Ärger im Ganztag: Zwölf Schulen wechseln den Jugendhilfeträger

Im Ganztag an Hamburgs Schulen brodelt es: Zwölf Schulen kündigen ihre Zusammenarbeit mit einem Jugendhilfeträger. Das hat der Senat in seiner Antwort auf eine Anfrage der LINKEN nun bestätigt. Welche Schulen sind betroffen? Was sind die Gründe für die Kündigen? Die wichtigsten Infos haben wir hier in Kürze zusammengefasst. 

Worum geht’s?

In Hamburg arbeiten zahlreiche Ganztagsschulen mit Trägern der Jugendhilfe zusammen. 120 solcher Kooperationen gibt es laut Senat. Vor Wochen noch gab sich Schulsenator Ties Rabe noch gänzlich uninformiert (siehe Drucksache 21/2979) – doch nun bestätigt sich, was hinter den Kulissen schon länger bekannt war: An zwölf Standorten, sowohl im GBS-, als auch im GTS-Modell, liegen derzeit Beendigungen von Kooperations- bzw. Dienstleistungsverträgen vor.

Welche Schulen sind betroffen?

Auf dieser Karte, die wir im Zuge weiterer Recherchen laufend erweitern, sind alle betroffenen Schulen eingezeichnet. Bisher bestätigt ist der Trägerwechsel an folgenden Schulen:

 

  • Schule Humboldtstrasse – Barmbek
  • Schule Hinter der Lieth – Lokstedt
  • Schule Lutterothstraße – Eimsbüttel
  • Schule Brehmweg – Stellingen
  • Schule Altengamme Deich – Bergedorf
  • Carl- Götze Schule – Groß Borstel
  • Elbinselschule 
  • Louise-Schröder-Schule
  • Schule Grumbrechtstraße
  • Schule Fuchsbergredder
  • StS Wilhelmsburg
  • Grundschule Karlshöhe, Standort Lienaustraße

Welche Gründe gibt es für den Trägerwechsel?

Als Gründe werden „Differenzen mit Kooperationspartner“, „Personalsituation des Trägers“, „unterschiedliche pädagogische Ansichten“, „finanzielle Ausstattung“ oder „Wunsch nach mehr Stabilität“ angegeben. Dies geht aus einer Nachfrage (Drucksache 21/3747) der Linksfraktion hervor. Außerdem gibt es sehr viel Personalwechsel im schulischen Ganztag, denn die Stellen sind aufgrund der Arbeitsbedingungen unattraktiv, wie eine Schriftliche Kleine Anfrage der Linksfraktion ergeben hat.

Jeder Kündigung geht ein Schlichtungsverfahren voraus, das im Sinne der Kontinuität und stabiler Beziehungen zum Ziel haben sollte, die gestörte Zusammenarbeit zu heilen. „Da erstaunt es mich doch sehr, dass sich die Schulbehörde lediglich in einem Fall an den Kosten eines solchen Verfahrens beteiligt hat“, sagt Boeddinghaus. „Unsere Erwartung ist, dass sich die Behörde regelhaft an den Schlichtungskosten beteiligt und auch wieder ein externes Beratungsangebot den Schulen zur Verfügung stellt. Leider ist die Serviceagentur ‚ganztägig lernen‘ abgewickelt worden.“

Welche Folgen haben die Kündigungen…

...für die SchülerInnen?

Kinder bauen Vertrauen zu ihren BetreuerInnen an den Schulen auf. Aus pädagogischer Sicht sind diese stabilen Bindungen für die Entwicklung der Kinder im schulischen Alltag wichtig, durch den Personalwechsel verlieren sie jedoch auf einen Schlag wichtige Bezugspersonen. Sabine Boeddinghaus, schulpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, sagt dazu: „Es muss im Interesse der Schulbehörde liegen, solche Wechsel zu vermeiden und bei Problemen in der Kooperation frühzeitig externe Hilfe anzubieten. Dass Schulen in allen sozialen Lagen betroffen sind, deutet auf ein grundsätzliches Problem hin und nicht auf einzelne, standortbezogene Ereignisse.“

…für die Lehrkräfte?

Die Personalstellen im schulischen Ganztag sind bei den Fachkräften eher unbeliebt. Da sie nur am Nachmittag liegen, arbeiten nur 22 Prozent der Fachkräfte mehr als 25 Stunden. Nur für neun Prozent der Beschäftigten gibt es eine Vollzeitstelle, 78 Prozent arbeiten maximal 25 Stunden. „Da muss nachgebessert werden, damit Fachkräfte nicht ständig abwandern“, sagt Sabine Boeddinghaus. Die Stellen sind kaum existenzsichernd und die Arbeitsbedingungen extrem belastend.

Was sagt DIE LINKE dazu?

Dass an gleich zwölf Schulen ein Trägerwechsel stattfindet ist ein klares Zeichen dafür, dass gewaltige Defizite im Ganztagssystem bestehen. DIE LINKE erwartet vom Schulsenator, sich für eine Qualitätsverbesserung des schulischen Ganztags einzusetzen. Dazu müsste die Zusammenarbeit zwischen Schule und Jugendhilfe besser organisiert und die dafür notwendigen finanziellen Mittel bereitgestellt werden, findet Sabine Boeddinghaus. Dass dies gelingen kann, zeigt der Paritätische Wohlfahrtsverband mit dem neuen Kooperationsmodell einer gemeinsamen Stunde von Vor- und Nachmittag an sechs Standorten. Die Ergebnisse hat er am Mittwochabend auf einer überaus gut besuchten Veranstaltung der LINKEN im Rathaus vorgestellt. Dabei zeigt sich, dass allein eine gemeinsame Stunde zwischen Vor- und Nachmittag entscheidende positive Impulse für ein verbessertes Schulklima schafft. Sabine Boeddinghaus dazu: „Dieses Modell auf alle Standorte zu übertragen, würde nur rund 5 Millionen Euro kosten. Das wäre gut angelegtes Geld in die Zukunft unserer Kinder und angesichts der immensen Kosten für Elbphilharmonie und HSH-Nordbank-Rettung nicht mehr als ein Peanutsbeitrag.“

Hintergrund

GBS steht für das Konzept der „Ganztägigen Bildung und Betreuung“, die in den letzten Jahren flächendeckend an den Hamburger Grundschulen eingeführt wurde. Für eine Betreuung ihrer Kinder zwischen 8 und 16 Uhr zahlen die Eltern nichts, davor und danach gibt es zusätzliche kostenpflichtige Betreuungsangebote. Die Inanspruchnahme des Betreuungsangebots am Nachmittag ist freiwillig, die Eltern müssen ihr Kind nur anmelden. Um eine durchgehende Betreuung zu gewährleisten, arbeiten die Schulen mit Trägern der Jugendhilfe zusammen. Aufgaben und Konditionen ihrer Zusammenarbeit sind im sogenannten Kooperationsvertrag definiert. Allerdings schwächelt das System: An vielen Schulen hapert es am Betreuungsschlüssel, an der Essenssituation und an den Räumlichkeiten.

Um auf die Defizite im schulischen Ganztag aufmerksam zu machen arbeitet DIE LINKE mit der Volksinitiative „Guter Ganztag“ zusammen. Die Fraktion unterstützt die Forderungen der Initiative nach mehr und besser ausgestatteten Räumen, attraktiveren Arbeitsbedingungen durch mehr Stunden für ErzieherInnen und einem besseren Betreuungsschlüssel an den Schulen.

 

Foto: DALIBRI ( Wikimedia Commons)