29. Sitzung Mittwoch, 10. Juni 2009 Freiheit, Sicherheit und Wohlstand durch Europa – eine höhere Wahlbeteiligung braucht unser Engagement!

BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG

  1. Sitzung

Mittwoch, 10. Juni 2009

 

Freiheit, Sicherheit und Wohlstand durch Europa – eine höhere Wahlbeteiligung braucht unser Engagement!

 

Norbert Hackbusch DIE LINKE:

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren!

Ob es ausreicht, das Thema Europa im Kopf und im Herzen zu haben, bezweifle ich. Die Wahl zum Europäischen Parlament war eine schallende Ohrfeige für die Politiker in Hamburg, die Europapolitik machen, für das Europäische Parlament und für die europäische Idee.

Aus diesem Grund müssen wir uns intensiv mit dem Thema auseinandersetzen und nicht einfach nur beschließen, mehr von dem zu machen, was wir bisher immer gemacht haben. Das den Bürgern zu erzählen wird nicht ausreichen, sondern da muss eine ordentliche selbstkritische Debatte her.

Warum ist diese kritische Debatte notwendig? Wir Politiker können den Wählern doch nicht sagen, dass sie einfach nur zu doof sind und sich noch mehr von dem anhören müssen, was wir ihnen bereits erzählt haben; von wegen noch ein bisschen mehr Europamarkt und so weiter, dann wäre das Problem gelöst. Es muss grundsätzlich einiges verändert werden. Lassen Sie uns einmal ansehen, worum es dabei geht.

Erstens: Jeder, der sich mit Europa auseinandersetzt, weiß, dass wir in Brüssel kein tatkräftiges, lebendiges europäisches Parlament haben, wie wir es unter normalen Umständen in der Bundesrepublik oder sogar in Hamburg gegenwärtig noch haben.

Es ist kein selbstbewusstes Europaparlament, das in der Lage ist, selbstständig Gesetze zu verabschieden, sie selbstständig auf die Tagesordnung zu packen und gegenüber der Kommission durchsetzen zu können. Das ist eine Grundvoraussetzung für Demokratie. Wir müssen gemeinsam dafür sorgen, dass dieses Selbstbewusstsein von Parlamentarismus, das überall sonst in der Bundesrepublik selbstverständlich ist, auch in Europa durchgesetzt wird. Das zeigt diese Wahl ganz deutlich.

Dieses Brüsseler Demokratiedefizit wird doch dadurch konterkariert, dass wir selbst manchmal nicht mehr in der Lage sind zu unterscheiden, ob wir es in Brüssel mit einem Lobbyisten zu tun haben, einer Firma, die ganz nette andere Interessen verfolgt, ob wir eigentlich noch mit parlamentarisch arbeitenden Interessenvertretern sprechen oder mit Leuten von der Verpackungsindustrie Norddeutschland. Das ist schon für uns schwer durchschaubar, für die Wähler noch schwerer und die heftige Kritik am Europäischen Parlament und an solchen Institutionen ist berechtigt.

Zweitens: Erfahrungsgemäß stimmt es nicht, Herr Heintze, dass der Wohlstand durch die EU so groß geworden ist. Es ist falsch, dies dem Wähler vorzugaukeln und eine Art und Weise, ihn nicht ernst zu nehmen und für dumm zu erklären. Ist der Wohlstand in Dänemark gewachsen, ist er in Norwegen gewachsen? In gewisser Weise schon.

Welche Erfahrung haben denn die meisten Menschen in diesem Land im Zusammenhang mit dem Wohlstand in den letzten fünf Jahren gemacht? Den meisten geht es schlechter als vor fünf Jahren. Mit dieser Situation müssen wir Parlamentarier uns auseinandersetzen und mit den Menschen über die Ursachen diskutieren, anstatt ihnen irgendetwas zu erzählen von Wohlstand, und damit wird die EU besser. Indem wir solche Nebelhülsen verwenden, diskutieren wir nicht ernsthaft mit den Menschen, nehmen sie nicht ernsthaft beim Wort und nehmen nicht ernsthaft ihre Argumente auf. Doch dies ist absolut notwendig, dies müssen wir erreichen.

Drittens stelle ich unter Miteinbeziehung meiner Partei kritisch fest, dass wir diesen Wahlkampf nicht engagiert und intensiv genug durchgeführt haben. Auch unsere Kampagne war nicht richtig toll. Darüber, ob die WUMS-Kampagne der GAL erfolgreich und vernünftig war, könnte man noch einmal extra diskutieren, aber vor allem hätte ich von der CDU, die dieses Thema angemeldet hat, schon gerne wenigstens ein paar kritische Worte dazu gehört.

Wer in dieser Stadt eine Kampagne mit so unmöglichen Plakaten durchführt, die gegenüber der Kandidatin und der europäischen Frage so lieblos und achtlos ist, verhohnepiepelt auch diese Wahl. Auch das ist nicht anständig und dazu hätte ich hier wenigstens ein kritisches Wort hören wollen. Sie versuchten, das irgendwie noch zu kaschieren, aber ich muss wirklich sagen, dass das nicht geht. Zusammen mit meiner Partei freut mich an diesem Wahlergebnis vor allem, dass in Deutschland nicht, wie in vielen anderen Ländern, nationalistische Kräfte so stark geworden sind. – Vielen Dank, meine Damen und Herren.