Norbert Hackbusch
Norbert Hackbusch

Haushalt: „Die Stadt hat Besseres verdient!“

Der Hamburger Haushalt ignoriert die soziale Lage in der Stadt, ist eine Kampfansage an die Beschäftigten im öffentlichen Bereich und strotz vor Intransparenz – ein Kommentar von Norbert Hackbusch, haushaltspolitischer Sprecher der Linksfraktion Hamburg.

Norbert Hackbusch

Meine Fraktion sieht Hamburg nicht als Unternehmen mit dem Ziel, Gewinne zu machen. Wir halten die Verantwortung des Senats hoch, mit den Steuereinnahmen die wichtigen sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Aufgaben in dieser Stadt aktuell und für die Zukunft zu erledigen. Dazu stellen wir fest: Die Schulden sind mit den aktuellen Aktivitäten nicht gestiegen. Allerdings gibt es zwei Quellen der weiteren Schuldenerhöhung: die HSH Nordbank und die Aktivitäten rund um den Hamburger Hafen (vor allem bezüglich Hapag Lloyd). Hier bleibt festzustellen, dass übrigens nicht derjenige, der immer am meisten nach Einsparungen, weniger Schulden etc. schreit, diese auch erreicht – wie das Beispiel der CDU in der Entwicklung der letzten 10 bis 15 Jahre zeigt. DIE LINKE hat sich in den letzten Jahren kräftig dafür eingesetzt, keine Olympiade auszurichten, keine Elbphilharmonie und keine Straßenbahn statt einer U-Bahn zu bauen, wir haben uns für die Abwicklung der HSH Nordbank nach dem SAG-Gesetz eingesetzt – um nur ein paar Beispiele zu nennen. Oft sind wir dabei mit der veröffentlichten Meinung kräftig in Konflikt geraten – eben weil wir für eine auskömmliche Finanzierung der sozialen und kulturellen Infrastruktur eingetreten sind.

Der SPD-Senat hat zwar eine für die Staatsfinanzen glückliche Situation mit relativ hohen Steuereinnahmen und sehr geringen Zinsen. Doch was ist seither passiert?

Was hat der Senat gemacht, was schlägt er für die Zukunft vor?

Der Senat ignoriert die soziale Lage in der Stadt nicht nur, er verschleiert sie sogar. In der Pressekonferenz zu diesem Haushalt gab es drei wesentliche Botschaften: „Alle (Zuwendungsempfänger) haben, was sie brauchen“ und „es gab an keiner Stelle weniger Leistungen und es wird sie auch in den nächsten Jahren nicht geben.“

Doch das stimmt nicht: Seien es die Bürgerhäuser, die Stadtteilkultur, die Bezirksämter, die Senioreneinrichtungen oder die Beratungsstellen der Stadt – alle berichten, dass sie Leistungen einschränken müssen, weil sie durch das Einfrieren der Zuwendungen jedes Jahr weniger Ressourcen zur Verfügung haben. 

Die SPD betreibt eine Politik der Schuldenbremse. Die Folge: Die Behörden und sozialen und kulturellen Einrichtungen können sich nicht mehr um die Lösung sozialer Probleme sorgen, sondern in weiten Bereichen nur noch den Mangel verwalten. 

Die Politik des Senats, die Ausgaben nicht weiter zu erhöhen als um ein Prozent, ist eine Kampfansage an all jene Menschen, die für die soziale und kulturelle Basis dieser Gesellschaft arbeiten. In allen Bereichen der Gesellschaft gehört es zum solidarischen Grundprinzip, Tariferhöhungen zu bezahlen und für die arbeitenden Menschen zumindest die steigenden Lebenshaltungskosten auszugleichen. Der Hamburger Senat aber stellt sich hin und sagt: Die Menschen in Hamburg, die für das Soziale und Kulturelle arbeiten, sind entweder zu gut bezahlt oder sie arbeiten zu wenig. Deshalb werden Personalkosten höchstens mit 1,5 Prozent, meistens mit 0,88 Prozent oder 0 Prozent ausgeglichen. Und diese Linie gilt nicht für ein oder zwei Jahre, sondern in weiten Bereichen für weit über zehn Jahre. Und dabei wissen alle in dieser Stadt, dass gerade in diesen Bereichen nicht gut verdient wird und dass gerade diese Bereiche personalintensiv sind und sein müssen – also auch kaum technologischer Fortschritt Einsparungen bringt. Das ist eine allgemeine und grundsätzliche Kampfansage gegen die Beschäftigten und deren Gewerkschaften!

Transparenz stellt der Senat mit diesem Haushalt sicher nicht her. Vielmehr verschleiert er die tatsächliche Lage, ganz bewusst. Ein Beispiel: Bei der Präsentation der Haushaltszahlen in der Senatspressekonferenz fielen die zum Teil kräftig steigenden Personalkosten für unterschiedliche Etats verschieden hoch aus. Auf die Nachfrage antworteten die Senatsvertreter wahrscheinlich richtig, dass dies an einer neuen Berechnung der Rentenformel läge, die aufgrund der doppischen Haushaltsrechnung jetzt ausgewiesen werden müsse. Transparent wäre es gewesen, diesen einmaligen Faktor besonders auszuweisen, um die Vergleichbarkeit mit den Vorjahren herstellen zu können. Das Ergebnis: Ein Zahlensalat, mit dem Transparenz sicher nicht hergestellt wird. Sehen wir uns einige Schwerpunkte an und ziehen eine Bilanz:

Ist die Stadt sozialer geworden?

Die SPD hat sich auf die Fahnen geschrieben „alles zu tun, um soziale Ungerechtigkeit und Armut zu bekämpfen“ – ins Regierungsprogramm hat es also immerhin die Phrase  „Armut bekämpfen“ geschafft.

Die Entwicklung der Armutsgefährdungsquote laut Statistischen Bundesamt zeigt allerdings ein anderes Bild: 

  • 2005 17,4 Prozent
  • 2010 17, 4 Prozent
  • 2012 17,6 Prozent
  • 2014 18 Prozent

Die große Verunsicherung der Menschen bezüglich ihrer sozialen Zukunft ist demnach berechtigt. Und: Das große Versprechen, Hartz IV würde zur Bekämpfung der Armut beitragen, ist eindeutig widerlegt. 

Zudem zeigt sich, dass die SPD, trotz „wirtschaftlich stabiler Zeiten, in denen ausreichend Steuermittel zur Verfügung stehen“, in diesem zentralen Punkt versagt hat.

Die Zahlen sind übrigens noch dramatischer, wenn die hohen Lebenshaltungskosten in Hamburg hinzugezogen werden. Ein Gutachten des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) kommt dabei zu einem Anteil von über 20 Prozent. Besonders schwer haben es Alleinerziehende und Rentner_innen. Die steigenden Preise auf dem Wohnungsmarkt werden dieses Problem noch verstärken.

Wie ist die Bilanz bei der Schule?

In dem dramatischen Appell der Schulleiter_innen der Hamburger Stadtteilschulen vom Juni diesen Jahres heißt es: Einem immer kleiner werdenden Teil der Hamburger Schüler_innen, denjenigen, die sich selbst schon sehr anstrengen müssen, um ihre Bildungsnachteile aufholen zu können, werden die größten Herausforderungen unserer Zeit aufgebürdet. Die 42 Prozent … sollen dafür sorgen, auch Schüler_innen mit sonderpädagogischem Förderbedarf und nun auch den allergrößten Teil der neu nach Hamburg zugewanderten Schülerinnen und Schüler zu integrieren. Diese 42 % sollen mit ihren Eltern und Lehrer_innen für den Zusammenhalt in unserem Tor zur Welt, unserer Stadt Hamburg sorgen. Das kann nicht gelingen.“

Welch eine heftige Kritik für einen rot-grünen Senat! Aber statt eine Diskussion über die (auch finanzielle) Unterstützung zu führen, reagiert der Senat mit einer Ideologiediskussion (es lebe der Schulfrieden!).

Wie steht Hamburg in der Innovation dar?

Kaum ein Begriff wird vom Hamburger Senat so gern benutzt wie „Innovation“. Vor lauter Einweihungserfolgen hat die Öffentlichkeit den Eindruck ein Zentrum der Innovation vor sich zu haben. Schon im Einzelplan 7 steht  im Vorwort: „Hamburg liegt in einigen Bereichen bezüglich Innovation im Mittelfeld – Unternehmen, Universitäten und die vergleichsweise fragmentierte Förder- und Technologietransfer-Landschaft.

Die nüchternen Zahlen die Forschung- und Entwicklungsintensität im Jahresgutachten zu Forschung, Innovation und technologischer Leistungsfähigkeit 2016 von der Expertenkommission: Der Rückstand bei den Investitionen im Bereich Forschung und Entwicklung mit einer dramatischen Situation 2003 wurde bis zum Jahre 2013 kaum aufgeholt: Bremen hat immer noch fast doppelt so hohe Investitionen im Bereich des Staates und 50 Prozent höhere im Bereich Hochschulen.

Ist die Stadt gut aufgestellt mit Kundenzentren und Finanzprüfern?

Das Beispiel Kundenzentren ist schon strapaziert. Hier haben wir es mit einer Auflösung im Kernbereich der Verwaltung über einen langen Zeitraum zu tun – unentschuldbar! Die Situation hat sich in den letzten Wochen nicht verbessert. Bei den Finanzprüfern sind ihre Jubelmeldungen falsch, wie der Rechnungshof konstatiert:

Ein Auszug aus dem Jahresbericht 2016 des Rechnungshofs Hamburg:

Steuerfahndung: Nach den Feststellungen des Rechnungshofs hat die Finanzbehörde – Steuerverwaltung – ihre schon 2012 kritisierte Berechnungspraxis nicht geändert.

Betriebsprüfer: Diese Lage ist aufgrund der seit 2014 vorliegenden Ergebnisse der Personalbedarfsberechnung zum Stichtag 1. Januar 2012 deutlich prekärer geworden.

Außerdem stellen wir gemeinsam mit dem Rechnungshof fest, dass sich die Situation der Infrastruktur in dieser Stadt weiterhin verschlechtert. Die ersten Haushaltsberatungen im Bereich Hafen und Straßen belegen dies. Die Anstrengungen des Senats reichen nicht aus – die Situation der Straßen, der Brücken und der im Besitz der Stadt befindlichen Schienen hat sich in den letzten Jahren ständig verschlechtert. Und sie täuschen die Stadt über den Zustand der Infrastruktur. Das vor sechs Jahren versprochene Sanierungsprogramm wurde nie vorgelegt. Bei den letzten Haushaltsberatungen vor zwei Jahren wurde von der SPD mit viel Tamtam ein Sanierungsprogramm für die Brücken vom Senat beantragt. Der Senat sollte im Frühjahr 2015 berichten. Doch dies hat er bis heute nicht getan.

Stattdessen präsentieren sich die einzelnen Bürgerschaftsabgeordneten von SPD und Grünen als kleine Fürst_innen, die wieder mal 200.000 Euro für ihr Stadtteilprojekt erkämpft haben. Sie mögen mit dieser billigen PR-Masche glücklich sein, für die Stadt ist diese Politik nur schädlich.

Wir stellen also fest: Der Senat hat seine zentralen Aufgaben nicht erfüllt. Stattdessen versucht er seine Untätigkeit mit Werbeaktionen verschiedenster Art zu vertuschen.

Doch das lassen wir nicht durchgehen.

Diese Stadt hat Besseres verdient!

 

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