Mammografiescreening zur Früherkennung von Brustkrebs – Wirklich nur Vorteile?
Die Linke befürchtet einseitige Information statt unabhängige Aufklärung. Durch das Screening steigt die Rate der Brustamputationen um 20%, ohne das irgendjemand weiß, ob sie wirklich nötig waren.
Zum Aufmacher des Hamburger Abendblatts am 4. August 2008, erklärt die frauen- und gesundheitspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE in der Hamburgischen Bürgerschaft, Kersten Artus:
„Brustkrebs ist ein Thema, das für fast jede Frau mit Ängsten besetzt ist. Mit zunehmendem Alter hat fast jede eine Mutter, Schwester, Oma, Freundin oder Arbeitskollegin, die an Brustkrebs erkrankt und im schlimmsten Fall gestorben ist. Das Dilemma ist: Mammografie ist eine Früherkennungsmethode und keine Vorsorge. Sie hilft nicht die Krankheit zu verhüten, sondern kann im besten Fall ein frühes Eingreifen ermöglichen, im schlechtesten Fall wird eine Frau fälschlicherweise operiert und bestrahlt. Hamburg muss endlich ein Beratungsangebot schaffen, dass Frauen die Möglichkeit zur informierten Entscheidung eröffnet. Die Presseberichte im Hamburger Abendblatt zum Mammografiescreening in Hamburg entsprechen in keinster Weise dem Anspruch auf unabhängige und neutrale Aufklärung von Patientinnen über ein medizinisches Früherkennungsangebot.
Weil die erwünschten Teilnahmeraten von 70 Prozent nicht annähernd erreicht werden, bisher erscheinen nur 40 Prozent der eingeladenen Frauen zum Screnning, werden ‚unter der Überschrift ‚Massentest rettet Hamburgerinnen‘ auf unverantwortliche Weise nur die möglichen Vorteile eines Mammografiescreenings aufgezählt. Verschwiegen werden die zahlreichen Nachteile, die eine Teilnahme bedeuten kann.
Bei jeder 100. Untersuchung würde ein Tumor entdeckt, und dieser sei oft noch so klein, dass er gut therapierbar sei. Die frühe Diagnose eines Brustkrebses hat aber nur dann einen Vorteil, wenn durch eine frühzeitige Therapie der Tod durch Brustkrebs verhindert werden kann. Wenn sich die bisherigen Forschungsergebnisse bestätigen, werden aber durch das Mammografiescreening hauptsächlich die Brustkrebsarten früher entdeckt, die auch bei einer späteren Entdeckung die gleichen Therapiechancen gehabt hätten.
Besonders bösartig verlaufende Krebsarten werden auch durch die Mammografie oft erst erkannt, wenn der tödliche Verlauf der Krankheit nicht mehr abzuwenden ist. Durch die Mammografie wird in diesen Fällen ein unheilbarer Krebs also nur früher entdeckt. Dies hat zur Folge, dass die Frau längere Zeit ihres Lebens als Brustkrebspatientin, mit all den dazu gehörigen Ängsten und Einschränkungen durch Bestrahlungen, Chemotherapie und Operationen lebt, diese Therapien aber ihr Leben nicht verlängern können.
Ein weiteres Problem sind die Fehldiagnosen. Manche Frau wird fälschlicherweise beruhigt. Bei einer von 1000 Frauen wird ein Brustkrebs bei der Mammografie ‚übersehen‘. Es gibt Tumorformen, die sich nicht im Röntgenbild darstellen lassen und bei manchen Frauen ist das Brustgewebe, insbesondere durch eine Hormontherapie während der Wechseljahre, so strahlendicht, dass auf dem Röntgenbild kaum etwas zu erkennen ist.
Häufiger ist aber der sogenannte ‚Fehlalarm‘. Bei regelmäßiger Teilnahme am Screening über zehn Jahre hinweg wird jede vierte bis fünfte Frau mindestens einmal zu einer erneuten Untersuchung eingeladen, weil in der Mammografie ein verdächtiger Befund entdeckt wurde. In 80 bis 90% der Fälle erhärtet sich der Verdacht in der Nachuntersuchung nicht. Manchmal reichen Tastbefund oder Ultraschall um einen Fehlalarm zu entdecken, aber bei 60 von 1000 Frauen kommt es zu einer Gewebsentnahme bevor Entwarnung gegeben werden kann.
Durch die systematische Untersuchung von gesunden Frauen kommt es nach Erkenntnissen von Peter Gøtzsche und Margrethe Nielsen vom Cochrane Zentrums in Kopenhagen in der neuesten systematische Studienauswertung, die Studien mit insgesamt 500.000 Frauen einbezieht, zu einem erheblichen Anstieg von Überdiagnose und Übertherapie. Weil mit der Mammografie besonders oft Vorstufen von Krebs entdeckt werden, die möglicherweise nie im Leben Probleme gemacht hätten, werden diese therapiert. Durch das Screening steigt die Rate der Brustamputationen um 20%, ohne das irgendjemand weiß, ob sie wirklich nötig waren.
Die Entscheidung ob für jede einzelne Frau ganz persönlich der Nutzen oder die Risiken überwiegen, kann ihr niemand abnehmen, aber es muss dafür gesorgt werden, dass alle Frauen die Informationen und die Möglichkeiten zur Beratung haben, die sie brauchen, um ihre individuelle Entscheidung für oder gegen die Teilnahme am Mammogafie-Screening zu treffen.“