Hamburgs Sonderweg im Umgang mit der Meldeauflage

Gastbeitrag von Mikey Kleinert – Landesarbeitsgemeinschaft Grund- und Freiheitsrechte

Die Hamburger Polizei bekommt neue gesetzliche Befugnisse. Dieser Trend ist auch in anderen Bundesländern zu sehen. Alle Bundesländer mussten bzw. müssen nach dem BKA-Urteil des Bundesverfassungsgerichts ihre Polizeigesetze überarbeiten. Fast alle Bundesländer nutzten die Gunst der Stunde und verschärften ihre Polizeigesetze gleich bei der Anpassung an das BKA Urteil.

Was tut sich in Hamburg? Die Hamburger Polizei bekommt unter anderem die elektronische Fußfessel, die automatisierte Datenanalyse und die Meldeauflage gesetzlich verankert.Letztere wird in der Öffentlichkeit wenig diskutiert und dennoch lohnt sich ein Blick auf die Meldeauflage im Hamburger Entwurf.

Doch was ist eigentlich die Meldeauflage? Mit der Meldeauflage kann die Polizei Betroffenen aufgeben, sich an bestimmten Tagen, zu einer bestimmten Uhrzeit, sich bei einer bestimmten Polizeidienststelle einzufinden. Vorwiegend nutzt die Polizei dieses Instrument bei angeblichen „Problemfans“: Beispielsweise sollen sich „Problemfans“, ausschließlich als solche eingeordnet durch Prognose der Polizei, bei Spielen ihres Vereins zum Anpfiff an einer bestimmten Polizeidienststelle melden.

So sollen Auseinandersetzungen mit Fans von rivalisierenden Vereinen oder Rechtsverstöße während des Spiels (Abbrennen von Pyrotechnik u.ä.) verhindert werden. Das Instrument wird auch immer öfter im Zusammenhang mit vermeintlichen „islamistischen Gefährder_innen“ genannt. So wird gefordert, dass die angeblichen Gefährder_innen sich zweimal täglich bei der Polizei melden sollen, um eine Ausreise ins Kalifat zu verhindern.

Inwiefern Auseinandersetzungen zwischen Fußballfans oder das Ausreisen von Gefährder_innen mit einer Meldeauflage verhindert werden kann, ist nicht so eindeutig wie es die Polizei und Innensenator gerne darstellen.

Denn wer sich morgens bei einer Polizeidienststelle meldet, kann ohne Probleme am Nachmittag in einem Flugzeug ins Kalifat sitzen. Auch bei Fußballfans wird eine Meldeauflage zum Anpfiff wenig bringen, wenn sie zur zweiten Halbzeit oder nach dem Abpfiff immer noch mit rivalisierenden Fans in eine Auseinandersetzung geraten können.

Auch unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten ist die Meldeauflage eine zu kritisierende Maßnahme. Menschen, die noch keine Straftaten begangen haben, werden trotzdem bereits sanktioniert. Die mit Meldeauflage belegten Menschen wurden für ihr prognostiziertes Verhalten nicht verurteilt., Es gab regelhaft nicht mal eine gerichtliche Feststellung, Denn wer mit einer Meldeauflage belegt wird, entscheidet die Polizei nach eigener Prognose. Ein Gericht überprüft die Verhängung einer Meldeauflage, ohne Widerspruch der Betroffenen, nicht.

Hessen, Bayern, Niedersachsen, Brandenburg und Sachsen haben bereits die Meldeauflage in ihre Polizeigesetze verankert. Andere Bundesländer stützen die oben beschriebene Maßnahme noch auf die Generalklausel. Die Generalklausel ermächtigt die Polizei dazu, alle für die Gefahrenabwehr erforderliche Maßnahmen nach ihrem Ermessen zu treffen, sofern sie nicht anderweitig speziell geregelt sind. Auch die Meldeauflage konnte eine solche Maßnahme darstellen. In der Rechtsprechung ist auch anerkannt, dass Meldeauflagen noch auf die Generalklausel gestützt werden können.

Warum überhaupt die Meldeauflage gesetzlich verankern, wenn die Polizei sich noch rechtmäßig auf die Generalklausel stützen kann?  Eine Meldeauflage kann mit erheblichen Freiheitseinschränkungen verbunden sein und sollte deswegen gesetzlich geregelt sein.

Während alle anderen Bundesländer, die eine Meldeauflage explizit geregelt haben, eine konkrete Maximaldauer der Maßnahme verankert haben, hat der Hamburger Entwurf einen Sonderweg gewählt. Der Entwurf sieht nämlich keine  maximale Dauer der Meldeauflage vor. Der Entwurf sieht einzig vor, dass die Meldeauflage zu befristen ist. Wie lange die Maßnahme aber zu befristen ist, liegt im Ermessen der Polizei.

Das heißt, dass die Hamburger Polizei dem oben beschriebenen Fußballfan aufgeben könnte, sich die nächsten vier Jahre, bei jedem Spiel des geliebten Vereins, sich bei einer Polizeidienstelle zu melden. Oder warum überhaupt nur vier Jahre? Einmal bei der Polizei als vermeintlich „gewaltbereiter Fußballfan“ klassifiziert, immer gewaltbereiter Fußballfan – so leider die häufige Polizeilogik. Es liegt schließlich komplett im Gusto der Polizei, wie lang sie den_der Betroffenen die Meldeauflage auferlegt.

Außerdem kann die Hamburger Polizei die Meldeauflage immer weiter verlängern, wenn die Voraussetzungen weiter vorliegen. In anderen Bundesländern entscheidet über die Verlängerung der Meldeauflage hingegen nicht die Polizei, sondern ein Gericht.

Zusätzlich hat Hessen noch verankert, dass die Betroffenen sich höchsten zweimal am Tag zu melden haben. Eine wichtige Einschränkung um vor Willkür zu schützen. In einigen Fällen kam es vor, dass die Polizei Betroffenen auferlegt hat, sich jede Stunde bei einer Polizeidienststelle zu melden. Ein geregeltes Leben wäre so nicht mehr zu bewerkstelligen. In Hamburg findet sich eine solche Einschränkung nicht.

Weitere Bundesländer haben noch versucht, schutzwürdige Interessen der Betroffenen zu schützen, Die Meldeauflage soll beispielsweise nicht mit der Arbeit des_der Betroffenen kollidieren. Aber auch diese Einschränkung findet sich in Hamburgs Meldeauflage nicht. Hamburg geht mit seiner Meldeauflage einen Sonderweg. Während andere Bundesländer mit der  Normierung der Meldeauflage, der Polizei gesetzlich festgeschriebene Grenzen gesetzt haben, hat Hamburg keine einzige Einschränkung der Meldeauflage verankert. Sinn und Zweck einer rechtlichen Verankerung verfehlt Hamburg somit komplett. Am Schluss müssen die Hamburger Gerichte den uferlosen Möglichkeiten der Polizei Grenzen setzen.