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EU-Auflagen für die HSH Nordbank: Verkauf illusionär

von Joachim Bischoff und Norbert Weber

Der dieser Tage veröffentlichte Beschluss der EU-Kommission zur HSH Nordbank bestätigt die Interpretation: ein Verkauf ist eher unwahrscheinlich. Die Bedingungen für die »Sanierungsaktion« und den Verkauf 2018 sind jetzt erstmals ausführlich nachzulesen. Fakt ist: Die Hürden für einen Verkauf der Bank, die zu 85,38% den beiden Ländern Hamburg und Schleswig-Holstein gehört, sind hoch.

Ein Verschenken oder eine finanzielle Kompensation seitens der Eigentümer ist untersagt: Vor dem Verkauf wird die EU-Kommission die »neue Unternehmensstruktur« einer Rentabilitätsprüfung unterziehen. »Sollte die Kommission zu dem Ergebnis gelangen, dass die Integration der OpCo in die neue Unternehmensstruktur nicht zu einem langfristig rentablen Geschäftsmodell führt, sagt Deutschland zu, dass die OpCo ihr Neugeschäft einstellen und ihre Vermögenswerte allein mit dem Ziel einer geordneten Abwicklung verwalten wird.«

Damit steht die Frage im politischen Raum: Warum ist die geordnete Abwicklung nicht 2015 bereits erfolgt? Warum haben die Bundesländer erneut mit Milliardenbeträgen die Bank unterstützt, wenn jetzt alle EU-Verträge einen möglichen Verkauf als extrem unwahrscheinlich ausweisen?
Die Bank hatte sich seit dem beinahe Konkurs 2009 nie durchgängig erholt. Sei stand seit 2013 erneut mit dem Rücken zur Wand. Die Ursachenwaren fast alle hausgemacht. Die Schifffahrtskrise und die globale Bankenkonstellation machten eine Sanierung schwierig. In dieser Lage konnte nur ein kompetentes Management einen Sanierungskurs praktizieren.

Die Länder Hamburg und Schleswig-Holstein ließen sich von dem Beratungsunternehmen Bain teuer beraten, welche Lösungsmöglichkeiten es in dieser erneut ausweglosen Situation gibt, um das Schlamassel für die Eigentümer und die Bevölkerungen der Bundesländer gering zu halten.
Der letztendlich umgesetzte »Lösungsweg« lautete:

  • Aufspaltung der Bank in eine Holdinggesellschaft (HoldCo) sowie eine Tochtergesellschaft (OpCo). Die bisherige Gesamtbank einschließlich weltweiter Töchter ist die neue Tochter »OpCo«.
  • Entlastung der Bank von »Altlasten«. 6,2 Mrd. Euro Schrottassets werden/wurden von den Ländern Hamburg und Schleswig-Holstein übernommen, weitere zwei Mrd. Euro darf die Bank an den Markt abgeben. Bisher hat die Bank in einer ersten Transaktion ein Bruttovolumen von fünf Mrd. Euro an notleidenden (»faulen«) Krediten den Ländern vor die Tür kippen dürfen. Extra dafür ist von den Ländern eine Anstalt Öffentlichen Rechts gegründet worden, die HSH-Portfoliomanagement AöR mit Sitz in Kiel.
  • Die ländereigene Holdinggesellschaft hat sich verpflichtet, die Garantiegebühren zu übernehmen, mit Ausnahme der Garantieprovision auf den nicht in Anspruch genommenen Teil. Dieser im Verhältnis zum Gesamtaufkommen marginale Teil der Garantiegebühren soll bei der Bank verbleiben.

Mehrfach haben wir vorgerechnet, dass diese vermeintliche Lösung nicht funktionieren kann. Selbst die Kapitalkennziffern der Bank würden sich trotz Länderengagement verschlechtern, keinesfalls verbessern. Auch haben wir ausführlich und sachlich fundiert dargelegt, wie die einzig funktionierende Lösung aussehen muss, nämlich eine sofortige Überführung der Bank in ein Sanierungs-und Abwicklungsverfahren nach SAG (Sanierungs- und Abwicklungsgesetz). Nun zeigt sich, was rein rechnerisch bereits vorher vollkommen klar war: Die vermeintliche Rettung aus dem vergangenen Jahreswechsel reicht erneut vorne und hinten nicht.

Wie in solchen Situationen üblich, wird im Vorfelde schon mal publiziert, dass – wie in Sachen HSH-Nordbank immer – selbstverständlich andere an dem drohenden Scheitern der Rettungsaktion schuld sind. So geschehen im Abendblatt vom 13.08.2016. Schuld ist die EU-Kommission mit ihren für die Bank unmöglich zu stemmenden Auflagenkatalog. Dieser würde laut Abendblatt die Verkaufsbemühungen erschweren. Kein Wort darüber, dass es sich hier um einen Zusagenkatalog des Bundes an die EU-Kommission handelt, der von der Bank selbst und den Ländern Hamburg und Schleswig-Holstein erarbeitet wurde.

In einem Interview mit dem NDR bereitet auch der Vorstandsvorsitzenden der HSH Nordbank, Herrn Ermisch, die Öffentlichkeit schon mal darauf vor, dass ein Verkauf der OpCo (HSH Nordbank) an einen renditeausgerichteten Investor schwerlich funktionieren wird. So würden nach wie vor »faule« Kredite in einer Größenordnung von 11 Mrd. Euro in den Büchern der Bank schlummern, die ein Investor niemals übernehmen würde. Eher sei ein strategischer Zusammenschluss/eine Fusion mit einer anderen Bank wahrscheinlicher.

Addiert man die 11 Mrd. Euro mit der bisherigen Entlastungsgröße von 8,2 Mrd. Euro, so kommt man ziemlich genau auf etwa 20 Mrd. Euro an Schrottassets. Es ist die Portfoliogröße der NPL (non performing loans – uneinbringlich – Schrott) der Bank. Niemand wird bereit sein, hierfür Geld in die Hand zu nehmen. Ein »positiver Verkaufspreis« ist ebenso unwahrscheinlich wie absurd. Viel wahrscheinlicher dürfte ein »negativer Verkaufspreis« sein. Die Länder werden noch viel weiteres Geld in die Hand nehmen müssen, um aus dieser Nummer HSH Nordbank herauszukommen.

Naheliegend dürfte vermutlich sein, nachdem die Länder Hamburg und Schleswig-Holstein den Schritt vom Jahreswechsel gegangen sind und es nun kein Zurück mehr geben dürfte, der Bank weitere notleidende Assets abnehmen zu müssen, um die Bank wie geplant loszuwerden. Wir werden es im kommenden Jahr erleben, wenn die Verkaufsvorbereitungen der Bank anlaufen.

Es wurde von den Ländern ein Verbrennen von Steuergeldern eingeleitet, welches in der Historie wohl seinesgleichen sucht. Der ehemalige Wirtschaftsminister von Schleswig-Holstein, Werner Marnette, hatte Strafanzeige gegen die handelnden Personen einschließlich der verantwortlichen PolitikerInnen gestellt. Es ist bedauerlich, dass er ausgebremst wurde. Angesichts der Tatsache, dass in Deutschland Staatsanwaltschaften politisch weisungsgebunden sind, war das Ergebnis auch – leider – zu erwarten.

Hoffentlich erinnern sich die nächsten Regierungen in Hamburg und Schleswig-Holstein an die Ursachen und Verantwortlichen der hohen milliardenschweren Last, die sie ihren BürgerInnen aufgelastet haben, und nehmen die verantwortlichen Personen in persönlichen Regress. Die Frist läuft, in etwa fünf Jahren dürfte wieder alles verjährt sein.

Was nicht verjährt, sind die Lasten, die die beiden Länder Hamburg und Schleswig-Holstein schultern müssen. Wir alle werden es spüren, wenn erneut bei denjenigen gespart und gekürzt wird, die sich schwerlich wehren können: bei den sozial Schwachen sowie allen Einrichtungen und Organisationen, die sich mit diesem Klientel befassen, um die Not zu lindern.

Hamburg und Schleswig-Holstein müssen die Mehrheit der Landesbank bis Februar 2018 veräußern. Gelingt das nicht, wird das Institut mit seinen rund 2.000 MitarbeiterInnen abgewickelt. Eine Abwicklung aber sei die teuerste aller Varianten, sagt jetzt Bankchef Ermisch, der den Maximalverlust für Hamburg und Schleswig auf zehn Milliarden Euro taxiert. Die Öffentlichkeit wird so schrittweise auf die realen Verluste vorbereitet.

Wie hoch werden die Kosten für den Steuerzahler im Norden schätzungsweise tatsächlich werden?

  • Nach Abrechnung der öffentlichen Rechnungsprüfer betrugen die Verluste bis 2009 fünf Mrd. Euro.
  • Die Auffrischung des Eigenkapitals betrug drei Mrd. Euro, diese Vermögenswerte wurden im Juni 2016 komplett abgeschrieben.
  • Die Garantiesumme von 10 Mrd. Euro ist schon jetzt zu mehr als 75% verbraucht.
  • Ob aus dem »Übertragungspreis« von 2,4 Mrd. Euro wirklich ein entsprechender Schrottwert erlöst werden kann, wird erst in einigen Jahren abgeschätzt werden können.

Unter dem Strich ergibt also eine hanseatische »Zukunftsinvestition« von rund 20 Mrd. Euro.

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