Plenarprotkoll 20/41: [Antrag der Fraktion DIE LINKE: HSH Nordbank – Wer trägt das neue Geschäftsmodell?

Norbert Hackbusch DIE LINKE: Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Das mit dem „Tschüss“ war schon ernst gemeint. Das Problem, vor dem wir stehen, ist, dass wir zu dieser späten Stunde noch ein richtig schwergewichtiges Thema auf den Tisch bekommen. Wir sind leider die Letzten, die etwas anmelden konnten, und dementsprechend kommt dieses Thema so spät. Aber ich kann Sie leider nicht damit verschonen.

Wir alle leiden ein wenig darunter, dass es lange Haushaltsausschusssitzungen gibt. Wir diskutieren gegenwärtig über Einnahmen von 10,4 Milliarden Euro und über Ausgaben von insgesamt 11,8 Milliarden Euro, und wir streiten uns angesichts dieser Summe über Kleinigkeiten, wo Kürzungen zu machen sind und wo nicht. Wir hatten eine große Debatte in der Bürgerschaft mit großen Gesten zur Schuldenbremse, erstaunlicherweise gerade vonden Parteien mit Vehemenz vorgetragen, die die Schulden verursacht haben, aber sich selbst nicht mehr politisch so richtig über den Weg trauen und deswegen sagen, die Schuldenbremse sei absolut notwendig; das ist so ungefähr die Situation. Ich finde aber, dass diese Debatten angesichts dessen, was sich bei der HSH Nordbank zusammendräut, fast erstaunlich sind.

Im Gegensatz zu dem, was viele Menschen in dieser Stadt wahrnehmen und was auch in der Bürgerschaft diskutiert wurde, hat uns die HSH Nordbank schon Etliches gekostet. Der Rechnungshof geht von 1,9 Milliarden Euro aus, die wir aufgrund der HSH Nordbank schon ertragen mussten. Das wird gegenwärtig noch hinter allgemeinen Schuldenbergen versteckt, aber es ist real zu bezahlen und angesichts von 10,4 Milliarden Euro schon eine riesige Summe. Das drohende Szenarium ist insgesamt, das wissen Sie vielleicht, ich will es aber sicherheitshalber trotzdem noch einmal sagen, sehr groß. Herr Tschentscher hat im Haushaltsausschuss gesagt, dass 90 Milliarden Euro – das Neunfache unseres Haushalts – an Risiko vorhanden seien für die Länder Schleswig-Holstein und Hamburg.

Sehr konkret liegt immer noch eine Bürgschaft in Höhe von 7 Milliarden Euro an, die sehr schnell gezogen werden kann in dem Augenblick, in dem sich die Situation verschlechtert. Die persönlich Verantwortlichen für dieses Desaster sind über alle Berge, wir bekommen sie nicht mehr richtig zu fassen. Es ist ein großes Problem der Politik, dass das nicht zu machen ist. Ich finde, dass eine gewisse politische Verantwortung bei einigen Parteien liegt, die sich hier befinden, und sie sollten es auch dementsprechend tragen. Aber die persönlich Verantwortlichen sind gegenwärtig nicht mehr zu fassen. Es ist ein großes Problem der Politik, wie man damit umgehen kann, denn dieses Desaster haben sie uns hinterlassen. Wir müssen also gut überlegen, wie wir mit zukünftigen Schwierigkeiten fertigwerden.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich darf hoffentlich im Sinne des ganzen Hauses sagen, dass eine solche Entwicklung nicht noch einmal passieren darf, und zwar auch nicht noch einmal in der Form, in der es damals geschah. Wir hatten vorher überhaupt keine öffentliche Debatte darüber. Es wurden in großer Geschwindigkeit und mit enormem Zeitdruck Sanierungsmaßnahmen durchgezogen. Wenn man heute die Protokolle liest, muss man sich nur wundern, für welche Riesensummen man dort geradegestanden hat. Dementsprechend halte ich es für absolut notwendig, dass wir öffentlich darüber debattieren, welches die Probleme sind. Es sollte nicht nur versteckt in Ausschusssitzungen, die nicht öffentlich sind, debattiert werden, sondern man muss eine öffentliche Debatte darüber führen, auch, um die Glaubwürdigkeit der Politik zu bewahren. Warum spreche ich das jetzt an? Es gibt eine Veröffentlichung des zweiten Quartals der HSH Nordbank, und diese Veröffentlichung sieht eine dramatische Situation vor. Das Ergebnis zeigt, dass das, was eigentlich das neue Geschäftsmodell genannt wurde, bisher in keiner Weise greift, und zwar nicht nur bisher, denn die Situation wird eher härter im Zusammenhang mit der HSH Nordbank. Dieses Geschäftsmodell funktioniert nicht. Die Schwierigkeiten dieser Bank wachsen ständig. Ein Kriterium dafür ist, dass dort die risikogewichtigen Aktiva ausgeworfen werden, die „Risk-Weighted Assets“.

(Jan Quast SPD: Das hätte auf Deutsch gereicht! – Präsidentin Carola Veit übernimmt den Vorsitz.)

Sie stiegen innerhalb eines halben Jahres um 30 Prozent auf 60 Milliarden Euro. 60 Milliarden Euro der Kreditsumme sind momentan kritisch, nach offiziellen Kriterien. Wir wissen alle, dass die HSH Nordbank im Zusammenhang mit dem Schifffahrtsbereich eher noch mehr Probleme zu schultern haben wird in der nächsten Zeit. Erstaunlicherweise weist das zweite Quartal sogar auf, dass im Gegensatz zu dem, was die EU vorgeschrieben hat, der Schifffahrtsbereich sogar angewachsen ist. Das ist eine völlig erstaunliche Entwicklung im Gegensatz zu dem, was die EU vorgeschrieben hat, nämlich dass in diesem Bereich die Zahlen sogar angestiegen sind. Das ist auch eine kritische Angelegenheit, die wir uns sehr genau anschauen müssen.

Eine erste Reaktion auf diese schlechten und dramatischen Zahlen ist, dass die Ratingagentur Fitch die Kreditwürdigkeit der Bank erneut heruntergestuft hat. Wir befürchten noch weitere Entwicklungen solcher Art. Diese Situation führt dazu, dass das normale Risikomanagement, das wir als Bürgerschaft dort haben, uns das alle Vierteljahr im Ausschuss anzuschauen, in dieser Situation, die sich meiner Meinung nach dramatisch zugespitzt hat, nicht mehr ausreicht. Wir müssen einerseits eine öffentliche Debatte darüber initiieren, und zwar in der Form, wie ich sie vorschlage, nämlich dass man eine Risikovorsorge dafür von der Stadt zurücklegt, damit man öffentlich darüber debattiert, welche Probleme dort existieren, und nicht damit agiert, was irgendwie überraschend in irgendeiner Form in den nächsten zwei bis fünf Wochen auf uns zukommt.

(Jan Quast SPD: Wo wollen Sie es denn hernehmen, Herr Hackbusch?)

Sie sagen doch immer so schön, dass der ordentliche Kaufmann Vorsorge leisten muss, weil er sonst nicht in der Lage wäre, diese Situation zu meistern. Außerdem ist die öffentliche Debatte darüber wichtig. Zweitens haben wir große Zweifel, dass der gegenwärtige Vorstand der Bank in der Lage ist, diese kritische Situation zu meistern. Der Bericht von Q2 zeigt deutlich, dass es große Mängel gibt, und wir verlangen dementsprechend ein externes Monitoring.

(Jan Quast SPD: Was sollen sie machen?)

Wir möchten auch kritisch nachfragen, inwieweit die Begrenzung der Tantiemen, die von der EU gefordert wurde, auch wirklich eingehalten wird. Wir haben nur mitbekommen, dass die von uns eingeforderte schriftliche Bestätigung vom Vorstand bisher nicht vorgelegt worden ist. Also sind wir dort kritisch. Ich möchte Sie dazu auffordern, dass wir diesen Prozess nicht leidend erleben, sondern politisch aktiv organisierend. Das ist das Entscheidende, was wir von der Politik verlangen. Das ist eine große Bank, sie gehört im Wesentlichen uns, und die Belastungen und Bedrohungen sind riesig. Ich freue mich auf die Debatte.

(Beifall bei der LINKEN)

Zweiter Beitrag

Norbert Hackbusch DIE LINKE: Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich habe noch knapp zwei Minuten, das wird noch einigermaßen klappen können. Es ist eine sehr ernste Angelegenheit und Auseinandersetzung, Frau Rugbarth, und deswegen haben wir diesen Schritt bewusst gemacht, um die öffentliche Debatte darüber zu führen. Wir sind der Meinung, dass es sehr problematisch ist, wie es damals gelaufen ist, dass man sagte, man bekomme im Geheimen bestimmte Informationen und dürfe damit eigentlich gar nicht an die Öffentlichkeit gehen. Das ist bei einem öffentlichen Unternehmen ein riesiges Problem. Wir sind damals überrascht worden, und dementsprechend halte ich es absolut für notwendig, eine öffentliche Debatte

(Jan Quast SPD: Das ist unmöglich!)

neben der sehr konkreten Auseinandersetzung in den geheimen Sitzungen des Ausschusses Öffentliche Unternehmen zu führen und das zu besprechen.

(Andrea Rugbarth SPD: Das hat er doch gerade getan!)

Wir können nicht mit irgendwelchen bösen Überraschungen kommen. Das Zweite ist das Geschäftsmodell. Ich habe extra noch mal die Protokolle aus den Jahren 2008 und 2009 gelesen, um zu erfahren, wie das damals diskutiert wurde. Das Geschäftsmodell, das heute praktiziert wird, lief schon im Jahre 2009. Da wurde es in den wesentlichen Konturen im Ausschuss Öffentliche Unternehmen genauso dargestellt. Die EU hat es vor einem Jahr rechtssicher gemacht, aber das heißt, dass sie seit drei Jahren genau mit diesem Geschäftsmodell arbeiten. Nach drei Jahren ist eine kritische Würdigung eines solchen Geschäftsmodells absolut notwendig und wichtig. Ich möchte Sie davor warnen zu sagen, dass man diese Fragen nicht in der Öffentlichkeit debattieren müsse und dass jeder, der diese Fragen in der Öffentlichkeit debattiert, der Bank schade.

(Anja Hajduk GRÜNE: Das hat doch keiner gesagt!)

– Das hat Frau Rugbarth ausdrücklich gesagt. Damit will ich Ihnen deutlich sagen, dass das unparlamentarisch ist und dass Ihnen das auf die Füße fallen wird. Es ist für uns absolut notwendig, über die Probleme und Schwierigkeiten dieser Bank zu sprechen, ohne Einzelheiten auszuplaudern, die Konkurrenten bevorteilen könnten. Das Parlament hat in den letzten vier, fünf Jahren gezeigt, dass es diese Differenzierung durchaus vornehmen kann. Wenn wir das nicht können, werden wir nicht in der Lage sein, ein solches Unternehmen demokratisch zu leiten. Demokratisch zu handeln ist das Wichtigste, auch für unsere eigene Glaubwürdigkeit. – Danke.

(Beifall bei der LINKEN)