Die HSH Nordbank

Die Privatisierung HSH-Nordbank: „Besenrein in die Zukunft“?

von Joachim Bischoff /Norbert Weber

Die HSH Nordbank ist fast privatisiert, doch die Bilanz 2017 sieht nicht gut aus. Das vergangene und auch dieses Jahr sieht das Kreditinstitut tief in den roten Zahlen. Also doch kein Superdeal für die bisherigen Eigentümer?

Hamburg und Schleswig-Holstein hatten Ende Februar die HSH nach Auflagen der Europäischen Union für eine Milliarde Euro an Finanzinvestoren um Cerberus und J.C. Flowers verkauft. Dem Deal müssen noch beide Länderparlamente sowie die Europäische Zentralbank und die EU-Kommission zustimmen. Der Kieler Landtag hat bereits einstimmig der Privatisierung zugestimmt. Die Hamburger Bürgerschaft entscheidet vermutlich erst im Mai oder Juni. Die Bank geht davon aus, dass der Verkauf spätestens zum dritten Quartal rechtskräftig ist.

„Der Verkauf ist für Schleswig-Holstein die wirtschaftlichste Möglichkeit“, sagte Ministerpräsident Daniel Günther. Allerdings falle die Abschlussrechnung für das Land sehr teuer aus. Nach dem wahrscheinlichsten Szenario beim Verkauf werde es mit 5,4 Milliarden Euro belastet. Im Falle einer sofortigen Abwicklung als einziger Alternative könnten es bis zu 7,5 Milliarden Euro sein, sagte Günther. Es schmerze ihn und die Regierung, dass das Engagement des Landes sehr teuer für die SteuerzahlerInnen geworden ist.

Gewinnankündigung kurz nach Vertragsunterzeichnung zurückgezogen

Voraussetzung für den Verkauf ist die Beendigung der 2009 übernommenen so genannten Sunrise-Garantie, mit der die Länder im Umfang von zehn Milliarden Euro für Verluste aus den Altgeschäften der früheren HSH Nordbank haften. Der Kaufpreis kann sich verringern, wenn die Länder nach abschließender Überprüfung weniger als die volle Garantiesumme auszahlen. Für die vorzeitige Beendigung und Auszahlung der Garantie erhalten die Länder einen Ausgleichsbetrag in Höhe von 100 Millionen Euro. Durch den Fortbestand der Bank werden die Risiken aus der Gewährträgerhaftung für die Länder reduziert.

Zwei Bedingungen wurden bei der Vertragsunterzeichnung hervorgehoben: Die Bank rechne für 2017 mit einem Gewinn von ca. 300 Millionen Euro. Der Kaufpreis beträgt rund eine Milliarde Euro. Er könnte sich allerdings noch reduzieren, falls die Bank die Verlustgarantie der Länder von zehn Mrd. Euro nicht voll in Anspruch nimmt.

Kurz nach Unterzeichnung des Vertrages wurde die Ankündigung eines Gewinns für 2017 zurückgezogen. Ein Verlust bedeutet, dass die privaten Anleihegläubiger weitere Verluste zu verarbeiten hätten. Die HSH kündigte damals an, dass es wegen der bevorstehenden Transformationsphase nicht möglich sein werde, „wie ursprünglich erwartet ab dem Geschäftsjahr 2020 (für das Geschäftsjahr 2019) Ausschüttungen auf die begebenen Hybridkapitalinstrumente zu leisten“. Dies sei frühestens ab 2024 für das Geschäftsjahr 2023 möglich. Der Schritt hatte bei Anleihegläubigern für Protest gesorgt. Sie prüfen die Einreichung einer Klage. Bei so genanntem Hybridkapital handelt es sich um eine Mischform aus Eigen- und Fremdkapital. Deshalb haften Gläubiger solcher Anleihen oft für Verluste mit.

Ein Jahresabschluss mit Überraschungen

Jetzt präsentierte das Bankmanagement den Jahresabschluss 2017 mit zwei Überraschungen. Was zu vermuten war: Die Garantie der Länder Schleswig-Holstein und Hamburg wird vollständig in Anspruch genommen. Es bleibt also bei der Zahlung von einer Milliarde Euro und 100 Millionen Euro Entschädigung für das vorfristige Ende der Garantie.

Der Verkauf von faulen Krediten im Zuge der Privatisierung hat die HSH Nordbank vergangenes Jahr tief in die roten Zahlen gedrückt. Wegen hoher Abschläge von gut einer Milliarde Euro bei dem Verkauf von notleidenden Schiffsdarlehen lag der Vorsteuerverlust bei 453 Millionen Euro, wie die Bank mitteilte. Operativ lief es deutlich besser: Hier lag der Gewinn bei 238 Millionen Euro, wenn man Sondereffekte rund um die erste Privatisierung einer Landesbank ausklammert. Die Öffentlichkeit erhält sechs Wochen nach dem Verkaufstermin vom 28. Februar ein völlig anderes Bild. Selbstverständlich sind die beteiligten Geschäftspartner von dieser Entwicklung nicht berauscht.

Das präsentierte Ergebnis für das Geschäftsjahr 2017 lautet: Konzernverlust über 528 Millionen Euro. Als Begründung wird mitgeliefert, es gebe Sondereffekte aus Privatisierung, der NPE-Verkauf (Non Performing Exposures, schlechte Risiken) hätte den Jahresabschluss mit 1,1 Milliarden Euro belastet. Bei einer Reduzierung der Bilanzsumme von 17 Prozent auf 70,382 Milliarden Euro gegenüber dem Vorjahr verschlechterte sich das Provisionsergebnis um 25 Prozent, das Ergebnis aus Finanzanlagen um 36 Prozent. Der Zinsüberschuss konnte nur gerettet werden durch Neubewertung hybrider Finanzanlagen.

Olaf Scholz verschwieg milliardenteure „Details“

Bis zum Mittag des 28. Februar 2018 wurde aus der Bank ein Jahresgewinn über etwa 300 Millionen Euro kolportiert. Nachdem die Kaufverträge unterschrieben waren, kam die Bank mit einer Gewinnwarnung als Ad-hoc-Meldung heraus. Irgendwie dreht sich alles um das abzukoppelnde Asset-Portfolio. In den Vorjahren konnte die Bank die Ländergarantie-Mechanismen nutzen, derartige Effekte abzufedern und die notwendigen Gegenbuchungen den SteuerzahlerInnen aufzubürden. Da die Garantie jedoch nunmehr vollständig ausgeschöpft ist, muss nun die Bank erstmals selbst für ihre Geschäfte einstehen.

Bestandteil der Kaufverträge ist, dass ein Asset-Portfolio über nominell 6,3 Milliarden Euro mit einem Bilanzbuchwert über 3,5 Milliarden Euro zu einem Kaufpreis über 2,45 Milliarden Euro an Cerberus und Co. separat verkauft werden soll. Aus dem im öffentlich zugänglichen Handelsregister hinterlegten Hauptversammlungs-Protokoll geht zudem hervor, dass der nominelle Forderungsbetrag sogar 6,3 Milliarden Euro nach Forderungsverzicht beträgt, also deutlich höher war.

Die Investoren zahlen also eine Milliarde für die Landesbank. Gleichzeitig übernehmen sie von der Bank in einer separaten Transaktion aber auch ein Milliardenportfolio von guten Engagements und faulen Krediten. Deren Wert wird beim Verkauf nun eine Milliarde niedriger angesetzt als in den Büchern der HSH. Wegen des erstaunlich hohen Abschlags können die Käufer auf Gewinne hoffen. Die Verluste aus dem Portfolio landen dagegen bei den Ländern und der Bank. Von diesen Details sagt Olaf Scholz nichts, als er mit Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther die Ergebnisse der Verkaufsverhandlungen präsentiert.

Ist der Parallel-Deal bereits gelaufen?

Mit dieser Operation ist die HSH Nordbank faktisch „besenrein“. Nicht nachzuvollziehen ist der überaus hohe Nachlass hin zum Portfolio-Kaufpreis über 2,45 Milliarden Euro. In diesem Portfolio liegen nicht nur schlechte Kredite, sondern gleichzeitig auch gute, performende Assets, die beigemischt wurden. Nur zum Vergleich: Durch die HSH Portfolio-Management AöR sind vor einigen Monaten – angeblich – die schlechtesten Risiken von den Ländern der Bank abgekauft worden. Hier war der Nominalwert 4,9 Milliarden Euro, der Kaufpreis 2,4 Milliarden Euro, also etwa 50 Prozent. Im neuen Deal beträgt der Kaufpreis jedoch nur etwa 38 Prozent, und das bei beigemengten „guten“ Krediten.

Immer noch unklar ist, ob dieser parallele Deal bereits gelaufen ist. Laut Senatsdrucksache zum Verkauf soll dieser Deal erst am Ende der Closingphase in frühestens einem halben Jahr vollzogen werden. Einige Anzeichen sprechen jedoch dafür, dass dieses Abspalten bereits gelaufen ist. Das ist nicht unwichtig!

Sollten Cerberus und Co. das abgespaltene Portfolio bereits in Händen haben, können sie bereits damit arbeiten und konsequent „Kasse machen“. Aufgrund der beigemengten „guten“ Kredite werden sie wohl deutlich höhere Erlöse erzielen als die gezahlten 2,45 Milliarden Euro.

Die „Barreserve“ geht an die US-Investoren

In dem Zusammenhang interessant ist die Position „Barreserve“ in der Bilanz 2017. Diese hat sich gegenüber dem Vorjahr deutlich von 3,4 auf 6,6 Milliarden Euro erhöht. Die Bank hätte diese irritierend hohe Liquidität dazu verwenden können, die Länder aus der Gewährträgerhaftung zu befreien, sonstige Risiken selbst zu tragen oder die restliche Ländergarantie nicht vollständig in Anspruch zu nehmen. Tut sie aber nicht, sondern bringt diese Beträge „in die Ehe“ mit den US-Investoren mit ein.

Passend zu diesem Bild ist die Informationspolitik: Der Übergang des Portfolios an die neuen Eigentümer läuft unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Anders als der Verkauf der Bank unterliege er „nicht einem Zustimmungsvorbehalt durch die beiden Länderparlamente“, heißt es in einem Schreiben der Landesregierung an die Abgeordneten in Schleswig-Holstein. Die dürfen die Details der Transaktion nicht mal einsehen. „Parlamente und Bürger können sich kein Bild von den Risiken machen“, kritisiert Ökonom Martin Hellwig vom Bonner Max-Planck-Institut das Verfahren.

In einem Informationsschreiben an die Hamburger Bürgerschaft teilt der Senat mit, dass der Wert dieses Portfolios durch ein Gutachten ermittelt wurde. Dessen Ergebnis aber verschweigt er. Der hohe Abschlag ist erstaunlich, weil HSH-Chef Stefan Ermisch zuletzt immer wieder erklärt hat, dass die Bank alle Vermögenswerte konservativ bewertet habe. Zuletzt hat sich die Lage auf den lange kriselnden Schiffsmärkten zudem nicht mehr verschlechtert, sondern sogar leicht erholt. In Finanzkreisen heißt es, dass der Preis den derzeitigen Markt spiegele. Und letztlich Verhandlungssache gewesen sei. Die Länder erklären, dass die Transaktion vor allem Sache der Bank sei. Seitens der Bank heißt es dagegen, die Länder hätten das mit vorangetrieben und letztlich ja durch die Hauptversammlung abgenickt. Der Kreditverkauf mit dem Abschlag sei so nur möglich gewesen, weil die Bank schon in der Vergangenheit so hohe Risikovorsorge gebildet habe. Die zusätzliche Risikovorsorge von einer Milliarde Euro werde nicht gegen die Garantie der Länder gerechnet, sondern ginge auf das Konto der Bank.

Das erinnert an eine der ersten Privatisierungsverkäufe in Deutschland an Hedge-Fonds, der Verkauf des „grünen Punktes“. Da war auch so viel Liquidität in den Kassen geschaffen worden, dass sich die Investoren sofort nach Übernahme den gezahlten Kaufpreis als Entnahme zurück überweisen konnten.

Sammelklage gegen den Verkauf

Verwirrend ist in dem Zusammenhang auch folgende Aussage von Bankchef Ermisch auf der Bilanzpressekonferenz. Bei einer derzeitigen Bilanzsumme über etwa 70 Milliarden Euro sähe die Bank ein kurzfristiges Bilanzsummenziel von 55 Milliarden Euro, will aber gleichzeitig Neugeschäft ausbauen. Da Neugeschäft – für sich betrachtet – eine Bilanzsummenverlängerung bedeutet, passt diese Aussage nur, wenn gleichzeitig weitere Teile der Bank getilgt oder rausgelöst werden. Das mit dem „Herauslösen“ wird auch so sein, denn „Filetieren“ und Kasse machen gehört zum Kerngeschäft von Investoren wie Cerberus und Co.

In Schleswig-Holstein hat das Parlament dem Verkauf der Bank zugestimmt. Das ist wenig überraschend, denn laut Kieler Nachrichten hatte man sich in Schleswig-Holstein auf die Sprachregelung geeinigt, dass alle Parteien in der langen Geschichte der HSH Fehler gemacht hätten und man dazu stehe. In Hamburg sieht das leider nicht viel anders aus. Kritik an dem trostlosen Ende gibt es in der Hamburgischen Bürgerschaft nur aus der Fraktion DIE LINKE, und das bereits seit der ersten HSH-Rettung durch Steuergelder 2008/2009.

Kippen könnte diese faktische Schenkung an Investoren eigentlich nur der Pool an Hybridkapitalgläubigern, die, seitdem sie wissen, dass sie die Verluste der Bank anteilig tragen sollen, auf Zinne sind. Nach Presseinformationen wird eine Sammelklage vorbereit mit dem Ziel, den Verkauf zu verhindern.