Blockupy-Aktion: Blockieren wir das Arbeitsministerium!

„Blockieren wir das Arbeitsministerium!“: Unsere Abgeordnete Inge Hannemann ist diesem Aufruf des Blockupy-Bündnisses nach Berlin gefolgt. Wie hat sie die Blockade vor Ort erlebt? Ein Nachbericht.

„An die Arbeit – 2. September  – Markieren wir ihre Verarmungs- und Ausgrenzungspolitik – gegen die Mauern im Innern und die Grenzen nach Außen“, lautete der Aufruf des Blockupy-Bündnisses zur Blockade des Bundesarbeitsministeriums (BMAS) in Berlin. Blockupy ist Teil eines europaweiten Netzwerks vielfältiger Bewegungen, Gewerkschaften, Parteien und Flüchtlingsinitiativen aus Italien, Spanien, Griechenland, Belgien, den Niederlanden, Dänemark, Frankreich und anderen Ländern, die Widerstand gegen das europäische Krisenregime leisten. Das bundesweite Blockupy-Bündnis wird getragen von Aktivist_innen verschiedener emanzipatorischer Gruppen und Organisationen, darunter die Interventionistische Linke, Attac, Occupy Frankfurt, Gewerkschaften, Jugend- und Studierendenverbände, das Erwerbslosen-Forum Deutschland, die Partei Die Linke, das Netzwerk Friedenskooperative und das Bündnis “…umsGanze” (aus „blockupy.org).

Massives Polizeiaufgebot

Aus Hamburg vor Ort waren Frauen der LAG LISA und wir-sind-boes. Bereits vor dem anvisierten Start um 7.30 Uhr am Potsdamer Platz und Gendarmenmarkt versammelten sich AktivistInnen, Blockupy, Gewerkschaften, DIE LINKE, Sanktionsfrei und das Bündnis „AufREcht bestehen“. Neben einem beachtlichen Polizeiaufgebot vor Ort wurden auch der Berliner Hauptbahnhof und die Straßen rund um die Treffpunkte zuvor mit einem Aufgebot an Polizei gut „versorgt“. Zu ersten Auseinandersetzungen kam es sowohl am Potsdamer Platz als auch am Gendarmenmarkt.

Eine Stunde später zogen rund 1.500 Menschen trotz massiver Polizeigewalt vor das Bundesarbeitsministerium und das Finanzministerium in der Wilhelmstraße, sie erreichten ihr Ziel um 9.09 Uhr. Unterwegs wurden Demonstrant_innen in kleineren Gruppen durch die Polizei eingekesselt. Ein „Rein oder Raus“ im Kessel wurde durch die Polizei verhindert. Als parlamentarische Beobachterin durfte ich mich jedoch mehr oder weniger frei bewegen und konnte so dafür sorgen, dass Demonstrant_innen ihre Fragen oder Wünsche an mich richten konnten. Also arbeitete ich daran, den Bedarf an Wasser zu stillen (auch Berlin wurde es an diesem Tag immer wärmer ) und zwischen Demonstrant_innen und Polizist_innen zu vermitteln.

Nach der Ankündigung der Polizei, die Kundgebung vor dem Bundesarbeitsministerium aufzulösen, wurden Pfiffen und Widerstandsrufe laut. Die Fenster des Ministeriums füllten sich inzwischen mit neugierigen Mitarbeitern des Hauses und Kameras. Die Polizei gab mir die Auskunft, dass sich die Arbeitsministerin Andrea Nahles selbst nicht im Haus befinde. Vor dem Arbeits- und Finanzministerium war die Stimmung derweil angespannt und laut.

Pfefferspray und Schlagstock gegen Demonstrant_innen

Dann eskalierte die Situation: Die Polizei setzte Pfefferspray und Schlagstöcke ein. So wurden auch Demonstrant_innen unter körperlicher und repressiver Polizeigewalt in Polizeiwagen abgeführt, mit Rufen protestierten sie lautstark gegen diese Maßnahmen. Am Ende waren es über 50 Festnahmen und mehrere Verletzte. Die Polizei interessierte nicht, ob Menschen irgendwo standen, wenn sie ihren Run auf Demonstranten starteten. Das Szenario erinnerte an „Räuber und Gendarm“. Mein persönliches Ergebnis: leicht geprellte Hüfte und Schulter durch das Anrempeln eines oder mehrerer (?) Polizist_innen.

Am Rande diskutierten inzwischen weitere parlamentarische Beobachter_innen der LINKEN mit der Polizeieinsatzleitung, ob die eingekesselte Gruppe vor dem Finanzministerium zur inzwischen angemeldeten Kundgebung vor dem Arbeitsministerium stoßen dürfe. Laut Polizeisprecher Winfried Wenzel gab es Bedenken, da sich „in der Gruppe Straftäter“aufhielten. Besagte Straftat sei das Vermummen in der Menge gewesen. Aha.

Nach zähen Diskussionen war jedoch auch dieses erfolgreich durchgesetzt: Eine Gruppe von rund 100 Demonstrant_innen marschierte geschlossen zurück zum Arbeitsministerium. Inzwischen entspannte sich die Stimmung, man sonnte sich oder spielte Karten. Nach rund zwei Stunden Blockade ging der Weg zurück zum Potsdamer Platz. Der Zug erreichte die „Mall of Berlin“ am Leipziger Platz, wo Aktivist_innen einen Banner mit der Aufschrift: „Organisieren, Blockieren, Streiken – Das Leben ist zu kurz für Kapitalismus“ auf der Brücke entrollten. Unter Volldampf wurde auch dieser Banner durch die Polizei entfernt und der Demonstrantenzug setzte sich fort. Zurück am Potsdamer Platz löste sich die Gruppe auf und die Demo wurde offiziell für beendet erklärt.

Fazit: Das Verhältnis des Polizeiaufgebotes im Verhältnis zur Anzahl der Demonstrant_innen (5.000:1.500) und die Hubschrauberbegleitung zeigten auf, dass ziviler Ungehorsam hier mit Argusaugen beobachtet wird. Auch wenn ich persönlich die Blockade mehrheitlich als friedlich empfand, waren manche Überreaktionen der Polizei absolut fehl am Platz. Der Einsatz von Schlagstöcken, Pfefferspray und das blinde Loslaufen zeigten die Unsicherheiten der Polizei auf und brachte Aktivist_innen in Gefahr. Deeskalation sieht anders aus.