Plenarprotokoll 20/81: Tätigkeitsbericht 2013 und erste Arbeitsempfehlungen zu den Beratungsaufgaben 2013 des Hamburger Rates für nachhaltige Entwicklungspolitik

Norbert Hackbusch DIE LINKE: Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Fraktion DIE LINKE hat diesen Tätigkeitsbericht hier nicht angemeldet, um ihn zu diskutieren,

(Arno Münster SPD: Weil ihr ja nicht da ward!)

sondern wir werden ihn an den Ausschuss überweisen, wo regelmäßig und gut darüber beraten wird, was im Tätigkeitsbericht gemacht worden ist. Ich möchte Sie auf etwas viel Wichtigeres hinweisen, denn im Zusammenhang mit dem Tätigkeitsbericht ist der Vorstand des Rates für nachhaltige Entwicklungspolitik geschlossen zurückgetreten. Dieser Vorstand setzte sich aus verschiedenen wichtigen und aktiven Personen dieser Stadt zusammen, die einen Namen in der Entwicklungspolitik haben und die sowohl von der SPD als von der LINKEN und auch von der Senatskanzlei vorgeschlagen worden sind. Dementsprechend ist dieser Umstand ein Punkt, der unbedingt öffentlich debattiert werden muss und der vor allen Dingen natürlich ins Mark der SPD trifft. Deswegen bin ich gespannt auf Ihre Antwort.

(Beifall bei der LINKEN)

Was schreibt der Vorstand des Rates zu seinem Rücktritt? Er schreibt – ich zitiere aus dem Rücktrittsschreiben –: „Der in uns gewachsene Eindruck, dass die Erwartungen und Zielvorstellungen, die mit der Neuberufung eines Beraterkreises für entwicklungspolitische Themen im Sommer 2010 und dessen Bestätigung durch die neue Landesregierung im Sommer 2011 signalisiert wurden, leider in vielen Bereichen zunehmend weniger gemeinsames Verständnis finden, nicht zuletzt weil entwicklungspolitische Themen im derzeitigen Senat offenbar auf wenig Interesse stoßen.“

Das hat die Mitglieder des 2010 gewählten Vorstands zu der Entscheidung gebracht, mit Übergabe des vierten Jahresberichts den Hamburger Rat für nachhaltige Entwicklungspolitik zu verlassen, um sich künftig in anderer Weise an den Zukunftslösungen globaler Fragen in der internationalen Kooperation Armutsbekämpfung und soziale Gerechtigkeit zu beteiligen. Ich will noch einmal betonen: Die Mitglieder des Vorstands haben gesagt, dass sie den Rat verlassen, da entwicklungspolitische Themen im derzeitigen Senat offenbar auf wenig Interesse stoßen.

(Robert Bläsing FDP: Das steht aber in Klammern!)

Das ist eine Ohrfeige für die entwicklungspolitische Situation in dieser Stadt und für diesen Senat,

(Beifall bei der LINKEN)

vor allem, weil ich noch genau weiß, wie ich hier mit dem Kollegen Frank von der SPD zusammen dafür gestritten habe, dass dieser Rat eingeführt wird und dass er mehr Kompetenzen hat, als unter Schwarz-Grün vorgesehen war. Deswegen bin ich sehr gespannt darauf, was die SPD dazu zu sagen hat, denn diese Diskussion gehört an die große Glocke gehängt. Aber dann kommen wir zum nächsten Absatz dieses Schreibens, der die politische Dimension deutlich macht. Hier steht:“Insbesondere die Senatspolitik in Bezug auf die aktuellen Herausforderungen und um
Fragen von Flucht, Asyl und Migration sowie die entsprechende Haltung des Senats gegenüber den Bemühungen der Mitglieder aus Anlass der sogenannten Lampedusa-Debatte, eine beispielhafte Initiative für eine künftige humane und entwicklungspolitisch sinnvolle Gestaltung deutscher und möglichst europäischer Flüchtlings- und Migrationspolitik, zu stärken, haben uns in diesem Beschluss bestärkt.“
Meine Damen und Herren! Erinnern wir uns noch einmal, um was es dabei geht. Wir haben in der Bürgerschaft kräftig um die Frage von Lampedusa gestritten und diskutieren diese Frage gegenwärtig immer noch, und ich möchte alle auffordern, zu dieser Demonstration am 1. März zu gehen.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir streiten uns darüber, ob eine Kontingentlösung für diese Menschen möglich war und ist. Ich bin der Meinung, dass der Senat da gerade im Zusammenhang mit der Kirche eine hässliche Rolle gespielt hat, aber das wollen wir hier nicht debattieren. Der Senat hat gesagt, er werde in dieser Frage nichts unternehmen, aber  er werde auf europäischer Ebene und auf  Bundesebene seine Initiativen und seine Kraft einsetzen, um dort etwas verändern zu können. Der Rat für nachhaltige Entwicklungspolitik, der sich aus Vertretern verschiedener Fraktionen und sonstigen Persönlichkeiten zusammensetzt, hat deutlich festgestellt, dass Sie keine Anstrengungen unternommen haben und diese Initiativen, die Sie wenigstens noch versprochen haben, nicht eingelöst haben. Das ist die zweite Ohrfeige für die SPD.

(Beifall bei der LINKEN)

Gucken wir uns das einmal an: Der Bürgermeister ist sehr in der Kritik an diesem Punkt gewesen. Er hat von europäischen Initiativen gesprochen und deutlich gesagt, dass wir etwas in den Ursprungsländern machen müssen. Vor diesem Hintergrund möchte ich Sie auf eine zweite Angelegenheit hinweisen, die dazu leider bestens passt und drittens äußerst peinlich ist, den Rücktritt des entwicklungspolitischen Sprechers der SPD-Bundestagsfraktion, Herrn Dr. Sascha Raabe, Anfang dieses Jahres. Er war zehn Jahre lang entwicklungspolitischer Sprecher der SPD und ist eine durchaus wichtige Autorität in der SPD, wo er in entwicklungspolitischen Zusammenhängen aufgetreten ist und Wichtiges vorgetragen hat. Er hat in seiner Erklärung vom 7. Januar 2014 ausgeführt, dass die Forderung, die Entwicklungshilfe jedes Jahr zu erhöhen, bedeutend sei, um internationale Vereinbarungen zu erreichen, aber auch, um die weltweite Armut zu bekämpfen. Wir brauchen das nicht genauer auszuführen, weil alle wissen, wie wichtig und bedeutend dieses Thema ist. Da stimme ich ihm völlig zu. Er führt dann aus, dass er in der Lage war, in den Koalitionsverhandlungen mit der CDU gemeinsam festzustellen, dass diese 0,7 Prozent, die so wichtig sind in der Entwicklungspolitik, auch erreicht werden könnten, und es musste
praktisch nur noch von der letzten kleinen Runde in den Koalitionsverhandlungen entschieden werden, ob dies eingeführt werden sollte oder nicht. Er hatte dann ausgeführt – ich will das zitieren –: „Ich hätte angesichts von insgesamt nur 23 Milliarden zusätzlich zu verteilenden Euro im Ergebnis auch mit der Hälfte unserer Forderung […] leben können. Aber herausgekommen sind nur 20 Prozent unserer Forderung […]. Damit lässt sich bestenfalls die bisherige […] Quote halten […].“
Das ist, sage ich einmal, keine kriminelle, aber eine entwicklungspolitisch durchaus sehr schwierige Situation. Der Sozialdemokrat sagt weiter: „Damit keine Missverständnisse aufkommen: Mir ist klar, dass eine Große Koalition unter Führung“ – das ist wichtig mit den Sozialdemokraten, Herr Ritter, das werden Sie gleich merken – „von Kanzlerin Merkel bedeutet, dass wir als SPD mit nur 25,7 Prozent Wählerstimmen nicht […] durchsetzen können.“

Er hätte es auch akzeptiert, wenn es deutlich gewesen wäre, dass die CDU und Frau Merkel die Schuldigen gewesen seien, die das nicht umsetzen wollten, aber er sei an der SPD gescheitert. Er schildert dann einiges aus den Verhandlungen und stellt fest: „Schade und traurig ist nur, dass unsere Parteiführung Entwicklungspolitik nicht mehr als ein sozialdemokratisches Kernanliegen, als ‚unser Projekt‘, wahrnimmt.“
Dann sagt der ehemalige sozialdemokratische entwicklungspolitische Sprecher, immer noch Bundestagsabgeordneter der SPD: „Wenn Bildung in Deutschland von wichtigen Mitgliedern unserer Parteispitze gegen den Hunger in der Welt ausgespielt wird, lässt dies auch für die Zukunft nichts Gutes erahnen.“

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren! Die SPD-Bürgerschaftsfraktion und unser Bürgermeister haben ausgeführt, dass sie eine bedeutende Rolle in den Koalitionsverhandlungen gespielt haben.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Das ist richtig, das ist ja auch so gewesen!)

Es war auch so, dass sie das genauso gemacht haben. Es spricht Etliches dafür, dass unser Bürgermeister derjenige war, der verantwortlich genau diesen Punkt durchgesetzt hat,

(Dr. Andreas Dressel SPD: Haben Sie dafür irgendwelche Anhaltspunkte?)

auch wenn Herr Dr. Raabe das in gewisser Weise nicht sagt. Deutlich ist aber, dass Sie sich in der Diskussion um die Flüchtlinge etwas geleistet haben, was man sich nicht leisten darf. Sie haben gesagt, Sie könnten auf Hamburger Ebene nichts machen, aber Sie würden sich auf Bundesebene kräftig für die Ursachenbekämpfung einsetzen. Sie selbst und Ihr entwicklungspolitischer Sprecher über zehn Jahre haben deutlich gesagt, dass Sie das nicht machen. Ich finde, die SPD hat sich zu entschuldigen oder zumindest zu erklären, was hier geschehen ist.

(Beifall bei der LINKEN)

Zweiter Beitrag

Norbert Hackbusch DIE LINKE: Meine Damen und Herren! Ich muss Ihnen sagen, dass diese Debatte mich nicht nur ernüchtert, sondern fast entsetzt hat, auch die Art und Weise, wie man darüber diskutiert. Der Rat ist eine wichtige Institution. Frau Fegebank, es geht nicht um einzelne Mitglieder, denn der gesamte Vorstand ist zurückgetreten. Frau Steppat, wenn der Vorstand insgesamt zurücktritt und explizit sagt, es liege daran, wie der gegenwärtige Senat Politik betreibe – und mit ihm hat der Rat vor allen Dingen zu tun –, dann muss man sich doch mit dieser Kritik der wichtigsten entwicklungspolitischen Akteure in dieser Stadt auseinandersetzen. Man kann sagen, sie hätten einen Fehler gemacht oder bestimmte Dinge seien geschehen, aber stattdessen führen Sie aus, was alles gemacht worden sei, gehen aber auf die Kritik überhaupt nicht ein. Ich finde, das geht nicht, so kann man keine Politik machen. Das ist ignorant, das ist die Arroganz der Macht.

(Beifall bei der LINKEN)

Alles, was ich befürchtet habe, drückt sich dadurch in gewisser Weise aus. Das ist keine Achtung gegenüber diesen drei aktivsten Leuten, die in diesem Bereich etwas getan haben. Und dabei muss man auch eine gewisse Selbstkritik üben.

(Beifall bei der LINKEN und bei Katharina Fegebank GRÜNE)

Vielleicht habe ich das nicht deutlich genug gemacht, aber ich habe relativ wenig meiner politischen Auffassungen dort dargelegt, ich habe dagegen relativ viel zitiert, was diese wichtigen Akteure gesagt haben. Sie haben unter anderem die Lampedusa-Diskussion mit hineingebracht. Das habe ich selbst in der Form nicht gemacht, ich habe es nur vorgelesen. Dementsprechend muss man sich doch mit diesen Fragen auseinandersetzen. Und auch beim Europaausschuss, der in gewisser Weise kontrolliert, was wir an Entwicklungspolitik machen, müssen doch alle Alarmglocken klingeln, wenn ein Vorstand zurücktritt. Ich verstehe gar nicht, wie das anders aussehen konnte.Wir müssen in dieser Stadt entwicklungspolitisch noch einiges lernen, aber wenn die Glocken so laut klingeln, müsste selbst die SPD wach werden. – Danke.

(Beifall bei der LINKEN)