Sinti und Roma in Hamburg: Zeit für ein neues Kapitel

Über die Geschichte der Sinti und Roma in Hamburg haben wir am 1. Juni mit zwei Experten diskutiert. Ausgrenzung, behördliche Diskriminierung und fest verankerte Vorurteile waren auch Jahrzehnte nach dem Zweiten Weltkrieg noch an der Tagesordnung. 

von Surya Stülpe

“Es ist an der Zeit, ein ganz neues Kapitel in dem Verhältnis zu Sinti und Roma zu öffnen.“

Seit einigen Monaten setzten wir einen Schwerpunkt in unserer Arbeit auf deutsche Sinti und Roma, ihre Lebensumstände, ihre Probleme und ihre Geschichte in Hamburg. In diesem Zusammenhang haben wir zwei Forscher für Vorträge eingeladen, die Impulsgeber für eine weitergehende Erforschung des Verhältnisses zwischen Mehrheit und den Minderheiten auch in Hamburg sein könnten.

P1100647-300x200 Den Anfang machte Andrej Stephan, der als Promotion an der Uni Halle-Wittenberg in einem Forschungsprojekt die Frühgeschichte des BKA und seine personellen Verquickungen mit den ehemaligen NS-Institutionen untersucht hat. Die Forscher_innen stellten massive ideologische und personelle Kontinuitäten innerhalb des BKA, insbesondere in der sogenannten „Zigeunerdienststelle“, fest. Antiziganistische Prägungen waren bis weit in die 80er Jahre spürbar. Auch wenn die Bezeichnungen geändert wurden und aus „Zigeunern“ etwa „reisende Täter“ oder „Personen mit häufig wechselndem Aufenthaltsort (kurz: HWAO)“ wurden, so blieben die rassistischen Deutungsmuster trotzdem weiter wirksam. Bis ins Jahr 2001 gab es im BKA einen Sachbearbeiter, der eine „Spezialkartei“ (HWAO), bzw. MeM (Mobile ethnische Minderheit) führte.

Dr. Peter Widmann hat mit „An den Rändern der Städte“ eine politikwissenschaftliche Studie vorgelegt, welche die Kommunalpolitik und die unterschiedlichen Stadien ihres Umgangs mit den Minderheiten seit 1945 in den Blickpunkt rückt. Am Beispiel von Freiburg und Straubing zeigt er, dass die Kommunalpolitik einen endlosen Teufelskreis von Ausgrenzung und (Re-)Produktion von Vorurteilen in Gang gesetzt hat. Die anwesenden Sinti und Sintezzi aus Hamburg bestätigten, dass sie ihr eigenes Leben in den Forschungsergebnissen von Dr. Widmann gespiegelt sähen. Intensive und spannende Diskussionen gab es nach beiden Veranstaltungen.

 

Foto: Inge Weiss, Landesverein der Sinti und Roma in Hamburg, Christiane Schneider, verfassungspolitische Sprecherin der Linksfraktion, Dr. Peter Widmann, Dozent an der Uni Marburg.