20190605_kohle-300x300 Die Bürgerschaft hat am 5. Juni über ein Kohleausstiegsgesetz für die Fernwärmeversorgung Hamburgs abgestimmt. In der Abstimmung hat sich die Linksfraktion wegen zu vieler Verschiebungen und Ausnahmen der Stimme enthalten. Um die Kritik und die daraus resultierenden eigenen Forderungen der Linksfraktion deutlich zu machen haben wir in die Bürgerschaft einen Zusatzantrag eingebracht mit dem wir klarmachen wo unserer Einschätzung nach ein wirksamer Kohleausstieg in Hamburg ansetzen muss.

Von „Tschüss Kohle“ zum Kohle-Kompromiss

Der Ausgangspunkt, die erfolgreiche Volksinitiative „Tschüss Kohle“, war ein gemeinsames Projekt von 45 Bündnispartner*innen und Unterstützerorganisationen. Sie hatte im Juni 2018 22.495 Unterschriften für einen Gesetzentwurf zum Ausstieg Hamburgs aus der Kohlenutzung bei der Fernwärme bis 2025 und der Kohleverstromung bis 2030 eingereicht. In der Folge verhandelte die Volksinitiative sechs Monate mit den Fraktionen von SPD und Grünen hinter verschlossenen Türen.

Wir bedanken uns als Fraktion für das Engagement der Volksinitiative. Zum Einen dafür das Thema des Kohleausstiegs früh in die Diskussion der Stadt eingebracht zu haben – der zivilgesellschaftliche Protest vom Hambacher Forst bis Fridays for Future zeigt, wie sehr dies der Überzeugung der Menschen entspricht – und zum Anderen für die sechsmonatigen Verhandlungen mit SPD und Grünen, die bestimmt nicht einfach waren.

Eine längere Bewertung dessen, wofür sich Rot-Grün gerade abfeiert, wollen wir hiermit vorlegen um deutlich darzulegen, dass wir uns mehr erwartet hatten. Und der Widerstand von Rot-Grün gegen schnelle und wirksame Maßnahmen für uns unverständlich ist.

 

Weitere Kohlenutzung durch die Hintertür

Der mit Rot-Grün ausgehandelte Kompromiss der Volksinitiative sieht nun den Ausstieg aus der Nutzung von Kohle für die Wärmeversorgung im stadteigenen Fernwärmenetz bis 2030 vor – ein Ausstiegsdatum für die Stromerzeugung wird nicht definiert, und Vattenfall bleibt es möglich, Industriebetriebe via Direktanbindung mit Fernwärme aus Moorburg zu versorgen. Dazu wurde im vorgelegten Gesetzentwurf der Anschluss von Industriebetrieben von der Definition als Fernwärmenetz ausgenommen.

Die Aufteilung der Fernwärme in die des stadteigenen Fernwärmenetzes, für die der Kohleausstieg bis 2030 gilt, und alle anderen, vor allem Anschlüsse zur industriellen Versorgung, für die dann der derzeitige bundesweite Ausstiegstermin 2038 gilt, ist nicht hinnehmbar. Schon die fehlende Möglichkeit Hamburgs auch aus der Stromerzeugung durch Kohle auszusteigen ist klimapolitisch bedenklich, lässt sich aber nicht umgehen. Jetzt aber auch noch aus dem verspäteten Kohleausstieg bei der Wärme den nicht-öffentlichen Teil auszunehmen und das Wegegesetz nicht klimapolitisch zu reformieren, ist der bekannte ’schlanke Fuß‘. Hamburg scheut Gerichtsprozesse, wie schon bei der Genehmigung Moorburgs, und verweist auf den Rahmen des Wegegesetzes des Bundes. Wir halten eine Änderung und auch das daraus resultierende Risiko einer Klage Vattenfalls angesichts der Situation der Klimakatastrophe für angemessen und notwendig einzugehen. Leider hat Hamburg, trotz Klimawandel, das Kämpfen für existentielle Angelegenheiten verlernt.

Die Umstellung des Kohleheizkraftwerk Tiefstack geht in die Verlängerung!

Die ursprünglich geforderte Umstellung des Kohleheizkraftwerks Tiefstack bis zum 31.12.2025 von Kohle auf Gas wurde zugunsten einer Umstellung bis 2030 aufgegeben. Hier soll nach Möglichkeit als Folgenutzung nicht mehr auf Gas gesetzt werden und eine direkte Umstellung auf erneuerbare Energien erfolgen. Bis zum 31.12.2025 soll überprüft werden, ob eine Umstellung früher als 2030 möglich ist.

Während das neue große GuD (Gas- und Dampfturbinenkraftwerk) südlich der Elbe gasbefeuert an den Start gehen wird, sieht sich die Behörde nicht in der Lage in ähnlicher Weise bei Tiefstack zu verfahren. Das GuD soll mit der Option es später mit erneuerbaren Energien zu betreiben errichtet werden. Für das Kohleheizkraftwerk Tiefstack fehlen der Behörde eigene und externe Fachleute für dessen Umrüstung. Zumindest die Ankündigung Vattenfalls, dass Tiefstack bis 2025 auf Gas umgerüstet werden soll wurde von der Umweltbehörde nicht angefochten. Weder die Absicht noch die Terminierung. Hier ist es beim Kompromiss wohl wieder so, dass sich die Behörde versucht einen möglichst schlanken Fuß zu machen und allzu ambitionierte Pläne, die zusätzliche Anstrengungen erfordern würden, verhindert.

Wiederholte Laufzeitverlängerung für Kohleheizkraftwerk Wedel

Die Nachricht, dass das Kohleheizkraftwerk Wedel voraussichtlich bis zur Heizperiode 2024/2025 laufen wird, ist zwar nicht Bestandteil des Kompromisses zwischen Volksinitiative und Rot-Grüner Regierungskoalition, wurde aber von Rot-Grün in den Text zum Antrag mit eingebracht. Begründet wird dies mit der vermutlich erst 2024 fertig gestellten Fernwärmeleitung vom Rugenberger Damm unter der Elbe auf die nördliche Elbseite. Dabei verweist Rot-Grün auf die angedrohten Klagen gegen diese Elbtrasse, die deren Fertigstellung verzögern können und schiebt die Schuld Bürgerinnen und Bürgern in die Schuhe, die ihr Recht auf Widerspruch wahrnehmen wollen.

Die Regierungsmehrheit verkennt bewusst, dass es immer ein Klagerisiko gibt. Und vor allem wird verschwiegen, dass die Planungen der Behörde weit im Verzug sind. Bis heute hat der Scoping Termin für die Elbquerung nicht stattgefunden. Bis heute ist die genaue Konfiguration der zugrunde liegenden ‚Südvariante‘ (die Ersatzbauten für Wedel werden hauptsächlich südlich der Elbe erstellt was eine Elbquerung für den Wärmetransport notwendig macht) nicht bekannt. Die planerische Verzögerung der Umweltbehörde in Zusammenhang mit den Ablösungsmaßnahmen für Wedel sind fahrlässig und selbst verursacht. Die Alternative einer Ersatzplanung nördlich der Elbe (‚Nordvariante‘) wurde von der Behörde nie ernsthaft evaluiert. Der Hintergrund dafür dürfte sein, dass die Planungen bis kurz vor der endgültigen (Rück-)Kaufentscheidung der Stadt für das Fernwärmenetz zusammen mit Vattenfall erstellt wurden. Vattenfall hat diese Planungen immer mit der Absicht betrieben einen Zugang des Kraftwerks Moorburg zum Fernwärmenetz zu erlangen und der benötigt eine Elbquerung. Die Planungen der Behörde sind damit auf einer falschen Grundlage erfolgt. Im Gesamtkontext kann man diese Grundlagen, auf denen die Stadt plante, nun nur noch als ‚Trümmerlandschaft bezeichnen.

Noch im Oktober 2018 hat Umweltsenator Kerstan im Haushaltsausschuss zum Weiterbetrieb Wedels gesagt „Wedel bis 2024, 2025 laufen zu lassen, halten wir aus Umweltgesichtspunkten und auch eben aus Kostengesichtspunkten nicht für sinnvoll“. Zumindest der Senator ging da davon aus, dass Wedel mit einer Ausnahmegenehmigung, trotz schärferer Emissionsrichtlinien, noch ein bis zwei Jahre, über 2021 hinaus, betrieben werden könne. Die Kosten für ein Jahr Laufzeitverlängerung bezifferte eine Beratungsgesellschaft der Umweltbehörde am 31. Oktober 2018 auf 25 Millionen Euro, für fünf Jahre auf 65 Millionen Euro. Mit nunmehr vier Jahren Verlängerung dürften der Energiewende in Hamburg ein mittlerer zweistelliger Millionenbetrag verloren gehen, der in die Nachrüstung eines Kohledenkmals gesteckt werden muss. Schon diese Aussagen zeigen die Planlosigkeit der Behörde, die noch Ende 2018 anscheinend keine validen Vorstellungen für den Ersatz Wedels hatte. Diese Verzögerung ist einzig der Behörde zuzuschreiben und es ist die Verantwortung der Stadt mit eigenen Anstrengungen dies wieder aufzuholen. Bis heute erwähnt Senator Kerstan das Risiko der gegen den Weiterbetrieb Wedels laufenden Klage mit keinem Wort. Das ist fahrlässig und tatsächlich ein Spiel mit der Wärmeversorgung des Hamburger Westens.

Wirksamkeit des Beteiligungsgremiums für den Ausstieg nicht sicher gestellt

Den Prozess des Kohleausstiegs bei der Fernwärmeerzeugung für das öffentliche Fernwärmenetz soll ein Beteiligungsgremium begleiten. Das Gremium wird zweimal jährlich öffentliche Veranstaltungen durchführen, ansonsten aber hinter verschlossenen Türen tagen. Im Ausgleich für die fehlende Transparenz wird dem Gremium in Aussicht gestellt auch auf Informationen zugreifen zu können die als Betriebsgeheimnis eingestuft werden. Das Gremium soll insbesondere darüber befinden, ob der Ausstiegsprozess beschleunigt werden kann um früher als 2030 den Teilausstieg aus der Kohle vollzogen zu haben.

Dem Gremium werden in der Vorlage der Regierungsmehrheit keine konkreten Ressourcen, weder personell für eine Geschäftsstelle, noch finanziell, zur Erledigung der notwendigen Aufgaben, zugesichert. Die rechtlichen Befugnisse werden genauso wenig definiert wie der genaue Aufbau des Gremiums. Der Senat hat hier, nach Verabschiedung des Kompromisses, freie Hand sich seine eigenen Spielregeln zu geben. Angesichts der bisherigen Erfahrungen mit dem Senat im Allgemeinen und der Umweltbehörde im Speziellen, sind wir nicht bereit dieses Maß an Vertrauen gegenüber der Regierung aufzubringen, die einen großen Teil ihrer Arbeit in das Schönreden ihrer ambitionslosen Schaufensterpolitik streckt.

Das Fazit der Linksfraktion

Alles in allem hat Rot-Grün ein wenig ambitioniertes Kohleausstiegsprojekt zu Papier gebracht. Eine Stadt, der die Wärmeerzeugung und das Fernwärmenetz selber gehören, soll nicht in der Lage sein bis 2025 aus der kohlebasierten Wärme auszusteigen? Der Linksfraktion erscheint das unglaubwürdig. Im Hintergrund schwingt der Finanzierungsvorbehalt der klimapolitischen Maßnahmen mit. Die Klimarettung darf nicht zu teuer werden. Als wenn wir eine Alternative hätten. Weder beim Kohleausstieg noch bei der Zeitschiene. Rot-Grün hat selbst angesichts der verheerenden Entwicklung des Klimas immer noch Hemmungen auch mutige Schritte zu gehen, die spätestens jetzt erforderlich wären. Klimarettung mit Rot-Grün findet jedenfalls in Zeitlupe statt. Wir setzen auf den fortlaufenden Widerstand der Zivilgesellschaft, die den Ernst der Lage besser erkannt hat als Grüne und SPD und darauf, dass die Zeit uns noch nicht gänzlich bei der Klimarettung weggelaufen ist – aber wir sind der Meinung, dass wir um unser aller Willen auf solche Verzögerungen unbedingt verzichten müssen. Dafür werden wir uns weiter einsetzen, für einen vollständigen  Kohleausstieg bis 2025 bei der Fernwärme und bis 2030 aus der Stromerzeugung, auch wenn letzteres mangels Zuständigkeit Hamburgs schwierig ist.

In der Abstimmung der Bürgerschaft hat sich die Linksfraktion der Stimme enthalten. Unser eigener Zusatzantrag sollte dabei klar machen, worum es uns dabei geht. Es ist uns, angesichts der Vielzahl von Punkten, mit denen wir nicht zufrieden sein können, nicht leicht gefallen. Aber in Abwägung der in Gang gekommenen Diskussion und der zumindest richtigen Richtung der Entwicklung, wollten wir den begonnen Prozess nicht von Anfang an abschreiben. Wir werden den weiteren Prozess konstruktiv, aber kritisch begleiten. Und abschließend nochmal der Dank an all die engagierten Menschen rund um die Volksinitiative für ihren Einsatz und an die vielen, die in Sorge um die Zukunft der Erde sich jetzt engagieren. Euer Engagement ist auch unser Ansporn.