Es lebe die Basiskultur in Hamburg!

BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG
Drucksache 20/12846
20. Wahlperiode 27.08.14

Antrag
der Abgeordneten Norbert Hackbusch, Kersten Artus, Tim Golke, Dora Heyenn,
Cansu Özdemir, Christiane Schneider, Heike Sudmann, Mehmet Yildiz (DIE LINKE)

Zu Beginn dieser Legislaturperiode hat der Senat angekündigt, „der Kultur in Hamburg wieder die Wertschätzung entgegen(zu)bringen, die sie verdient.“ Versprochen wurde, „den Negativtrend von Kürzungen, Streichungen und Schließungen von Kultureinrichtungen um(zu)kehren.“ Bezeichnenderweise sucht man im damaligen Arbeitsprogramm des Senats einen Passus über die „Wertschätzung“ und Ausstattung der Basiskultur in Hamburg vergebens.

Das ist insofern programmatisch, als sich der lang anhaltende „Negativtrend“ im Bereich der Basiskultur auch in den letzten vier Jahren enorm verschärft hat.

Tarif- und Kostensteigerungen belasten sämtliche Kultureinrichtungen der Stadt. Das ist bei dem ausbleibenden Tarifkostenausgleich ein strukturelles Problem. Großen Kultureinrichtungen, denen die Stadt so gerne das Etikett „attraktivitätsteigernd“ anheftet, gelingt es mit genügend Druck aber immer wieder, über „maßgeschneiderte“ Finanzierungslösungen ihre Tarif- und Kostensteigerungen mit öffentlichen Mitteln teilweise ausgleichen zu können.

Was aber ist mit der Stadtteilkultur, den Geschichtswerkstätten, den Bürgerhäusern und Community Centern, der Kinder- und Jugendkultur, den kulturellen Bildungseinrichtungen, den Interkulturinitiativen und freien Kulturräumen?

Wo, wenn nicht in diesem basiskulturellen Bereich, werden gesellschaftliche Entwicklungen direkt kulturell reflektiert – hier wird Kultur für Menschen aller Altersgruppen, sozialer und kultureller Hintergründe bereitgestellt und praktiziert.

Allerdings werden hier keine Tarifsteigerungen ausgeglichen, keine zusätzlichen Kulturtaxenmittel ausgeschüttet und keine Mittelerhöhung in Aussicht gestellt. Noch im Oktober 2013 gab der Senat im Zusammenhang mit der Evaluation Stadtteilkultur im Ausschuss zu Protokoll: „Die Schuldenbremse lässt keine Spielräume zu.“

Das ist mit Blick auf die Perspektive der basiskulturellen Strukturen eine verheerende Aussage. Gerade haben beispielsweise die Stadtteilkultureinrichtungen ausgerechnet, in welchem Ausmaß die allgemeinen Kosten der Stadtteilkultureinrichtungen in den vergangenen drei Jahren gestiegen sind: die Tarifsteigerungen um 12 Prozent, die Personalkostensteigerungen um 18 Prozent, die Mietkostensteigerungen um 12,4 Prozent und die Betriebskosten um 23 Prozent.

Somit kommt hier die jahrelange Deckelung der Kulturmittel bei real steigenden Kosten einer Kürzung von etwa 25 Prozent gleich. Was im basiskulturellen Bereich deshalb an der Tagesordnung ist, sind Personalabbau, unbezahlte Überstunden, Abend-, Nacht- und Wochenendarbeit, die völlige Überbeanspruchung des Ehrenamts und permanente Selbstausbeutung.

Das kann mit Fug und Recht als frei fallender Negativtrend bezeichnet werden. So wird die Hamburger Basiskultur nicht gepflegt, sondern regelrecht ausgetrocknet. Diese Bedrohung der kulturellen Grundversorgung der Stadt ist akut. Sie muss aufgehalten und umgekehrt werden.

Das aber wird nur funktionieren, wenn es vonseiten der Stadt eine öffentliche Würdigung und ein klares Bekenntnis zur Basiskultur gibt und sich dieses Bekenntnis auch in einer deutlichen Erhöhung der Haushaltsmittel niederschlägt.

Ein klares Bekenntnis zur Hamburger Basiskultur bedeutet, die Förderung der Basiskultur ganz oben auf die kulturpolitische Agenda zu setzen.

Ein klares Bekenntnis zur Hamburger Basiskultur bedeutet auch, behördenübergreifende Maßnahmen zu ergreifen, um im Bereich der kulturellen Bildung, der Kinder- und Jugendkultur sowie bei interkulturellen und integrativen Kulturaktivitäten gezielt zukunftsorientierte Entwicklungen möglich zu machen.

Ein klares Bekenntnis zur Hamburger Basiskultur bedeutet nicht zuletzt, sowohl bestehenden als auch nachwachsenden Strukturen Entwicklungsperspektiven und langfristige Planungssicherheit zu garantieren.


Vor diesem Hintergrund möge die Bürgerschaft beschließen:

Der Senat wird ersucht,

1. kurzfristig die aktuell durch Tarifsteigerungen, Mehrkosten für Personal und bauliche Unterhaltung sowie durch das Landesmindestlohngesetz aufgelaufenen Mehrbedarfe der institutionell geförderten Basiskultureinrichtungen zu ermitteln. Namentlich: die Stadtteilkulturzentren, die Geschichtswerkstätten und die Bürgerhäuser;

2. kurzfristig die Mehrbedarfe zu ermitteln, die von den Bezirken benötigt werden, um neue Einrichtungen der Stadtteilarbeit in die institutionelle Förderung aufzunehmen;

3. die Rahmenzuweisungen innerhalb der Globalrichtlinie Stadtteilkultur und damit die institutionelle Förderung der Stadtteilkulturzentren und Geschichtswerkstätten entsprechend der aufgelaufenen Mehrbedarfe zu erhöhen;

4. die Rahmenzuweisungen innerhalb der Globalrichtlinie Stadtteilkultur in Abstimmung mit den Bezirken in dem Maße zu erhöhen, dass die Bedarfe nachwachsender Einrichtungen gedeckt und neue Einrichtungen in die institutionelle Förderung aufgenommen werden können;

5. die bezirklichen Mittel zur Förderung der Bürgerhäuser entsprechend der aufgelaufenen Mehrbedarfe zu erhöhen;

6. den Tarifkostenausgleich der institutionell geförderten Einrichtungen der Stadtteilarbeit fortzuschreiben und entsprechend künftiger Erhöhungen zu dynamisieren (namentlich: die Stadtteilkulturzentren, die Geschichtswerkstätten und dieBürgerhäuser);

7. die Mittel für Quartiersfonds zu erhöhen und sich dabei zu orientieren am Gesamtvolumen der in den Bezirken beantragten Mittel aus dem Quartiersfonds;

8. in Kooperation mit den Bezirken zu prüfen, welcher Mittelbedarf zur Verstetigung auslaufender RISE-Projekte besteht und die Bezirksmittel entsprechend anzuheben;

9. in Kooperation mit den Akteuren/-innen der Kinder- und Jugendkulturarbeit die aktuellen Bedarfe in diesem Bereich zu ermitteln und die öffentlichen Mittel entsprechend anzuheben;

10. mittelfristig in Kooperation mit den Bezirken und den basiskulturellen Akteuren ein Strukturprogramm Basiskultur zu entwickeln, um der Basiskultur in Hamburg die Zukunftssicherheit zu geben, die sie verdient. Akteure/-innen eines solchen Strukturprogramms Basiskultur sollten mindestens sein: die Stadtteilkulturzentren, die Geschichtswerkstätten, die Bürgerhäuser, die Community Center, die freien Kulturräume, die kulturellen Bildungseinrichtungen sowie die Initiativen, Akteure/innenund Projekte der Kinder- und Jugendkultur, der Interkultur, der inklusiven Kulturarbeit.

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Beschluss: Ablehnung; am 10.09.2014 Ziffern 1 und 2: mehrheitlich mit den Stimmen der SPD gegen die Stimmen der CDU, GRÜNEN, FDP und LINKEN; Ziffern 3 bis 9: mehrheitlich mit den Stimmen der SPD, GRÜNEN und FDP gegen die Stimmen der LINKEN bei Enthaltung der CDU; Ziffer 10: mehrheitlich mit den Stimmen der SPD gegen die Stimmen der GRÜNEN und LINKEN bei Enthaltung der CDU und FDP