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Finanzskandal: Die Privatisierung der HSH Nordbank ist noch nicht das Ende

Schleswig-Holstein und Hamburg verkaufen ihre Anteile an der krisengeschüttelten HSH Nordbank, die an ein Konsortium um die US-Investoren Christopher Flowers und den Investmentfonds Cerberus gehen soll. Damit ist der größte Finanzskandal in Hamburgs Geschichte jedoch nicht beendet.

von Norbert Hackbusch

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Warum sprechen wir von dem „größten Finanzskandal in Hamburgs Geschichte“?

Prof. Nickel kommt zu dem Ergebnis von 17, 9 Mrd. Euro Kosten seit 2009. Damit sind die hohen Kosten der Vernichtung des Eigenkapitals der HSH Nordbank von mindestens weiteren 10 Mrd. Euro nicht berücksichtigt. Wenn man davon 1 Milliarde Euro Privatisierungserlöse abrechnet, ergibt sich ein Verlust von über 16 Milliarden Euro. Das bedeutet umgerechnet 20 Elbphilharmonien – oder die materiellen Kosten von 12 Flutkatastrophen 1962 (in heutigen Preisen).

Wer trägt die Verantwortung für den Skandal?

Gegenwärtig heißt es oft, der Senat „könne halt nicht mit Geld umgehen“. Doch das ist eine grobe Fehlinterpretation dieses Skandals. Seit 2001 war es das große Bestreben der Landesregierungen in Hamburg und Schleswig-Holstein, die neu geschaffene HSH Nordbank von den „Zwängen der Landesbank“ zu befreien und über die Privatisierung zu den großen Investmentbanken der Welt aufzusteigen. Dafür wurde das Geschäftsmodell verändert, 25 Prozent der HSH wurden an den Finanzinvestor Flowers verkauft und ihr Börsengang vorbereitet.  Für diesen Privatisierungsschritt wurden die günstigen Bedingungen der Gewährleistung voll ausgeschöpft. So wurde etwa kräftig in amerikanischen Derivaten investiert, die Schiffsfinanzierung aufgebläht, sogar höchst zweifelhafte Cum-Ex-Geschäfte wurden für die Ausplünderung der deutschen Steuerbehörden organisiert. Motoren waren vor allem die Bankvorstände selbst – kräftig unterstützt vom Hamburger Senator Peiner, der dabei auf die Beihilfe von Mitgliedern der Landesregierung im Aufsichtsrat der Bank zählen könnte und  von allen (damaligen) Parteien in den Parlamenten unterstützt wurde.

Warum wurden die Verantwortlichen nicht zur Verantwortung gezogen?

Noch stehtein Protest gegen einzelne Vorstände der HSH Nordbank aus wegen undurchsichtiger Derivat-Geschäfte in den USA (Omega 55). Doch selbst wenn hier zu einer Verurteilung kommen sollte, sind damit nicht alle Verfehlungen bestraft. Diese Verfehlungen wurden durch keinen Aufsichtsrat durchgeführt oder eingefordert, ebensowenig direkt durch die Eigentümer Hamburg und Schleswig Holstein – und auch die Staatsanwaltschaft in Hamburg wurde nicht aktiv. Eine ordentliche Abwicklung der Bank nach dem Sanierungs- und Abwicklungsgesetz – spätestens im Jahre 2013/2014! – hätte auch die juristische Aufarbeitung möglich und notwendig gemacht. Wir befürchten, dass dies ein wesentlicher Grund dafür war, dass das Gesetz nicht angewendet wurde.

Wäre eine solche Abwicklung der Bank nicht viel teurer geworden?

Senator Tschentscher verweist in diesem Zusammenhang gern auf die Gewährträgerhaftung, die im Jahre 2008 noch über 60 Milliarde Euro betrug und erst zum 1. Januar 2014 von über 30 Milliarden auf 3 Milliarden reduziert wurde. Er nennt das eine Erfolgsgeschichte des Hamburger Senats. Der Bankenexperte Prof. Hellwig hat jedoch bereits 2013 darauf verwiesen, dass eine Abwicklung bezüglich dieser Fragestellung neutral ist, wenn genug Erträge auf die Aktiva der Bank anfallen, welche die garantierten Verbindlichkeiten der  Länder bedienen können. 

Dementsprechend ist es interessanter, die Einschätzungen bezüglich der Ziehung der Garantie genauer anzusehen. 2013 gab der Senat an, dass von der Garantie lediglich 1,3 Milliarden Euro im Jahre 2025 gebraucht würden. 4 Jahre später verkündeten die Bank und ihre Eigentümer, dass die vollen 10 Milliarden Euro schon 2018 nötig wären. Sprich: Die Situation hat sich in den letzten 4 Jahren unter der Verantwortung von SPD und Grünen um ca. 8 Milliarden. Euro verschlechtert (wenn 1 Milliarde Euro an Privatisierungserlöse abgezogen werden).

Wie konnte das passieren?!

Der Senat hat im Jahre 2013 mit den Vorständen der Bank darauf gewettet, dass die Schifffahrtskrise 2015 überwunden sein wird. Diese falsche Vorhersage wurde schon damals von vielen Experten als falsch angesehen – und kostete Milliarden.  In der Zwischenzeit wurde eine Bank weitergeführt, die kaum Neugeschäft generieren konnte, im Schifffahrtsmarkt auf eine Markterholung wettete und für Vorstände und Personal jährlich hunderte Millionen Euro verbrauchte. Als wäre das nicht genug, wurde ein Berater- und Rechtsanwaltsstab um die Bank gelegt, der noch einmal Dutzende von Millionen verbrannte.

Die Rolle des jetzigen Vorstandsvorsitzenden der HSH Nordbank, Stefan Ermisch, der dem Vernehmen nach den gleichen Posten bei der nun bald privatisierten Bank übernehmen soll, äußerst fragwürdig. Ermisch wurde von den Eigentümern beauftragt, die Privatisierung der Bank im Interesse der Eigentümer vermögensschonend durchzuführen. Doch sein Interesse als neuer Vorstandsvorsitzender ist, möglichst viel Eigenkapital für die neue Bank zu aquirieren (sprich den Verkaufsprozess zugunsten der zukünftigen Bank zu organisieren). Der Senat hat bisher nicht darstellen können, wie er diesen Interessenkonflikt in der Zusammenarbeit mit Ermisch  geregelt hat.

Und nun?

Wir haben den Eindruck, dass sich der Hamburger Senat von den Bankern, den Beraterstrukturen und interessierten Kreisen der Hamburger Reeder zu einer Weiterführung der Bank überreden ließ. Nach dem Privatisierungswahn wurden die Kosten für die Eigentümer –Hamburg und Schleswig Holstein – somit noch einmal kräftig erhöht haben. Und die juristische Aufarbeitung dieses Skandals wird wieder mal verhindert.

Schon 2014 war der Zeitpunkt für eine ordentliche Abwicklung der Bank gekommen – doch dieser wurde verpasst. Jetzt sollte in Ruhe geprüft werden, ob und inwiefern eine Abwicklung trotzdem noch die günstigste Variante sein kann. Die Fraktion DIE LINKE behält dies in ihrer parlamentarischen Oppositionsarbeit im Auge. 

 

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