raten, die Ruhe zu bewahren. Das ist verständlich. Wenn wir als Stadt oder als Einzelperson auf einem explosiven Berg sitzen, dann ist es vernünftig, erst einmal Ruhe zu bewahren und nicht so viel herumzutrampeln, denn sonst wird die Explosion eher ausgelöst. Das Problem ist nur, dass dieser explosive Berg von Tag zu Tag explosiver wird. Wie wir jetzt feststellen, nimmt die Bedrohung von Tag zu Tag zu. Dementsprechend muss die Stadt und müssen wir an das ursächliche Problem, an die Explosionsgefahr, herangehen. Nur Ruhe zu bewahren hat keinen Sinn. Und das vermissen wir bei diesem Senat, dass er diese Aufgabe wahrnimmt.

(Beifall bei der LINKEN)

Weder nimmt der Senat diese Aufgabe wahr noch der Aufsichtsrat. Der Aufsichtsrat der HSH Nordbank hat in den letzten Jahren keine gute Arbeit geleistet. Der Hinauswurf des Vorstandsvorsitzenden vor wenigen Wochen, in dieser kritischen Zeit, und die Auseinandersetzung mit der EU um Vorstandsgehälter sind eindeutige Zeichen dafür, dass man das alles nicht richtig im Griff hat und sich in gewisser Weise auch nicht richtig klar über die Schwierigkeit der Situation ist und welche Aufgabe man zu erfüllen hat.

Es gibt auch keinerlei Hinweise darauf, dass das Geschäftsmodell funktioniert. Da kann man noch so viel hoffen, es gibt gegenwärtig keine Anzeichen dafür. Und auch gestern wurde uns das nicht deutlich gemacht. Die HSH Nordbank ist gegenwärtig nicht die regionale Geschäftsbank, die sie seit Jahren zu sein versucht. Dementsprechend stellt sie vor allem ein Fass mit hochspekulativen Anlagen dar und das ist das Problem für dieses Land. Durch eine erneute Erhöhung der Garantie der Länder würde die Bedrohung für unsere beiden Bundesländer noch größer werden. Sie muss daher in der Bürgerschaft auch besprochen und abgestimmt werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren! Gerade Sozialdemokraten, CDU und GRÜNE haben bezüglich der HSH Nordbank eine politische Linie des Wegsehens, des Verdrängens und Hoffens auf spätere bessere Zeiten eingeschlagen.

(Jan Quast SPD: Schwachsinn!)

Helfen sollte Ihnen der alte Haudegen Kopper. Wir können jetzt feststellen, dass diese Taktik gescheitert ist. Das zeigen spätestens die gestrigen Meldungen. Die SPD ist dieser Linie gefolgt und sitzt derzeit da wie das Kaninchen vor der Schlange. Sie müssen diese Situation verändern. – Danke.

(Beifall bei der LINKEN)

Zweiter Beitrag:

Norbert Hackbusch DIE LINKE: Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es gab Zeiten in diesem Land, da wurde derjenige, der die schlechten Nachrichten überbracht hat, geköpft.

(Gabi Dobusch SPD: Das ist schon länger her!)

Man hatte den Eindruck, dass dann das Problem mit den schlechten Nachrichten gelöst wäre. Das war aber damals so wenig der Fall wie heute.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir haben Ihnen schon vor zwei Monaten gesagt, dass das ein riesiges Problem wird und dass wir uns ständig damit auseinandersetzen müssen.

(Gabi Dobusch SPD: Das hätten wir sonst nicht bemerkt!)

Die Wirklichkeit hat uns recht gegeben. Ich will Ihnen auch deutlich sagen, dass Sie sich mit dem Kern der Fragestellung auseinandersetzen müssen. Dazu gehört auch, dass Sie dann bitte nicht immer wieder sagen, dass wir auf einen positiven Ausgang der HSH-Krise hoffen müssen und alles andere wäre eine absolute Katastrophe. Wir müssen uns aufgrund der Situation damit auseinandersetzen, was der Worst Case wäre und wie eine Abwicklung der Bank aussehen würde. Damit müssen wir uns auseinandersetzen, und ich verlange von diesem Senat, dass er den Worst Case aufweist, denn das gehört zu einem normalen, guten Regieren dazu.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich will Ihnen auch sagen, warum, und dass das nicht nur eine spinnerte Meinung der LINKEN ist.

(Dirk Kienscherf SPD: Doch!)

Zum Beispiel wird von der EU gegenwärtig verlangt, dass die Banken einen Plan vorlegen müssen – das macht sie seit Kurzem, Herr von Oesterreich hat das gestern bestätigt –, wie sie im Notfall überflüssig sein können; einen Restruction-Plan, der sich auch die Auflösung der Bank vorstellen kann. Das ist eine normale Art und Weise, sich damit auseinanderzusetzen. Zu sagen, dass wir damit erst das Szenario hervorbringen, ist falsch. Fehler macht derjenige, der sich damit nicht auseinandersetzt.

(Beifall bei der LINKEN – Jan Quast SPD: Was will DIE LINKE?)

Die Hoffnung, die Herr Tschentscher und Herr Quast eben ausgedrückt haben, ist gegenwärtig nicht zu sehen. Bei dem gegenwärtigen Geschäftsmodell wird kein Plus gemacht. Und Herr Tschentscher, das ist auch falsch: Der Kern des Geschäftsmodells der HSH Nordbank ist die regionale Wirtschaftsbank. Das war bereits in den Diskussionen 2009 so und auch 2011. Dort gibt es kein positives Zeichen und damit müssen wir uns auseinandersetzen. Wir können nicht die Augen schließen und sagen, es wird schon alles schön. Das ist unverantwortliche Politik.

(Beifall bei der LINKEN – Wolfgang Rose SPD: Wer macht das denn?)

– Sie machen das, Sie malen diese schönen Bilder.

Eine Abwicklung bedeutet nichts anderes, als gegenwärtig festzustellen, dass das Geschäftsmodell nicht funktioniert. Dementsprechend müsste man das, was wir gegenwärtig machen, geregelt, ruhig und ordentlich rückentwickeln.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Jetzt plädiert DIE LINKE für Arbeitsplatzvernichtung!)

Die Alternative ist, ein neues Geschäftsmodell zu entwickeln, das man gegenwärtig nicht sieht und das die Gefahr mit sich bringt, dass dieser Vorstand neue riskante Anlagen anlegt, und zwar in den Bereichen, die wir in der letzten Zeit gesehen haben. Was war denn in Italien mit diesem regenerativen Feld, was komische Geschäfte darstellt? Da gibt es gewisse Gefahren, und die sollte man nicht verschweigen. Das ist nichts Unseriöses, was ich hier vorschlage, sondern etwas Seriöses.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielleicht wird das auch nicht in Hamburg entschieden. Am Montag gab es eine Stellenausschreibung bei der Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung. Sie sucht ein Team von Institutsbetreuern in der Abteilung Landesbanken. In der Beschreibung hört es sich so an, als ob sich der Bund überlegt, wie man das ordentlich abwickeln kann, weil dieser Senat das vielleicht nicht schafft und diesbezüglich unseriös ist oder weil er irgendwie das Gefühl hat, er müsse eine Hamburgensie verteidigen. Das sollten wir nicht so machen. – Danke.

(Beifall bei der LINKEN)

Dritter Beitrag:

Norbert Hackbusch DIE LINKE: Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich freue mich, dass diese Debatte uns bei der ernsthaften Gewichtung der Probleme der HSH Nordbank einen Schritt nach vorne gebracht hat. Ich freue mich auch, dass die Frage der Abwicklung, die ins Auge gefasst werden muss, ernsthafter diskutiert wird, und möchte mich bei Herrn Dressel beschweren, der das für eine etwas billige Rhetorik nach dem Motto, wie es denn wäre, wenn sich alles sofort auflöste, genutzt hat.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Sie haben es gefordert!)

Was wir vorgeschlagen haben, Herr Dressel, hat die EU sowohl von der Bank als auch von der Stadt gefordert.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Aber nicht die Abwicklung!)

Sie muss in der Lage zu sein, einen Abwicklungsplan vorzulegen. Das ist eine entscheidende Voraussetzung dafür, dass wir in dieser Stadt einigermaßen vernünftig planen können. Und nur zu sagen, man hätte das bisher vergessen, oder es am besten gar nicht erst zu erwähnen, bringt uns in dieser Diskussion nicht weiter.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie haben da einen Fehler gemacht als Senat, Sie haben ein bisschen geschlafen, und das müsste man hier auch sagen können.

(Beifall bei der LINKEN)

Ein zweiter Punkt ist mir wichtig: Bitte nicht diese Gleichsetzung des Schifffahrtsgeschäfts der HSH Nordbank mit dem Hafen. Das ist nicht das Gleiche, das stimmt einfach nicht.

(Dr. Melanie Leonhard SPD: Doch, das hängt unmittelbar miteinander zusammen!)


Die Schifffahrtsfinanzierung ist, das wird Ihnen jeder Spezialist sagen, relativ volatil. Das heißt, es kann unheimlich schnell hin und her springen. Gegenwärtig droht die Gefahr, dass es nach China springt, und zwar mit einer Geschwindigkeit, der wir kaum hinterherschauen können. Schifffahrtsfinanzierung ist etwas anderes als der Hafen, der Hafen kann unabhängig von ihr existieren. In gewisser Weise wird das als Totschlagargument genutzt, aber das halte ich nicht für ein schlaues Argument.

(Beifall bei der LINKEN und bei Christa Goetsch und Dr. Till Steffen, beide GRÜNE)

Als letztes Moment haben wir, das wurde noch einmal deutlich, ein weiteres Problem lokalisiert, nämlich den Aufsichtsratsvorsitzenden. Er bestimmt gegenwärtig die Politik. Er hat mit seiner Art und Weise, wie er bisher als Peanuts-Kopper durch die Gegend gelaufen ist, keinen guten Ruf. Er setzt den Senat unter Druck und meint, festlegen zu können, wie das zu laufen hat. Ich halte den Aufsichtsratsvorsitz bei ihm in falschen Händen. Das hat er auch mit der sofortigen Entlassung des Vorstandsvorsitzenden gezeigt, die für die Stadt teuer ist; die genaue Summe wissen wir leider nicht. Er hat das ganz nach Gutsherrenart gemacht, die nicht zu dieser Stadt passt und auch in Zukunft für Hamburg nicht geeignet ist. Wir brauchen einen Neuen. – Danke.

(Beifall bei der LINKEN)