Flüchtlingspolitisches Hearing: Schule und Ausbildung für Geflüchtete

Ein Bericht von Sabine Boeddinghaus, Ronald Prieß und Sven Uwe Ihling

Insgesamt 13 TeilnehmerInnen zählte die Arbeitsgruppe. Darunter vor allem VertreterInnen aus den Bildungsbereichen der frühkindlichen-,  schulischen- sowie der beruflichen Bildung und der Begleitung als Sprach-/ Kulturmittler bis hin zur Offenen Kinder und Jugendarbeit (OKJA), die viele Erfahrungen aus ihrer täglichen Arbeit mit jungen Geflüchteten in den Workshop einbrachten. Zumeist handelte es sich um hauptberuflich Tätige in der Flüchtlingsbildung, doch auch Ehrenamtliche fanden sich in der Runde. Einige der Gäste waren bereits in ihren Bezirken politisch aktiv. Ergänzt wurde der Kreis in Blick auf Hochschulbildung durch einen Lehramtsstudenten und den Abgeordneten Martin Dolzer.

Es fehlt an klaren Organisationsstrukturen und Kommunikation

Rasch entwickelte sich eine sehr rege Diskussion und viele Berichte machten Schieflagen in den Regelsystemen der Bildung von Kita bis zur Hochschule und in allen Bereichen der sozialen Infrastruktur deutlich und meldeten Bedarfe für Verbesserungen an. Die Abgeordneten und Mitarbeiter gaben den Gästen dabei freien Raum zur Äußerung und beschränkten sich, außer bei gewünschten Erklärungen und Antworten auf Fragen, die gegeben Impulse zu verfolgen und zu dokumentieren. Dabei fanden sich zum überwiegenden Teil bereits befürchtete und aus anderen Quellen vernommene Kritikpunkte, die auch im aktuellsten Antrag der Abgeordneten eingeflossen waren, abermals bestätigt.

In praktisch allen Segmenten wurde ein weitgehendes Fehlen von klaren Organisationsstrukturen und einer guten Informationskultur beklagt. Die Kommunikation und Koordination zwischen den zuständigen Behörden und den einzelnen Einrichtungen (Kitas, Schulen und Trägern) wurde als oft sehr mangelhaft beschrieben und die viel zu geringe Bereitschaft zur Abstellung herrschender Defizite, sowohl in Ausstattung wie Arbeitsunterstützung, seitens der zuständigen Behörden kritisiert. Vieles verliefe häufig scheinbar planlos, AnsprechpartnerInnen fehlten meist oder seien überlastet und generell begegneten die Bildungsakteure nicht selten durchgehender Ignoranz oder fortwährender Vertröstung bei Ersuchen um Unterstützung. Somit laufe Vieles letztendlich auf Eigeninitiative, statt auf vernünftiger Planung fußend. Insgesamt herrschte Einigkeit darüber, dass deutlich mehr Geld, bessere Arbeitsbedingungen und vor allem endlich eine den Herausforderungen der frühkindlichen Bildung und Flüchtlingsbeschulung wirklich angemessene Personalressourcenpolitik umgesetzt werden muss. Die Inklusion geflüchteter Kinder und Jugendlicher muss ernsthaft angegangen und umgesetzt werden. Es war zudem immer wieder zu vernehmen, wie sehr man sich für all die Sorgen und Bedarfe, die sich mit der Bildung von Geflüchteten verbinden, mehr Öffentlichkeit und Problemlösungsbewusstsein bei den Regierenden wünsche.

Flüchtlingskinder müssen lange auf ihre Beschulung warten

11156279_540370036100722_900879901750815929_n Speziell in den Erstaufnahmeeinrichtungen (ZEA’s) ist Beschulungssituation häufig chaotisch. Es fehle etwa sogar an ausreichend Schulmaterialen, geeigneten Lern- und Rückzugsräumen und es würde sich viel zu sehr auf ehrenamtliches Engagement verlassen. Deutschunterricht finde darum oft nur unregelmäßig oder auch gar nicht statt. Außerdem verweilten Kinder in der Regel deutlich länger als 3-6 Monate in den ZEA’s, ehe Ihre Beschulung endlich beginnt. Auch die Offene Kinder- und Jugendarbeit, die hier einen wichtigen Beitrag mit niedrigschwelligen Integrations- und niedrigschwelligen Bildungsangeboten leistet, klagte über fehlende Organisation, mangelnden Platz und Unterstützung vor Ort. Sowohl in der ZEA wie in der frühkindlichen Bildung und der gesamten Ebene der Schule wurde deutlich, dass die seelischen Traumata der Geflüchteten kaum beachtet und aufgearbeitet würden und welch großes Hemmnis diese für die Betroffenen und deren erfolgreiche Beschulung darstellen.

Gerade auch die Begleitung versierter Sprach-/Kulturmittler sei darum in allen Bereichen zwingend erforderlich, ebenso wie die Unterstützung durch Sozialpädagogen. Die Geflüchteten müssten möglichst schnell in den schulischen Ganztag und die mit ihm verbundenen Angebote der offenen Kinder- und Jugendarbeit eingebunden werden. Darauf müssten die Einrichtungen mit Konzepten vorbereitet werden. Das erfordert einen bedarfsgerechten Ausbau und die Fortbildung der Fachkräfte. Kitagutscheine sollten nicht erst mit Bestehen einer Wohnung erteilt werden dürfen und das Fehlen von ausreichenden Kitas in der Nähe von Massenunterkünften sei fatal, es brauche diese Angebote dringend für alle Kinder und sie müssten mit mittelbarer pädagogischer Begleitung garantiert werden.

Unbegleitete, minderjährige Flüchtlinge – keine vernünftige Berufsschulbildung

Die Qualifikation von LehrerInnen mit Deutsch als Zweitsprache (DAZ) laufe deutlich zu schleppend und Ressourcen für Inklusionsmaßnahmen seien faktisch nicht angedacht. Gleichfalls stelle die unausgewogene Verteilung Geflüchteter auf bestimmte Bezirke der Stadt ein enormes Problem dar und die standortnahe fortlaufende Beschulung funktioniere selten. Gerade im Bereich Berufsschule seien die ergriffenen Maßnahmen nicht auf eine vernünftige Ausbildung der beschulten Jugendlichen ausgerichtet, dafür sei „AV-Dual“ wegen der viel zu geringen Zeit für einen qualifizierten Schul- und anerkannten, marktfähigen Berufsabschluss zu ungeeignet. Auch der Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen sei sehr kritisch zu sehen, denn Hamburg scheine hier auf Kosten des Jugendhilfeangebote und Betroffenen darauf zu hoffen, dass Umverteilungsprozesse des Bundes die Lage für sie lösen werde.

Was kann DIE LINKE tun? Öffentlichkeit schaffen, Druck aufbauen, Vernetzung stärken!

Etliche unserer bisherigen parlamentarischen Initiativen und unsere Netzwerkarbeit als Fraktion in Sachen Flüchtlingsbildung haben diese Missstände bereits aufgezeigt und Lösungen im Sinne der Akteure und Geflüchteten eingefordert. Manche davon wurden von den Gästen bereits registriert und sehr positiv befunden. Diese Anstrengungen werden wir, gerade auch durch die Impulse dieses Workshops und in enger Zusammenarbeit mit den Beteiligten, unvermindert fortsetzen und weiter intensivieren.

Die Fraktion kann helfen, in dem sie Öffentlichkeit schafft, über die tatsächliche Situation vor Ort informiert und somit Druck auf Verwaltung und Behörden ausübt. Genauso wollen wir die Akteure in der Förderung weiterer Vernetzung und Zusammenarbeit untereinander unterstützen, zu diesem Zweck bieten wir ihnen auch die Einbindung in unsere parteilichen Arbeitsgruppen. Selbstverständlich sind uns aber als eher kleiner Oppositionsfraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft Grenzen gesetzt. Dennoch werden wir nicht nachlassen, all unsere Möglichkeiten bestmöglich für die angemessene Ausstattung und notwendige Verbesserung in allen Belangen der Flüchtlingsbildung einzusetzen.

Das „Hearing“ hat sich aber unsrer Einschätzung nach, als sehr geeignet und lohnenswert erwiesen und bekräftigt unsere generelle Linie in Sachen Bildung, nicht über sondern mit den Protagonisten und Betroffenen zu sprechen. Wir haben wertvolle Einblicke und Informationen gewonnen und unsere Netzwerkarbeit auf noch breitere Basis stellen können. Weshalb dieses „Hearing“ ganz sicher ein richtiger, aber eben nur ein weiterer „erster“ Schritt auf dem Weg zu einem bedarfsgerechten Bildungssystem und einer sozialen Infrastruktur für Alle für uns sein kann und wird.

Foto: Christiane Schneider