E-Tretroller – Experiment gescheitert – Versuchsreihe neu anordnen

Die Hamburger Morgenpost hat am 20. November in der Serie STANDPUNKT einen Beitrag von Heike Sudmann zu E-Scootern veröffentlicht. In der Serie bietet die MOPO eine Plattform für unterschiedliche Meinungen und die ganz persönliche Haltung der Autoren zu den Themen, die die Menschen in Hamburg und Umgebung bewegen. Die Beiträge spiegeln nicht die Meinung der Redaktion wieder.

Im folgenden dokumentieren wir den Artikel.

Seit dem 15. Juni 2019 sind E-Tretroller auch in Deutschland zugelassen. Obwohl aus europäischen und amerikanischen Großstädten, wo die ersten Roller schon 2017 eingeführt wurden,  etliche Probleme bekannt waren, konnten Verkehrsminister Scheuer und einige Hamburger Politiker*innen diesen Tag gar nicht erwarten. Katharina Fegebank von den Grünen sagte schon im Mai,  E-Scooter fahren „macht Spaß und schützt das Klima“.

Sechs Monate später lässt sich feststellen, dass das Experiment einer neuen „Elektro-Mobilität“ auch in Hamburg gründlich missglückt ist. Und das ist nicht allein die Schuld der Menschen, die die E-Tretroller rücksichtslos auf Gehwegen und in Parkanlagen nutzen oder sie einfach stehen und liegen lassen, wo es ihnen gerade gefällt.

Für dieses Experiment fehlt(e) es nämlich an einer wichtigen Voraussetzung: Platz. Zugelassen wurden die E-Tretroller auf Radwegen und Radfahrstreifen. Also genau dort, wo es heute schon eng ist und wo es in der zukünftigen „Fahrradstadt Hamburg“ noch enger werden soll.  Das konnte und kann nicht gut gehen. Und weil viele Radwege schlecht sind, weichen Rollerfahrer*innen auf den Gehweg aus. Spätestens jetzt müssten auch die Fans der so schön im Amtsdeutsch genannten Elektrokleinstfahrzeuge erkennen, dass wir über die ungerechte Verteilung des öffentlichen Raums reden müssen. Wer zu Fuß geht oder mit dem Rad fährt, bekommt nur einen Zipfel des öffentlichen Raums zugesprochen. Für das fahrende und das parkende Auto hingegen wird deutlich mehr Raum zur Verfügung gestellt. Wer glaubt und behauptet, dass E-Tretroller Autoverkehr ersetzen, muss konsequenterweise dann auch z.B. Autoparkplätze für sie freimachen.

Doch von einer Entlastung des Straßenverkehrs durch die E-Tretroller ist auch gut vier Monate nach ihrer Einführung in Hamburg nichts zu spüren. Untersuchungen aus Frankreich ergaben, dass fast die Hälfte der Roller-Nutzer*innen sonst zu Fuß unterwegs gewesen wäre, 29 Prozent hätten Bus und Bahn genutzt und weniger als zehn Prozent das Rad. Damit wäre übrigens auch erklärt, weshalb in Hamburg die Fahrten mit dem StadtRad im Juli um 11 Prozent im Vergleich zum Juni zurückgegangen sind.

Gegen die E-Tretroller in ihrer jetzigen Form sprechen zwei weitere Aspekte. Die Herstellung der Akkus ist umweltpolitisch schon hoch problematisch, die Lebensdauer ist nur noch ein schlechter Witz. Drei bis sechs Monate,  dann ist Schicht im Schacht. Solange dadurch die Gewinnbilanz der Leihfirmen nicht geschmälert wird, wird sich daran nichts ändern. Ebensowenig an den Arbeitsbedingungen der Menschen, die die Roller nachts mit (Diesel)Transportern einsammeln und wieder aufladen. Viele von ihnen arbeiten als Selbständige, ohne Sozialversicherung oder gar Mindestlohn. Je weniger Kosten für die Verleihfirmen anfallen, desto größer werden dort die Gewinne.

Das Verleihgeschäft mit den E-Tretrollern ist heiß umkämpft, die Anbieter*innen konkurrieren verschärft und versuchen, möglichst viele Fahrzeuge auf den Markt zu bringen. Eine Rücknahme der Erlaubnis für die Roller ist nicht in Sicht. Deshalb müssen die Rahmenbedingungen verändert werden. Das Umweltbundesamt hat Anfang September vorgeschlagen, Umweltkriterien zur Voraussetzung einer Verleih-Genehmigung  zu machen: Austauschbarkeit der Akkus, Reparierbarkeit nebst Ersatzteilverfügbarkeit sowie eine lange garantierte Lebenserwartung des Akkus bzw. des E-Tretrollers. Gleichzeitig weist das Umweltbundesamt darauf hin, dass nicht die E-Tretroller, sondern die privat genutzten Autos in den Städten das Hauptproblem bei der Verkehrswende und der Lebensqualität in Städten blieben. Deshalb müsse die Zahl der Autos und der Parkplätze deutlich reduziert werden.

Weniger Autos, mehr Platz für den umweltfreundlichen Verkehr. Kommen dann langlebige E-Tretroller dort zum Einsatz, wo sie die fehlende Verbindung zu Bus und Bahn herstellen, ergeben sie Sinn. Unter den jetzigen Bedingungen sind sie ein rollender Unsinn mit Batterieantrieb, der mit Nachhaltigkeit und Klimaschutz nichts zu tun hat.