„Die Corona-Krise führt zu dramatischer sozialer Verunsicherung“

Redenotizen für die Bürgerschaftsdebatte am 1.4.2020 zum Corona-Schutzschirm des Senats

Die größte Krise dieser Gesellschaft seit Jahrzehnten. Wir werden noch einige Zeit damit verbringen die Ursachen und die schlechte Vorbereitung darauf zu beurteilen. Das darf nicht vergessen werden, aber ist jetzt nicht das Thema. Jetzt gilt es, diese Krise zu bestehen.

Dafür brauchen wir die Solidarität der Menschen. Die Held_innen sind Pflegende und Verkaufende – sie leisten sehr viel, klatschen für sie ist gut, aber es reicht nicht – ihre Arbeit muss nicht nur jetzt, sondern dauerhaft besser belohnt werden.

Wir stimmen der Aussetzung der Schuldenbremse ausdrücklich zu. Und wir begrüßen den Anspruch des Senats mit dem Schutzschirm das nötige für die soziale Lage der Menschen in dieser Stadt zu tun.

Aber wir werden diese Programme kritisch begleiten. Wir befürchten, dass aus der Corona-Krise eine soziale Krise wird.

Und wir haben schlechte Erfahrungen mit Versprechen für einen funktionierenden Schutzschild z. B. im Schanzenviertel. Dort wurde versprochen, dass alle G20 Geschädigten entschädigt werden. Geschehen ist kaum etwas. Die Umsatzeinbußen dieser Tage wurde nicht berücksichtigt. Und gehen wir auch kritisch heran.

Was sind unsere kritischen Punkte?

Die gegenwärtige Corona-Krise führt für Tausende von Hamburg_innen zu einer dramatischen sozialen Verunsicherung: Soloselbständige, kleine Unternehmen, Bars, Imbisse, Restaurants, kleine Läden. Die LINKE fordert, dass der Staat hier eine Grundsicherung vornehmen muss – aus sozialen Gründen, aber auch um eine wirtschaftliche Vielfalt zu erhalten. Das Schutzprogramm des Hamburger Senats genügt diesen Anforderungen bisher nicht. Die Summen sind – auch im Vergleich mit anderen Bundesländern –gering. Die unterschiedlichsten Angebote schaffen keine Grundsicherheit.

Es geht darum, die Unsicherheit und die Angst all derer zu vermindern, die von der Krise unmittelbar in Form von Einkommenseinbußen betroffen sind. Das gilt für alle Arbeitnehmer_innen und alle Selbstständigen, deren Geschäfte von den staatlichen Bemühungen, die Verbreitung des Virus zu verlangsamen, negativ betroffen sind.

Eine einfache Regel wäre, dass für die kommenden drei Monate jede und jeder nicht weniger Einkommen erzielen sollte, als er ohne die Krise zu erwarten gehabt hätte.

Das ist nicht nur die Meinung der Linksfraktion. Diese Auffassung vertritt auch Prof. Henning Vöpel, Direktor des Hamburger Wirtschaftsforschungsinstitut HWWI. Er fordert neben den Liquiditätszuschüssen „gewissermaßen ein temporäres Grundeinkommen“.

„Entgangene Wertschöpfung, also das Einkommen, kann fast nie nachgeholt werden. Sie ist unwiederbringlich. Viele Betroffene werden mögliche Hilfskredite nie zurückzahlen können. Insoweit gilt es, den Status vor der Krise zu erhalten, also die kollektive Unterbrechung staatlich zu finanzieren. Konkret: Der Staat darf keine Insolvenzen zulassen, bis es überstanden ist.“ Zeit-Online

Vöpel: Es ist viel von Krediten die Rede. Das ist viel zu langsam und bürokratisch. Es klingt drastisch, aber meines Erachtens sollte die Zentralbank alle nominalen Zahlungen – von Gehältern und Mieten – für zwei, drei Monate übernehmen, um die Ökonomie quasi „einzufrieren“, um massenweise Insolvenzen und Verwerfungen zu verhindern. Damit gelingt es, die Krise als das zu organisieren, was sie ist: eine globale Auszeit. (Hamburger Abendblatt 19.3.2020)

Warum ist das wichtig?

Das ist nicht nur ein Thema der sozialen Gerechtigkeit, sondern unserer Gesellschaftsstruktur – werden die vielfältigen kulturellen Angebote, die kleinen Restaurants, Bars und Cafes überleben oder von den Amazons dieser Welt übernommen werden?

Diese Krise bedroht ebenso die vielfältige kulturelle Struktur in dieser Stadt.

Die Großen Unternehmen und Konzerne drohen mit ihren Steuerberatungsfirmen und Kanzleien die Programme zu plündern. Die finanziellen Hilfen werden sicherlich wieder ausgenutzt – denken wir an die Skrupellosigkeit einiger Reeder und Banker gepaart mit einer fetten Prise Dummheit in der Politik – das Ergebnis waren die über 10 Mrd. Euro Hamburger Kosten für die HSH _ Nordbank- Pleite. So ist gegenwärtig nicht zu verstehen, dass die Immobilienwirtschaft (außerhalb der Corona-Nachlässe) groß von diesem Programm profitieren darf – die Immobilienblase wird seit Monaten angekündigt. Ebenso bei der Automobilindustrie oder den Banken. Die Aktionen von Adidas und Deichmann haben die Herausforderung gezeigt.

Dringend muss gemacht werden: Kurzarbeitergeld aufstocken. 60 % bzw 67 % reichen nicht. Und es kann nicht sein, dass die Arbeitenden die Kosten der Krise zahlen. – Zumindest die städtischen Unternehmen müssen eine Aufstockung auf mindestens 90 Prozent vornehmen.

Die Gefahr ist, dass sich daraus – jenseits des ursprünglichen Coronaschocks – eine gefährliche Abwärtsspirale aus noch weniger Konsum und noch mehr Job- und Einkommensverlusten ergibt.

Bei den Hilfsprogrammen gibt es schon jetzt große Verständigungsprobleme –nachzulesen in diversen Chaträumen, allein der Nachweis von Liquiditätsprobleme widerspricht den Versprechungen des Senats. Die gegenwärtigen Hilfeprogramme können von vielen nicht angenommen werden – aus Gründen der Sprache, der reinen Online-Erreichbarkeit, der deutschen Ausweis-Nummer, die gegenwärtig notwendig ist.

Eine wichtige Baustelle sind die kleinen (Solo-)Sebstständigen, für die KfW-Kredite kaum in Frage kommen, vielleicht, weil sie nur ein paar Tausend Euro zur Überbrückung brauchen, weil die Geschäftsbanken kein Interesse haben, diese Kleinkredite für die Unternehmen zu beantragen, oder weil es gar nicht um die Finanzierung von Betriebsmitteln geht, sondern um die Finanzierung des Lebensunterhalts der Selbstständigen.

Unsere Fraktion lehnt es ebenso ab, dass viele jetzt in das Grundsicherungssystem gepresst werden (auch wenn es dort noch keine Vermögenskontrolle gibt). Aber selbstverständlich schürt das die soziale Angst.

Dispo-Zinsen Unverschämtheit der Banken abschaffen.

Kräftige Schritte bei den Schwächsten. Wir brauchen einen Schutzschirm bei den Obdachlosen, bei den Flüchtlingen, bei den Menschen ohne Papiere. Die Grundsicherung muss dringend aufgestockt werden – gerade für Ältere ist es jetzt viel teurer geworden.

Meine Fraktion sieht es als ihre vornehmste Aufgabe darauf zu achten, dass die soziale Spaltung in diesem Land durch diese Krise nicht weiter zunimmt. Dass die Menschen die jetzt schon in schwierigen finanziellen Situationen sind nicht verzweifeln.