Kleine Anfrage: G20-Sonder-U-Haftanstalt Hahnöfersand

Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Martin Dolzer mit Antwort des Senats 

Für den G20-Gipfel wurde und wird, Presseberichten und Ankündigungen des Senats zufolge, das Gelände des ehemaligen Fegro-Großmarktes an der Harburger Schlachthofstraße zu einer Gefangenensammelstelle (Gesa) für mehrere Hundert Menschen umgebaut. Rund um das Grundstück wurden bereits Bäume gefällt und das Terrain mit kilometerlangem Nato-Draht umzäunt. Neben dieser Gesa soll zudem ein „Schnellgericht“ für neun Haftrichter nebst Personal eingerichtet werden. Sie sollen in Containern mit Büro-und Ver- nehmungsräumen neben der Halle Platz finden. In weiteren Containern sol- len Büros für Staatsanwälte und Rechtsanwälte untergebracht werden.

Zudem wird im ehemaligen Frauengefängnis Hahnöfersand eine Untersu- chungshaftanstalt für den G20-Gipfel eingerichtet. Justizsenator Till Steffen sagte zur Gesa: „Wir stellen mit dem Gerichtsstand- ort vor Ort sicher, dass wir auch in einer Ausnahmesituation rechtsstaatliche Verfahren garantieren können.“ Festgenommene könnten durch diese Maß- nahme schnell einem Richter zugeführt werden, der über die Gewahrsam- nahme entscheide.

Rechtsanwälte/-innen und Menschenrechtler/-innen begrüßen zwar, dass zumindest gewisse rechtsstaatliche Standards eingehalten werden sollen, deren Nichteinhaltung nach Ereignissen wie dem G8-Gipfel in Heiligendamm oder Castortransporten in Gerichtsurteilen festgestellt wurde. Sie kritisieren aber, dass die Planungen politisch zu kritisieren und ein Anzeichen dafür sei- en, dass durch Ingewahrsamnahmen massenhaft Menschen die Freiheit ent- zogen werden solle, ohne dass sie eine Straftat begangen haben. Auch der Bau des G20-Gefängnisses zeige, dass der Senat die Proteste und die Kritik der erwarteten Zehntausenden Demonstranten/-innen am Treffen der G20 in Hamburg nicht ernst nehme und hauptsächlich mit unverhältnis- mäßiger Repression und einer Verhinderungsstrategie darauf reagieren wol- le. So gerate eine mögliche Eskalation und die Diskussion über Gewalt ins Zentrum der Planung anstatt eine inhaltliche Auseinandersetzung mit berech- tigter Kritik und Protest.

Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat:

Die zuständigen Behörden gehen davon aus, dass der größte Teil der Versammlun- gen, Aufzüge und Veranstaltungen im Zusammenhang mit dem G20-Gipfel friedlich  verlaufen wird. Sie bereiten sich gleichwohl umfassend auf verschiedene Szenarien vor und halten entsprechende Kräfte und Einrichtungen vor. Dabei sind die Einsatz- planungen der Sicherheitsorgane darauf gerichtet, beim G20-Gipfel den Schutz der Hamburgerinnen und Hamburger, die störungsfreie Durchführung des Gipfels und die Sicherheit der Gipfelteilnehmerinnen und Gipfelteilnehmer wie auch den Schutz von Versammlungen und Aufzügen zu gewährleisten. Teil einer professionellen Einsatzvorbereitung ist auch die Bereitstellung von Gewahrsams- und Haftplatzkapazitäten.

Angrenzend an den Standort der Gefangenensammelstelle (GeSa) wird für den Zeit- raum vom 22. Juni 2017 bis 10. Juli 2017 ein Standort des Amtsgerichts Hamburg eingerichtet. Die unmittelbare räumliche Nähe zur GeSa gewährleistet einen effektiven Rechtsschutz. Richterinnen und Richter sollen so schnell wie möglich über die Rechtmäßigkeit von freiheitsentziehenden Maßnahmen entscheiden können.

Um auf mögliche zusätzliche Bedarfe kurzfristig reagieren zu können, werden während des G20-Gipfels Haftplätze in der seit März 2016 ungenutzten ehemaligen Teilanstalt für Frauen (TAF) und in der in diesem Zeitraum geschlossenen Jugendarrestanstalt vorgehalten.

Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt:

1. Sind die Umbauarbeiten für die zusätzlichen U-Haft Plätze in Hahnöfer- sand abgeschlossen?

Wenn nein: Wann ist das der Fall?

Die für die Herstellung der Betriebsfähigkeit der Haftplätze erforderlichen kleineren baulichen und technischen Anpassungen in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Hahnöfer- sand werden voraussichtlich Ende Juni 2017 beendet sein. Im Übrigen siehe Vorbemerkung.

2. Wie viele U-Haftplätze sollen in Hahnöfersand zur Verfügung stehen?

Durch die vorübergehende Wiederinbetriebnahme der ehemaligen Teilanstalt für Frauen und die Nutzung der Haftplätze der Jugendarrestanstalt werden in der JVA Hahnöfersand insgesamt 113 zusätzliche Haftplätze zur Verfügung stehen. Im Übrigen siehe Vorbemerkung.

3. Wie groß sind die neu in Hanöfersand gebauten beziehungsweise zu bauenden einzelnen Zellen?

Die Zellen haben eine Fläche von mindestens 10 Quadratmetern. Im Übrigen siehe Antwort zu 1.

4. Wie wird die medizinische Versorgung der Inhaftierten in Hanöfersand gesichert?

Der medizinische Dienst der JVA Hahnöfersand wird durch entsprechendes Fachpersonal aus anderen Anstalten verstärkt.

5. Wie viele zusätzliche Justizbeamte/-innen und weitere Angestellte im Vergleich zum derzeitigen Personalbestand sollen in Hanöfersand wäh- rend des G20 arbeiten?

Die JVA Hahnöfersand wird nach den aktuellen Planungen im Bereich des Allgemeinen Vollzugsdienstes durch 19 Bedienstete anderer Anstalten sowie im Verwaltungsbereich durch zwei Bedienstete unterstützt. Darüber hinaus werden der Anstalt 32 Anwärterinnen und Anwärter zur Verfügung stehen.

a. Woher kommt das zusätzliche Personal?

Das Personal wird aus anderen Anstalten gestellt.

Nein.

b. Handelt es sich dabei um zusätzlich temporär Eingestellte? Wenn nein:

ba. Wie soll der zusätzlich Aufwand trotz Personalknappheit in den Hamburger JVAen geleistet werden?

Durch eine zurückhaltende Urlaubsgewährung, die Absolvierung von Mehrstunden und den Einsatz von Anwärterinnen und Anwärtern.

bb. Wie werden etwaige Überstunden vergütet?

Die Vergütung von Mehrarbeit für Beamtinnen und Beamte erfolgt gemäß § 63 Ham- burgisches Beamtengesetz (HmbBG) in Verbindung mit Hamburgische Mehrarbeits- vergütungsverordnung (HmbMVergVO). Den Ausgleich für Sonderformen der Arbeit für Beschäftigte regelt § 8 TV-L.

6. Wie kommt der Senat zu der Annahme, dass die zusätzlichen U-Haft Plätze notwendig sind?

Grundlage ist die derzeitige Lagebewertung der Polizei. Im Übrigen siehe Vorbemerkung.

7. Für wie viele Menschen ist die Gefangenensammelstelle (Gesa) auf dem Gelände des ehemaligen Fegro-Großmarktes vorgesehen?

Die Kapazität der GeSa ist für bis zu 400 Personen ausgelegt.

  1. Für welche Form von Freiheitsentziehungen ist das Gelände des ehema- ligen Fegro-Großmarktes vorgesehen?
  2. Sollen dort lediglich Personen untergebracht werden, die während der Tage des G20 in Gewahrsam genommen werden, oder sollen dort auch alle Personen untergebracht werden, die vorläufig festgenommen wer- den, gegen die Untersuchungshaft beantragt werden soll oder die in Abschiebehaft genommen werden beziehungsweise werden sollen (bitte einzeln beantworten)?

In der GeSa sollen Personen untergebracht werden, die im Zusammenhang mit dem G20-Gipfel in Gewahrsam oder vorläufig festgenommen wurden. Darüber hinaus werden in der GeSa ab 6. Juli 2017, einhergehend mit der Verlagerung des Haftgerichtes, kurzfristig alle Personen untergebracht, die dem Haftgericht zugeführt werden sollen.

10. Wird die Untersuchungshaftanstalt Holstenglacis während der Tage des G20 weiter betrieben werden? Werden auch dort weiterhin richterliche Zuführungen stattfinden? Wenn ja: welche?

Der Dienstbetrieb wird in der Untersuchungshaftanstalt aufrechterhalten, während der Gipfeltage werden dort jedoch voraussichtlich keine richterlichen Zuführungen stattfinden.

11. Wieviele Justizbeamte/-innenwerden in der Gefangenensammelstellein Harburg tätig sein?

Die Planungen sind noch nicht abgeschlossen.

12. Werden für diese Zeit zusätzliche Justizbeamte/-innen eingestellt?

Nein. Siehe Drs. 21/8143.

14. Wie viele Richter/-innen und Staatsanwälte/-innen werden am Gerichts- standort der Gefangenensammelstelle in Harburg insgesamt eingesetzt und wie viele jeweils parallel?

Zu einem Einsatz am Gerichtsstandort haben sich bisher circa 100 Richterinnen und Richter bereit erklärt. Vor Ort stehen Arbeitsplätze für einen gleichzeitigen Einsatz von acht Richterinnen und Richtern zur Verfügung.

15. Werden die Richter/-innen und Staatsanwälte/-innen für etwaige Über- stunden bezahlt?

Nein. Im Übrigen siehe Antwort zu 5. b. bb.

16. Wie viele richterliche Zuführungen können in der Außenstelle Harburg parallel erfolgen?

Siehe Antwort zu 14.

17. Welche Infrastruktur wird Richtern/-innen, Staatsanwälten/-innen zur Ver- fügung gestellt?

Auf dem GeSa-Gelände werden Arbeitsplätze für zeitgleich bis zu sechs Staatsanwäl- tinnen und Staatsanwälte vorgehalten. Diese Arbeitsplätze werden mit Notebooks ausgestattet.

Im Gerichtsstandort werden die Arbeitsplätze für die Richterinnen und Richter als Bild- schirmarbeitsplätze eingerichtet.

18. Welche Infrastruktur wird Rechtsanwälten/-innen zur Verfügung gestellt, insbesondere

  1. wie viele Besprechungsräume für Mandanten-/-innengespräche ste- hen zur Verfügung
  2. stehen weitere Räume als Arbeitsräume zur Verfügung?
  3. stehen Kopierer und Faxgerät zur Verfügung?
  4. besteht Internetzugang für die Rechtsanwälte/-innen?

Auf dem GeSa-Gelände stehen vier Räume ausschließlich für Gespräche der Anwaltschaft mit ihren Mandanten zur Verfügung. Darüber hinaus werden sechs Telefonplät- ze für eine Kontaktaufnahme mit Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten bereitgestellt.

Am Gerichtsstandort stehen der Anwaltschaft vier Besprechungsräume und ein Aufenthaltsraum sowie zwei Multifunktionsgeräte mit Kopier- und Fax-Funktion zur Verfü- gung. Des Weiteren wird dort ein auf den Aufenthaltsbereich der Anwaltschaft eingegrenzter Zugang zum Internet über WLAN ermöglicht.

19. Wie ist der Zugang der Rechtsanwälte/-innen zu den Richtern/-innen gesichert?

Der Zugang der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte erfolgt entsprechend dem üblichen Verfahren.

20. Wie wird die medizinische Versorgung der in Gewahrsam genommenen Personen gesichert?

Die medizinische Versorgung der in Gewahrsam genommenen und vorläufig festgenommenen Personen wird durch Allgemeinmediziner in der GeSa gewährleistet.

21. Wie kommt der Senat zu der Annahme, dass es notwendig ist, Voraus- setzungen für massenhafte Ingewahrsamnahmen zu schaffen?

Siehe Vorbemerkung sowie Antwort zu 6.

22. Wie will der Senat verhindern, dass durch Ingewahrsamnahmen mas- senhaft Menschen die Freiheit entzogen wird, ohne dass sie eine Straftat begangen haben?

Die Polizei trifft Maßnahmen gemäß gesetzlicher Vorgaben.

23. In einem Artikel der Zeitung „Die Welt“, wird von Kritik an grundlosen Ingewahrsamnahmen, den Bedingungen in den Gefangenensammelstellen und Vorwürfen gegen einzelne Polizeibeamte wegen Übergriffen gegen Demonstranten/-innen beim G8-Gipfel in Heiligendamm berichtet. Welche Strategie, Maßnahmen und Kommunikationsstrategien nutzt der Senat, um den kritisierten Szenarien vorzubeugen?

Die Bedingungen in der GeSa orientieren sich an den Hafträumen der Bayerischen Polizei anlässlich des G7-Gipfels in Elmau. Diese sind durch die Länderkommission der Nationalen Stelle zur Verhütung von Folter begutachtet und hinsichtlich der Unterbringung als angemessen bewertet worden. Die Beachtung rechtlicher Bestimmungen ist durchgängige Pflicht aller Polizeibeamten.

24. Ist in irgendeiner Form der Einsatz der Bundeswehr im Zusammenhang mit dem G20-Gipfel vorgesehen? Wenn ja: bitte einzeln und detailliert aufzählen.

Siehe Drs. 21/5686.