Plenarprotokoll 20/28 – Untersuchung des Hamburger Hafens (staatliche Beteiligung an der HHLA)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren!
Alle in diesem Parlament kennen mich als jemand, der sich kräftig dafür einsetzt, uns Parlamentariern mehr Möglichkeiten einzuräumen, verschiedenste Vorgänge zu kontrollieren und kritisch zu betrachten. Ich habe auch die kurze Zeit kritisiert, die wir zur Verfügung hatten, um die Beteiligung zu überprüfen. Ich finde auch, dass wir als Parlamentarier in diesem Zusammenhang häufig überfordert werden. Diese Kritik am Senat unterstütze ich völlig, und ich gehe davon aus, dass die Kritik so stark war, dass wir in einer vergleichbaren Situation das nächste Mal mehr Zeit bekommen, um solche Fragen vernünftig klären zu können,

(Finn-Ole  Ritter  FDP:  Geht ja nur um 420 Millionen Euro! – Robert Bläsing FDP: Wir sehen uns im PUA!)

denn sonst wird die Kritik vielleicht noch heftiger ausfallen. Aber was mir nicht gefällt, Herr Kerstan, das will ich deutlich sagen, ist die Selbstgerechtigkeit, mit der Sie hier agieren.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Ich war bei den Verhandlungen im Jahr 2008 nicht konkret dabei, weil ich damals noch nicht haushaltspolitischer Sprecher war. Aber die Möglichkeiten, kritisch nachzufragen und zu beurteilen, was die schwarz-grüne Regierung gemacht hat, waren damals noch geringer. Wir hatten noch weniger Möglichkeiten, uns irgendetwas anzusehen, noch weniger Möglichkeiten, politisch Einfluss zu nehmen, weil es sich lediglich um eine Kenntnisnahme
gehandelt hat. Was Sie hier kritisieren, ist völlig richtig, aber ein paar selbstkritische Worte zu dem damaligen Geschehen wären meiner Meinung nach absolut notwendig, um glaubwürdig zu sein.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Das Zweite – da geht es um eine der Kernfragen unserer Diskussion  –, was ich anmahnen möchte, besonders in Richtung der anderen damaligen Regierungspartei, ist etwas Selbstkritik bezüglich des Vertrags, den sie damals gemacht hat. Dieser Vertrag hat uns die Situation eingebracht, dass eine
Mehrheit an Hapag-Lloyd in diesem Jahr verkauft werden kann. Das ist eine Entscheidung von 2008, das ist eine Entscheidung, die Sie mit getroffen haben. Ich würde gern ein paar selbstkritische Worte zu den Entscheidungen von damals hören, denn die bringen uns dieses Dilemma jetzt wieder auf den Tisch.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Es war noch in einem weiteren Punkt ein schlechter Vertrag, der damals gemacht wurde. Die Grundlage, das Wertgutachten, das ich durchaus schätze,  ist damals nach vertraglich festgelegten Parametern entstanden. Dieses Wertgutachten, das sich so schön sicher anhört, beruht auf den vergangenen  zwei,  drei Jahren, also einem Gewinn- und einem Verlustjahr von Hapag-Lloyd und einer vom Unternehmen selbst gestellten Prognose für die nächsten zehn Jahre.  Das zeigt die Schwäche dieses Wertgutachtens, es ist nicht so dramatisch toll, wie Sie es darstellen.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Die entscheidende Frage, die wir jetzt inhaltlich diskutieren müssen, ist: Bedeutet ein potenzieller Mehrheitsverkauf im Jahr 2012 ein Problem für die Stadt, muss die Stadt agieren oder nicht? Herr Kluth hat versucht, sehr genau darzulegen, was die Experten dazu gesagt haben. Aber das Bild, Herr  Kluth, ist noch differenzierter. Die Experten haben deutlich und einvernehmlich dargelegt, dass selbstverständlich jemand, der 50,1 Prozent eines Unternehmens besitzt, das Unternehmen führen und bestimmen kann, was mit diesem Unternehmen geschieht. Die schöne Klausel, die Herr Kerstan uns vorgestellt hat,  ist nichts als eine leere Hülle. Sie verschafft uns keine kräftige Position. Das ist dumm, aber so ist es.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Was bedeuten diese 50,1 Prozent für Hamburg? Das ist doch die entscheidende Frage. In dem Augenblick, wo ein anderesUnternehmen in diese machtvolle Position kommt, wäre es in der Lage, viel zu verändern – auch im Zusammenhang mit den Arbeitsplätzen in dieser Stadt. Ärgerlicherweise ist es so, dass Reeder, selbst wenn ein Hafen sehr günstig ist, anhand ihrer eigenen Kostenbetrachtungen Ladekapazität zu verlagern. Ein Beispiel dafür ist der weltweit führende Containerschiffer Maersk, der, ohne dass die Kunden sich darüber beschwert haben, wesentliche Lademengen von Hamburg abgezogen und nach Bremerhaven und Rotterdam verlegt hat, weil ihm dort die Container gehören. Aber für den Hamburger Hafen ist dadurch auf jeden  Fall ein Problem vorhanden, das muss klar sein.

Es ist richtig, dies in Betracht zu ziehen, denn es geht um das Herz der Hamburger Wirtschaft. Ich bin mir ziemlich sicher, dass die 60 Prozent, die im Senatsantrag genannt worden sind, falsch sind. Herr Kerstan, Herr Kluth, Frau Prien, der Bund der Steuerzahler hat vorgestern eine Studie dazu veröffentlicht. Der Bund der Steuerzahler ist kein Freund staatlichen Eingreifens, er hofft darauf, dass der Markt alles regelt, aber der Bund der Steuerzahler hat gesagt, dass bei einem Verkauf an Dritte 25 Prozent der Waren, die über den Hamburger Hafen insgesamt transportiert werden, in
Gefahr seien. Was bedeutet das denn für den Hamburger Hafen? Das ist doch eine Gefährdung. Das ist doch eine krisenhafte Situation, wo wir als
Staat beruhigend einwirken und etwas machen müssen. Ich weiß nicht, wie es sonst gehen soll.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Wir haben leider nicht die Möglichkeit zu sagen, das wird sich schon zurechtbiegen, weil die Seeschifffahrt gegenwärtig sehr krisenanfällig ist. Das haben Sie, Herr Kluth, in Bezug auf das Unternehmen richtig dargelegt, und es gilt für die Seeschifffahrt insgesamt. Dort haben wir riesige Überkapazitäten, was dazu geführt hat, dass große Unternehmen zum Teil völlig irrational agieren und einen ruinösen  Preiskampf  hervorbringen. Eine ähnlich irrationale  Möglichkeit, um einer Krise zu begegnen, könnte sein, dass man sich ein gewisses Unternehmen einverleibt und es abbaut. Diese riesigen Überkapazitäten im Hafenbereich und die Krisenanfälligkeit in der Seeschifffahrt sind gegenwärtig vorhanden. Wenn Rotterdam mit „Maasvlakte 2“ an  die Reede geht, Wilhelmshaven dazukommt und die Ausbauten insgesamt zunehmen, kann es zur nächsten Krisenerscheinung kommen.

Meine Damen und Herren! In Krisenzeiten ist es absolut notwendig, dass wir mit staatlichen beruhigenden Interventionen agieren, denn sonst erleben
wir die Turbulenzen, die es vor einigen Jahren gab, in diesen Bereichen auch. Staatliche Aktivitäten sind dort wichtig.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei der SPD)

Das ist die Art und Weise, wie wir insgesamt versuchen zu intervenieren. Darum verstehe ich auch den Mangel an Erinnerung – Herrn Kluth nehme ich aus – von etlichen hier im Parlament nicht. Was haben wir in den Krisenjahren 2009/2010  gemacht? Wir haben ein Konjunkturprogramm aufgelegt. Teils haben wir skurrilste Geschichten gemacht, unter anderem so etwas wie die Abwrackprämie. Niemand kann mir erklären, was vernünftig daran gewesen ist. Es war aber ökonomisch absolut notwendig, dass der Staat bestimmte Aktivitäten startet, um Krisenerscheinungen zu beschränken. Die Kraft des Staates ist unerlässlich, er muss in der Lage sein, Krisen aufzufangen.

Das ist der wesentliche inhaltliche Kern, von dem ich ausgehe und den ich wichtig finde. Wir als LINKE werden deshalb diesen Antrag unterstützen, auch wenn wir an verschiedenen Punkten Kritik am Regierungshandeln haben. Diese Punkte haben wir in den Zusatzanträgen genannt. Ich will sie noch  einmal einzeln aufführen. Erstens darf es nicht sein, aufgrund dieser Intervention im Bereich der  Jugendhilfe  –  Herr Kerstan hat dafür eben noch eine Begründung extra geliefert – Kürzungen vorzunehmen. Das geht nicht.

(Beifall bei der LINKEN)

Es ist nicht möglich, die sozialen Infrastrukturen gegen ökonomische Infrastrukturen auszuspielen, Herr Kerstan.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Herr Kerstan spielt das so aus!)

Ich verlange von diesem Parlament und von jedem Parlamentarier, einigermaßen zu definieren, was notwendig für diese Stadt ist und dann dafür zu kämpfen und dafür zu sorgen, dass die Einnahmeseite so strukturiert ist, dass wir diese wichtigen Aufgaben auch erfüllen können. Wenn Sie in den
vergangenen Jahren unter Rot-Grün oder Schwarz-Gelb oder sonstigen Bundesregierungen diese riesigen Steuergeschenke gemacht haben, dann will ich das nicht auf Hamburger Ebene ausbaden und für den Mist an Politik, den Sie gemacht haben, bezahlen.

(Beifall bei der LINKEN – Hans-Detlef Roock CDU: Kriegen Sie sich mal wieder ein!)

Zweitens stellen wir bei allen Diskussionen fest, dass wir diese öffentlichen Gelder praktisch in den Hafen investieren. Ich bin eindeutig der Meinung, dass wir bei den Finanzen des Hafens mehr Transparenz benötigen.

(Beifall bei der LINKEN)

Eines der großen Probleme dieser Debatte um Hapag-Lloyd ist die mangelnde Transparenz. Wir müssen im Parlament dafür sorgen, dass wir diese Dinge sehr transparent machen. Wir haben einen detaillierten Vorschlag dazu gemacht. Ich freue mich, dass wir das in den Ausschüssen genauer diskutieren können.

Als letzten Punkt – Frau Prien hat da völlig recht –, die regionalökonomischen Analysen des Senats waren dürftig. Wir haben einen Nachholbedarf, das
gilt übrigens auch für den Hafenentwicklungsplan, der diesbezüglich eindeutige Schwächen hat. Wir sollten den Senat auffordern, diese Schwächen auszumerzen.

(Beifall bei der LINKEN)

Zweiter Beitrag Norbert Hackbusch

Herr Präsident, meine Damen und Herren!
Meine Glaubwürdigkeit ist angezweifelt worden, darum muss ich natürlich noch etwas sagen. Zunächst zur Glaubwürdigkeit in dem Zusammenhang, wie wir als Linke jetzt mit der Regierungspartei zusammen so abstimmen können.

(Robert Heinemann CDU: Joachim Bischoff hätte das nicht gemacht, Herr Hackbusch!)

Ich sehe das als Kontinuität zu unserem Abstimmungsverhalten 2008. Damals haben sich alle Parteien in diesem Parlament gemeinsam für die Sache  entschieden. Dementsprechend befinde ich mich weniger in einem Glaubwürdigkeitsproblem als Sie, Herr Tjarks, oder Sie, Herr Kerstan.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD – Glocke)
Vizepräsident Dr. Wieland Schinnenburg (unterbrechend): Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Bläsing?

Norbert Hackbusch DIE LINKE: Gern.

Zwischenfrage von Robert Bläsing FDP: Vielen Dank, Herr Kollege Hackbusch. Wir verbringen viele Stunden gemeinsam im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss Elbphilharmonie, der jedem einzelnen Cent nachspürt, der zu den Millionen-Kostensteigerungen geführt hat. Und Sie kritisieren zusammen mit mir zu Recht, dass die Stadt mittlerweile Hotelbesitzer geworden ist. Wo sehen Sie den Unterschied, wenn die Stadt jetzt noch verstärkt Reedereibesitzer werden will?
(Beifall bei der FDP – Dr. Andreas Dressel SPD: Sehr gut, das Herz für die Hotels!)

Norbert Hackbusch DIE LINKE (fortfahrend): Diese Analyse will ich in der kurzen Zeit gar nicht versuchen hinzubekommen. Aber eines, das mir wichtig  ist:  Die Entscheidung im Zusammenhang mit der Elbphilharmonie zeigt deutlich, dass auch einstimmige Beschlüsse innerhalb der Bürgerschaft nicht unbedingt richtig sind.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Das ist wohl so!)

Die Art und Weise, wie wir das entscheiden, ist pragmatisch-kluge linke Politik,

(Beifall bei der LINKEN)

und um nichts anderes geht es dabei. Ich befinde mich dabei mehr in Kontinuität zu 2008 als viele andere. Herr Kluth, kurz zum Bund der Steuerzahler. Auch wenn ich einzelne Zitate und Analysen dieses Bundes richtig finde, muss ich nicht das Gesamte unterstützen; das kann man schon unterscheiden.

(Heiterkeit bei der CDU)

Ich will Ihnen noch einmal genau sagen, was dieser Satz beinhaltet: „Bei detaillierter Betrachtung reduziert sich das vom Senat aufgezeigte Risiko einer Verlagerung (60%) , sofern es sich im Zuge des Andienungsrechts um den Einstieg eines Investors handelt, der wirtschaftlichen Zwecken folgt, auf langfristig rund 25%.“

(Dr.  Thomas-Sönke  Kluth  FDP:  Weiterlesen!)

– Ja, das kommt gleich, aber Satz für Satz genießen.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren,  die Drohung, dass 25 Prozent der Hafenaktivitäten wegwandern, ist ein ziemlich kräftiges Moment. Da kann man nicht einfach drüber hinweggehen und sagen, dass das nichts ist.

Die zweite Analyse, die der Bund der Steuerzahler macht, ist nicht völlig falsch, wenn er sagt, die Abwanderung werde allerdings auch dann eintreten, da die Fahrrinnentiefe der Elbe eine natürliche Barriere bildet. Diese Analyse finde ich beachtenswert, und man muss sie mit bedenken, aber das ist eine zweite Analyse, inwieweit die Fahrrinnentiefe den Hamburger Hafen beschränkt.

(Robert Heinemann CDU: Dialektik auf hohem Niveau!)

Das Wichtige ist, den ersten Satz zu analysieren. Der ist richtig und den unterstütze ich ausdrücklich, und ich hoffe, dass er Sie in Bezug auf die Entscheidung noch ein bisschen zum Nachdenken bringt.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)