DIE LINKE in der Bürgerschaft: Mehr Plätze in Frauenhäusern!

Im Schnitt jeden dritten Tag endet irgendwo in Deutschland Gewalt in der Partnerschaft für eine Frau tödlich. Hamburg stellt dabei keine Ausnahme dar: Allein im laufenden Jahr wurden hier sechs Frauen durch ihren Partner oder Expartner getötet – so viele wie in den beiden Vorjahren zusammen – das ergibt eine Anfrage, die wir an den Hamburger Senat gestellt haben. „Gewalt in Partnerschaften geht in der Regel von Männern aus und richtet sich gegen Frauen“, erklärt unsere frauenpolitische Sprecherin der Fraktion, Cansu Özdemir. „Das Problem darf nicht individualisiert werden, sondern muss als strukturelles Phänomen anerkannt, sichtbar gemacht und bekämpft werden. Das Dunkelfeld ist immer noch furchtbar hoch.“

Frauen in akuten Bedrohungssituationen brauchen Schutzräume und ein funktionierendes Hilfesystem. Doch Hamburgs Frauenhäuser sind seit Jahren überlastet. Legt man die Richtlinien der „Istanbul-Konvention“ an, fehlen in der Hansestadt 230 Frauenhausplätze – Plätze, die Leben retten können. Der Stellenschlüssel ist in den Hamburger Frauenhäusern mit 1:8 so niedrig, dass in eine notwendige Begleitung von Frauen in Krisensituationen oft nicht möglich ist. Gleichzeitig ist die Verweildauer in Frauenhäusern in Hamburg aufgrund der verfehlten Wohnungspolitik sehr hoch – er liegt im Schnitt bei 175 Tagen.

In der Bürgerschaftssitzung am 28.11.2018 haben wir daher beantragt: Die Aufstockung um 230 Plätze in Hamburger Frauenhäusern, eine deutliche Erhöhung des Stellenschlüssels und die Einrichtung eines Wohnraumkontingents von jährlich 60 Plätzen bei einer Wohnungsgenossenschaft. Der Antrag wurde in den Sozialausschuss überwiesen.

 

Unser Antrag:Schutzräume ausbauen – Frauenhäuser stärken

Gewalt gegen Frauen, insbesondere häusliche Gewalt, ist nach wie vor eine der gravierendsten Formen geschlechtsspezifischer Menschenrechtsverletzungen der Gegenwart. Die Anzahl der Verfahren die bei der Staatsanwaltschaft als Beziehungsgewaltdelikte erfasst werden, ist seit Jahren steigend. Für 2017 wurden in Hamburg 5.680 Fälle der Kategorie Beziehungsgewalt zugeordnet (siehe Drs.: 21/13879). Es ist davon auszugehen, dass das Dunkelfeld darüber hinaus in diesem Bereich sehr hoch ist. In der Regel sind es Frauen und Kinder die von Männergewalt betroffen sind. Schutzsuchende Frauen und Kinder benötigen sichere Orte und unterstützende Strukturen. In Hamburg stehen hierfür die gemeinsame Koordinierungs- und Servicestelle der Frauenhäuser 24/7, sowie die vier autonomen Frauenhäuser und das Frauenhaus der Diakonie zur Verfügung. Um den Frauenhäusern für ihre leider dringend nötige Arbeit die bestmöglichen Bedingungen zur Verfügung zu stellen, bedarf es einer Erweiterung, sowie einer verbesserten Ausfinanzierung der bestehenden Hilfestrukturen.

Die Problemlage ist bei den Frauenhäusern seit Jahren bekannt und unverändert. Sie konzentriert sich insbesondere auf drei Aspekte: eine viel zu hohe Auslastungsquote, eine sehr lange Verweildauer der Frauen in den Schutzräumen und einen schlechten Betreuungsschlüssel.

Deutschland ist Ende 2017 dem Übereinkommen des Europarates zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt, kurz auch „Istanbul Konvention“ genannt, beigetreten. Unter Artikel 23, Nr. 133 verpflichten sich die Vertragsparteien „für geeignete und leicht zugängliche Schutzunterkünfte in ausreichender Zahl zu sorgen“. „In ausreichender Zahl“ wird unter Nr. 135 folgendermaßen spezifiziert: „Im Abschlussbericht der Task Force des Europarates zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt wird eine sichere Unterkunft für Frauen in Frauenhäusern empfohlen, die auf alle Regionen verteilt sind und eine Familie pro 10.000 Einwohner aufnehmen können“. Hamburg verfügt bei einer Einwohner*innenzahl von etwa 1,8 Millionen Menschen aktuell über 209 Schutzplätze für von Gewalt betroffene Frauen und Kinder. Ein Familienzimmer entspricht 2,46 Plätzen. Folglich besteht laut Istanbul Konvention ein Mangel von rund 230 Plätzen in der Stadt.

Die Gesamtauslastungsquote der Hamburger Frauenhäuser lag für das erste Halbjahr 2018 bei 95,6%. Das 4. Hamburger Frauenhaus hat das gesamte Halbjahr über eine Auslastungsquote von einhundert Prozent überschritten. Auch das 2. Hamburger Frauenhaus hat die Hundertprozentmarke in drei von sechs Monaten überstiegen. „Um seine Funktion als Zufluchtsstätte erfüllen zu können, sollte ein Frauenhaus keine höhere Belegungs- oder Auslastungsquote als 70% im Jahresdurchschnitt haben“ heißt es in einer Stellungnahme der zentralen Informationsstelle autonomer Frauenhäuser. Ein wünschenswerter Standard von dem Hamburg allzu weit entfernt ist.

Trotz der katastrophalen Auslastungslage lehnen die Frauenhäuser keine Anfragen ab, denn sie sehen sich dem sofortigen Schutz für von Gewalt betroffene Frauen und ihren Kindern verpflichtet. Frauen die sich in akuter Not befinden und sich aus einer Gewaltsituation befreien möchten werden jederzeit, unabhängig davon ob in dem zuständigen Haus Plätze zur Verfügung stehen, aufgenommen. Gegeben des Falles einer Vollbelegung werden die Schutzsuchenden schnellstmöglich weitervermittelt, aufgrund des eklatanten Kapazitätenmangels oftmals gegen das Bedürfnis der Frauen in Häuser anderer Bundesländer. Die Wahl zwischen Umzug in ein anderes Bundesland oder keinen Schutz im Frauenhaus zu finden stellt dabei eine massive Einschränkung des Selbstbestimmungsrechts der betroffenen Frauen dar. Völlig unverständlicherweise wurden den Frauenhäusern trotz voller Auslastung im Jahr 2006 13 Plätze gekürzt. Die Ankündigung des Senats ein weiteres Frauenhaus mit 30 zusätzlichen Plätzen schaffen zu wollen, ist zwar erfreulich, kann aber nur ein Tropfen auf den heißen Stein sein.

Schutzsuchende Frauen verbrachten im Jahr 2017 durchschnittlich 175 Tage in einem der Hamburger Frauenhäuser. Ein also etwa halbjähriger Aufenthalt im Frauenhaus ist ein Trend der schon seit Jahren Bestand hat. Diese lange Verweildauer liegt in Hamburgs katastrophaler Wohnraumpolitik begründet und ist an und für sich ein Problem, verstärkt aber auch zusätzlich das zuvor beschriebene Problem der hohen Auslastung der Frauenhäuser. Schon 2013 wurde der Senat aufgefordert sich der Problematik anzunehmen. So heißt es im Konzept zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Mädchen, Menschenhandel und Gewalt in der Pflege: „Um die Verfügbarkeit der ausreichenden Platzkapazitäten in den Hamburger Frauenhäusern langfristig zu sichern, ist die Verweildauer der Frauenhausbewohnerinnen so kurz wie möglich zu halten. Die Bürgerschaft hat daher den Senat mit Beschluss vom 23. Oktober 2013 ersucht, verbindliche und effektive Verfahren zu entwickeln, um die Wohnungssuche von Frauen aus dem Frauenhaus zu unterstützen (Drs. 20/9476)“. Trotz sichtlicher Bemühungen der Stadt die Integration von Frauenhausbewohnerinnen und ihrer Kinder in den Wohnungsmarkt zu verbessern wurden bis dato keine effektiven Maßnahmen ergriffen, um für eine nachhaltige Verbesserung der Situation zu sorgen. Das von der BASFI initiierte Projekt vivienda der lawaetz GmbH ist ein guter Anfang, kann die aktuelle Problemlage aber keinesfalls auffangen. Wie die Mitarbeiter*innen der autonomen Frauenhäuser bereits seit Jahren fordern, bedarf es eines jährlichen Wohnungskontingents für Frauenhausbewohnerinnen, das etwa bei der SAGA/GWG oder einer Wohnungsgenossenschaft angesiedelt sein könnte und konkreter Ansprechpartner*innen.

Der Betreuungsschlüssel der Frauenhäuser wurde 2016 in Hamburg auf 1:8 vereinheitlicht und bewegt sich damit im Bundesdurchschnitt nach wie vor am untersten Rand. Ein für eine Kriseneinrichtung in einer Metropolregion untragbarer Zustand, der sich sowohl belastend auf die schutzsuchenden Frauen, als auch auf die Mitarbeiter*innen der Frauenhäuser auswirkt. Insbesondere für die gemeinsame Koordinierungs- und Servicestelle der Frauenhäuser 24/7 ist ein anderer Personalschlüssel dringend nötig. Als erste Anlauf- und Clearingstelle wird das 24/7 ausschließlich von Frauen in akuten Krisen aufgesucht – eine besonders herausfordernde Arbeit. Aufgrund der Unterbesetzung ist es gegenwärtig zudem nicht möglich Frauen zu aufreibenden Terminen in der Rechtsmedizin oder bei Beratungsstellen zu begleiten. Eine Verbesserung des Betreuungsschlüssels auf 1:4, wie es die Frauenhäuser auf Bundesebene fordern, ist daher längst überfällig.

Ohne eine Aufstockung der finanziellen Mittel ist eine grundsätzliche nachhaltige Verbesserung der beschriebenen Problemlagen nicht zu erreichen.

 

 

Die Hamburgische Bürgerschaft möge beschließen:

Die Bürgerschaft fordert den Senat auf,

 

  1. 230 weitere Schutzplätze für von Gewalt betroffene Frauen, aufgeteilt auf acht barrierefrei zugängliche Standorte zur Verfügung zu stellen. Hierfür sind zusätzlich 4 Millionen Euro in den Haushalt einzustellen.
  2. In der Produktgruppe 255.03 Integration, Opferschutz, Ziviles wird die Kennzahl B_255_03_013 Platzzahl in den Frauenhäusern für die Jahre 2019-2022 auf 440 erhöht.
  3. Dafür Sorge zu tragen, dass Frauenhausbewohnerinnen einen zuverlässigen Zugang zum Wohnungsmarkt haben. Hierfür wird ein jährliches Wohnraumkontingent von 60 Plätzen bei einer Wohnungsgenossenschaft eingerichtet.
  4. Für die bestehenden Frauenhäuser werden acht weitere VZÄ geschaffen. Hierfür werden zusätzlich 340.000 Euro in den Haushalt eingestellt.
  5. Der Bürgerschaft zum 30.04.2019 zu berichten.

 

.