Militärforschung an Hamburgs Hochschulen: Zivilklausel jetzt!

Die Zusammenarbeit der Hamburger Universitäten mit militärischen Einrichtungen sowie rüstungsrelevante Forschung und Lehre an den Hochschulen debattiert die Hamburgische Bürgerschaft heute auf Antrag der Fraktion DIE LINKE. „Mehrere Bundesländern haben eine Zivilklausel in den Landeshochschulgesetzen – Hamburg sollte, als in der Verfassung festgelegte ,Mittlerin des Friedens‘, diesen positiven Beispielen sofort folgen“, erklärt dazu Martin Dolzer, wissenschafts- und friedenspolitischer Sprecher der Fraktion. „Notwendig ist dabei allerdings, dass die Zivilklausel bindend ist und ohne Wenn und Aber umgesetzt wird.“

Die Antworten auf die Große Anfrage „Forschung nur für friedliche Zwecke!? Welche Hamburger Hochschulen und Forschungsinstitute verfügen bereits über eine Zivilklausel?“ (Drs. 21/13143) zeigen deutlich, dass in Hamburg in großem Umfang rüstungs- und militärrelevante Forschung und Lehre betrieben wird. Der Senat vertritt allerdings die Auffassung, dass eine Zivilklausel lediglich eine „begrenzte Wirkung“ entfalten könne, da sie nicht für Drittmittelprojekte gelte. „Wenn der politische Wille da ist, kann die Klausel auch verbindlich für sämtliche Bereiche von Forschung und Lehre gestaltet werden – also auch für Drittmittelprojekte“, so Dolzer.

Zuletzt hatte das Fraunhofer Center für Maritime Logistik (CML) beim Projekt MUNIN „Maritime Unmanned Navigation through intelligence in networks“ („Schiffsdrohnen“) in Hamburg mit dem Rüstungsunternehmen Aptomar aus Norwegen zusammengearbeitet, das unter anderem U-Boote baut. Nun läuft, ebenfalls am Fraunhofer CML, das von Rheinmetall beauftragte Projekt „Starterkit Visualisierung für das European Maritime Simulator Network“.

„DIE LINKE steht für Bildung und Hochschulbildung ohne Bundeswehr“, erklärt Martin Dolzer. „Rund 70 Prozent der in Deutschland lebenden Menschen sind gegen Auslands-einsätze der Bundeswehr. Es ist wichtig, diese friedliche Mentalität durch eine humanistische Wissenschaftspolitik mit verbindlicher Zivilklausel zu fördern und auch Forschungspartner wie die Fraunhofer Stiftung zu ausschließlich friedlicher Nutzung ihrer Forschungsergebnisse und Patente zu verpflichten.“

 

Beispiele für  rüstungs- und militärrelevante Forschung und Lehre in Hamburg

  • Seit Januar 2015 gibt es an der HAW trotz Zivilklausel einen Kooperationsvertrag zur Ausbildung von Offiziersanwärter_innen des Militärfachlichen Dienstes der Bundeswehr im Studiengang Rettungsingenieurwesen der Fakultät Life Sciences.

An der HAW wurden seit 2012 folgende Promotionen in Kooperation mit der Helmut Schmidt Universität der Bundeswehr (HSU) bearbeitet:

– Thermische Umwandlung von Triglyceriden in konventionelle Kraftstoffe

– Veredelung von Biorohölen durch katalytische Hydrierung

– Sprühsimulation Faserverstärkter PUR Composites

– Untersuchung des Potentials von HITU zur Stimulation von Nerven

– Signalverarbeitung und Zustandserkennung für ABS-Sensoren

– Profitabilität und Energieeffizienz von elektrischen Nutzfahrzeugen im urbanen Straßengüterverkehr

  • An der TUHH gab es seit 2012 neun Forschungsprojekte mit dem Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr und seinen Dienststellen im Umfang von 689.000 Euro.
  • Die TUHH kooperiert sowohl in der Forschung als auch in der Lehre mit der HSU.
  • Im Bereich der Lehre gibt es Vorlesungen und Übungen im Fach „Verbrennungsmotoren“. Beide Universitäten haben in einem Kooperationsvertrag vereinbart, im Bereich der Ingenieurwissenschaften in Forschung und Lehre zusammenzuarbeiten. Studierende der TUHH nehmen regelmäßig an der oben genannten Lehrveranstaltung teil, Studierende der HSU können im Rahmen des Masterstudiums Fahrzeugtechnik den Studienschwerpunkt Schiffsmaschinenbau wählen und absolvieren nach Maßgabe der Studien- und Prüfungsordnung der HSU Lehrveranstaltungen bis hin zur abschließenden Masterarbeit an der TUHH. Die TUHH stimmt sich darüber hinaus mit der HSU bezüglich des gegenwärtig an der HSU geplanten Ausbaus des Bauingenieurwesens ab.
  • An der TUHH gibt es im Bereich der Grundlagenforschung Forschungsprojekte mit den Forschungsfördereinrichtungen wie dem Air Force Office of Scientific Research und dem Office of Naval Research der USA in Höhe von circa 300.000 US-Dollar. Auf die Große Anfrage 21/13143 der Linksfraktion antwortet der Senat aber: „Rüstungsforschung“ gibt es an der TUHH nicht. Die TUHH führt Forschungsprojekte mit einzelnen Unternehmen zu Forschungsfragestellungen, die grundlagenorientiert sind und daher auch für zivile Zwecke von Bedeutung sind (so genannter Dual Use), durch. Der Umfang der Forschungsvorhaben beträgt 1,57 Millionen Euro.
  • Das Bundeswehrkrankenhaus Hamburg ist als Akademisches Lehrkrankenhaus der Medizinischen Fakultät ein Kooperationspartner des UKE in der medizinischen Ausbildung. Studierende im Praktischen Jahr werden im Bundeswehrkrankenhaus Hamburg entsprechend § 3 und § 4 der AApprO praktisch ausgebildet und geprüft. Eine Vergütung der Lehrleistungen aus Landesmitteln erfolgt nicht.
  • Weitere Vorhaben bestehen im Zentrum für Karriereplanung der HAW mit der HSU, Fakultät für Geistes- und Sozialwissenschaften: Eröffnungsvortrag zum jährlichen Praktikumstag „Praktika als Karrierebaustein“ in den Jahren 2015, 2016 und 2017.

Zudem bestehen hochschulübergreifende Studiengänge mit TUHH, HAW und HSU:

– Bachelorstudiengang Wirtschaftsingenieurwesen, Fakultät Life Sciences, Depart- ment Wirtschaftsingenieurwesen und Fakultät Technik und Informatik, Department Maschinenbau und Produktion, Beginn Wintersemester 2010/2011

– Masterstudiengang Wirtschaftsingenieurwesen, Fakultät Life Sciences, Department Wirtschaftsingenieurwesen und Fakultät Technik und Informatik, Department Maschinenbau und Produktion, Beginn Wintersemester 2010/2011

  • Das DESY unterhält keine vertraglich geregelten wissenschaftlichen Kooperationen zu den genannten Einrichtungen. Mit der HSU bestehen Kontakte mit einzelnen Professoren an der Fakultät für Elektrotechnik, insbesondere im Fachbereich Hochfrequenztechnik, Theoretische Elektrotechnik und in der Experimentalphysik. An interessierte Studierende der HSU werden Bachelor- und Masterarbeiten bei DESY vergeben. Eine formale Kooperation zu einem Forschungsprojekt besteht jedoch nicht.