Corona-Krise: Solidarität ist das Gebot der Stunde

Die Corona-Krise war das Hauptthema der Bürgerschaftssitzung am 1. April. Wegen der Ansteckungsgefahr fand die Sitzung nur mit verkleinerter Runde statt und wurde vom engen Sitzungssaal in den geräumigeren Festsaal des Hamburger Rathauses verlegt. Wir dokumentieren die Rede unserer Fraktionsvorsitzenden Cansu Özdemir.

 

„Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren,

vor einigen Wochen war es noch unvorstellbar und so weit entfernt, dass ein Virus sich so schnell ausbreiten kann und zu einer so großen globalen Gefahr werden kann, zu einer so großen Gefahr werden kann für viele Menschenleben.

Es war unvorstellbar, dass das öffentliche Leben nach und nach zum Erliegen kommt um Menschenleben zu schützen. Niemand von uns hat bisher eine solche Situation erlebt. Was wir aber in diesen Tagen erleben ist, wie verheerend die Folgen des Corona-Virus seien können. Die Berichte und Bilder aus Italien schockieren uns. Und sie mahnen, alles dafür zu tun, um diejenigen zu schützen, für die das Virus lebensgefährlich ist.

Wir sind uns einig, dass die Behörden in diesen Tagen hart arbeiten müssen, um diesen Schutz zu gewährleisten, Dass sie schnell Maßnahmen ergreifen und weitere Maßnahmen ergreifen müssen, um solche schrecklichen Zustände zu verhindern. Traumatisierende und schreckliche Zustände, in denen Ärzt*innen entscheiden müssen, welcher schwer kranke Mensch eines der viel zu wenigen Beatmungsgeräte bekommt. Zustände, in denen Tausende erkrankte Menschen sterben und beerdigt werden, ohne dass ihre Angehörigen bei ihnen sein können. Es ist ein wichtiges Zeichen der Solidarität, dass Hamburg erkrankte Menschen aus Italien aufnimmt.

Solidarität ist das Gebot der Stunde. Besonders mit den Menschen, die diese Krise so hart trifft. Gesundheitlich, finanziell und persönlich.

In diesen Tagen zeigt sich welche Jobs wirklich wichtig sind. Die Beschäftigten in den Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen, die auf Hochtouren arbeiten, um unser Leben zu schützen und dabei ihre eigene Gesundheit aufs Spiel setzen. Die Beschäftigten im Einzelhandel, die Kassierer*innen die den Laden am laufen halten. Die Sozialarbeiter*innen, die sich um die Schwächsten der Gesellschaft kümmern, um die Obdachlosen und Geflüchteten Menschen. Die Mitarbeiter*innen in den Kitas, in den Schulen, die Berufskraftfahrer*innen, die Postbot*innen. Und viele andere die ich nicht aufgezählt habe. Applaus, Lob und Danksagungen sind nett aber eine gute Bezahlung und anständige Arbeitsbedingungen sind gerecht. Sie müssen endlich besser bezahlt werden! Ein echtes Danke heißt eine monatliche Gefahren-Zulage in Höhe von 500 Euro für das gesamte medizinische und pflegerische Personal sowie in anderen versorgungsrelevanten Gruppen.

Wir möchten in diesen schweren Tagen als Oppositionsfraktion unseren konstruktiven Beitrag leisten und weitere wichtige Maßnahmen einbringen.

Dabei darf aber auf keinen Fall die Analyse darüber fehlen, an welchen Punkten das Corona Virus Fehler der Vergangenheit erschreckend deutlich macht. Und dazu gehört vor allem die Erkenntnis, dass die Privatisierung der Krankenhäuser ein großer Fehler war. Die Epidemie trifft auf ein kaputt gespartes Gesundheitswesen, das kaum den normalen Bedarf der Bevölkerung deckt. Angesichts der Herausforderung durch einen sich schnell ausbreitenden Infekt kommt das System schnell an die Grenze der Überforderung. Die Vorschriften zur sozialen Distanzierung sind notwendig um die Ausbreitung des Virus einzudämmen aber sie werden nicht ausreichen, weil die materiellen Voraussetzungen im Gesundheitswesen schwach sind. Beispielsweise eine ausreichende Zahl an Intensiv- und Quarantänebetten oder auch nur entsprechende Schutzausrüstung für Personal in Krankenhäusern kann zum jetzigen Zeitpunkt nicht bereitgestellt werden. Hierzu sind energische Maßnahmen erforderlich. Hier zeigt sich ein weiterer schwerer Fehler, nämlich die Herstellung und Produktion von Materialien und Medikamenten ganz überwiegend ins Ausland verlagert zu haben und jetzt in Krisenzeiten davon abhängig zu sein, auf Tod oder Leben!

Es braucht eine sofortige Unterstellung aller Krankenhäuser unter die Direktionshoheit der Gesundheitsbehörde.

Immer noch gibt es nicht lebenswichtige Produktion/Gewerbe, die nicht den Infektionsschutz für die Beschäftigen sicherstellen können. Immer noch sind Beschäftigte einem hohen Infektionsrisiko ausgesetzt. Es muss sichergestellt werden, dass Infektions- und Hygienemaßnahmen eingehalten werden. Zum Schutz der Beschäftigten und der Bevölkerung muss es hier einen Stopp der nicht lebenswichtigen Produktion geben.

Auch andere gesellschaftliche Gruppen sind weiterhin einem hohen Infektionsrisiko ausgesetzt. Dazu gehören die schwächsten der Gesellschaft. Obdachlose, Wohnungslose und darunter viele geflüchtete Menschen in den Unterkünften, die nicht infektionssicher sind. Die Gesundheit der Betroffenen muss geschützt werden, die Ansteckungsgefahr so gering wie möglich gehalten werden. Für Obdachlose ist es fast unmöglich die empfohlenen Schutzmaßnahmen einzuhalten. Sie leiden häufig unter Vorerkrankungen und gehören zur Risikogruppe. Deshalb schlagen wir vor, die Betroffenen wie in London dezentral in nicht ausgelasteten Hotels unterzubringen. Hamburg sollte diesem Beispiel folgen und in der derzeitigen Gefahrenlage Schutz und Zugang zu häuslicher Isolation und Hygiene geben.

Viele Menschen, Solo-Selbstständige und Selbstständige haben von einem Tag auf den anderen ihre Einkünfte verloren. Viele kleine Unternehmen Restaurants, Cafes, Einzelhändler bangen momentan um ihre Existenz. Die Angestellten bangen um ihre Arbeitsplätze und viele sind in die Kurzarbeit geschickt worden – davon die meisten mit heftigen Einkommensverlusten, da sie keine Aufstockung ihrer Einkünfte erhalten. Es ist richtig hier und jetzt mit einem großen Maßnahmenpaket als Stadt, als Staat zu reagieren. Wir werden sehr genau kontrollieren ob diese Maßnahmen auch die versprochenen Ziele erreichen: unbürokratisch, schnell, zur Sicherung der Menschen und der Unternehmen..

Denn diese Krise offenbart die soziale Spaltung in unserer Stadt in erschreckender Weise, ja, sie droht sie noch zu verschärfen. Die Corona Krise trifft am stärksten die Menschen, die wenig Geld in der Tasche haben. Sie trifft die Schwächsten. Die Linke wird dafür streiten, dass die Corona Krise von den starken Schultern getragen wird. Dafür fordern wir eine Vermögensabgabe nach dem Lastenausgleichsgesetz.

Wir befürchten eine wachsende soziale Spaltung, aber wir unterstützen vehement die Idee die gegenwärtige Kulturstruktur aber auch die gegenwärtige Einzelhandelsstruktur zu erhalten – Hamburg darf nach dieser Krise nicht eine von Amazon abhängige Einzelhandelswüste werden. Wir wollen uns gern an der Umsetzung dieses Schutzes beteiligen.

Das Gebot der Stunde ist, jetzt alles dafür zu tun, den Infektionsschutz für alle Menschen bestmöglich sicherzustellen. Daher halten wir derzeit Debatten über baldige Lockerungen der Maßnahmen geradezu für verantwortungslos. Wir haben aber als Politik auch den Auftrag über die Krise hinaus zu denken, aus den deutlich gewordenen Fehlern zu lernen und diese für die Zukunft nachhaltig zu korrigieren.“