Von Heike Sudmann

Seit in einer Umfrage HamburgerInnen das Thema Verkehr zum drängenden Problem erklärt haben (siehe weiter oben), zeigen sich interessante und auch skurrile Entwicklungen bei den anderen Bürgerschaftsfraktionen. Was gestern noch abgelehnt wurde – auch und gerade wenn es um Anträge der LINKEN ging –, wird heute zum eigenen Erfolgsthema stilisiert. So sehr es mich freuen würde, wenn es in Hamburg endlich eine Verkehrswende gäbe, so skeptisch bin ich bei diesen Wahlkampfversprechen.

HVV-Fahrpreise

Ende 2018 hatte DIE LINKE (zum wiederholten Mal) beantragt, dass

  • die morgendliche Sperrzeit der SeniorInnentickets aufgehoben wird,
  • mit dem SeniorInnenticket kostenfrei bis zu drei Kinder mitgenommen werden dürfen,
  • nicht nur die SeniorInnen in der Grundsicherung, sondern alle Sozialkartenberechtigten kostenfrei Bus und Bahn nutzen dürfen;
  • SchülerInnen, Auszubildende und Studierende den HVV kostenfrei nutzen dürfen;
  • zeitgleich zu einem massiven Ausbau des Bus- und Bahnangebots in Hamburg die Fahrpreise für alle anderen im ersten Schritt gesenkt werden und im 2. Schritt das Wiener Modell mit dem 365-Euro-Jahresticket in Hamburg eingeführt wird.

Unsere Anträge wurden von allen anderen Parteien abgelehnt.

Doch neues Jahr, neues Glück. Zuerst überraschte die rot-grüne Bürgerschaftskoalition mit einem Antrag zum Wegfall der Sperrzeiten für SeniorInnen ab 2020. Dem folgte der Antrag für die Senkung der Fahrpreise für Auszubildende.

Ende März war dann der HVV Thema des Landesparteitages der SPD. So forderten etliche Delegierte, u.a. der frühere Parteichef und jetzige Vorsitzende des Haushaltsausschusses der Bürgerschaft, Mathias Petersen, eine Einführung des 365-Euro-Jahrestickets. Eine Mehrheit gab es dafür nicht. Beschlossen wurde laut Pressemitteilung der SPD vom 30. März ein „Hamburg-Tarif – Einheitlich, verständlich, fair und bezahlbar … Zu Beginn der nächsten Legislaturperiode wird das HVV-Jugendticket eingeführt. Geplant ist ein gemeinsames Tarifangebot für Schülerinnen und Schüler, Fach- und Berufsschüler und Auszubildende, das es ermöglicht ab 365 Euro im Jahr, im HVV-Großbereich mobil zu sein. Das HVV-Jugendticket ergänzt das Semesterticket, das bereits jetzt für Studentinnen und Studenten gilt.“

Die CDU, die zusammen mit den Grünen die jährliche Fahrpreiserhöhung des HVV auf den Weg gebracht hat, will nun „nur noch“ eine jährliche Steigerung in Höhe der Inflationsrate. Nachdem der grüne Umweltsenator im Januar unter der Überschrift „Steig um“ AutofahrerInnen, die ihr Auto drei Monate lang stehen lassen, mit 400 Euro monatlich belohnt (s. „BürgerInnenbrief“ im Januar 2019, S. 10), setzt die CDU jetzt noch einen drauf: AutofahrerInnen, die ihr Auto abmelden, bekommen dafür zwei Jahre lang ein HVV-Jahresticket für 365 Euro. Autofahren lohnt sich eben doch. Wer hingegen umweltbewusst seit Jahren den HVV nutzt, bekommt nichts geschenkt.

Fünf-Minuten-Takt? Oder doch nur Hamburg-Takt?

Liebe Leserinnen und Leser, seid ihr/sind Sie auch auf den geschickten Marketing-Trick der SPD hereingefallen? Auf ihrem bereits erwähnten Landesparteitakt Ende März hat die SPD Hamburg die Einführung eines sog. „Hamburg-Takts“ für 2029 beschlossen. „Innerhalb von fünf Minuten soll jede Hamburgerin und jeder Hamburger ein passendes öffentliches Mobilitätsangebot erreichen.“

Als heutige Regierungspartei ein Versprechen für zehn Jahre später zu machen, mutet schon seltsam an. Doch viel interessanter ist, was die SPD nicht beschlossen hat: Nicht der HVV soll den 5-Minuten-Takt sichern, sondern die Shuttle-Services neuer Mobiltätsanbieter wie MOIA und ioki. Und für diese müssen die HVV-KundInnen schon heute zuzahlen. Statt das HVV-Angebot auszubauen will die SPD Privatunternehmen wie der VW-Tochter MOIA einen Absatzmarkt sichern. Bei diesem Stückwerk ist es kein Wunder, dass der rot-grüne Senat keinen Verkehrsentwicklungsplan für eine zukunftsfähige und nachhaltige Mobilität in der Stadt vorlegen kann oder will.

Radverkehr – Fahrradstadt Hamburg nicht in Sicht

Der ADFC hat Anfang April die Hamburger Ergebnisse des bundesweiten „Fahrradklima-Test 2018“ vorgestellt (siehe auch oben). Demnach hat sich die Gesamtnote für das Radfahren in Hamburg weiter verschlechtert, von 4,19 auf 4,21 („ausreichend“). Das Fahrrad- und Verkehrsklima ist von der Note 3,7 im Jahre 2014 auf 4,0 in 2018 gesunken. Das Sicherheitsgefühl ist wie 2016 auch in 2018 mit 4,7 sehr schlecht bewertet.

Die schlechten Ergebnisse sind für mich der traurige Beleg, dass Radfahren in Hamburg immer noch nicht vergnügungssteuerpflichtig ist. Der von den Grünen sich selbstverliehene Titel „Fahrradstadt Hamburg“ ist eine reine Schutzbehauptung. Damit soll von der unvermindert autofixierten Politik des Senats abgelenkt werden. Hamburg braucht endlich eine Umverteilung des Straßenraums zugunsten der umweltfreundlichen Verkehrsmittel. Mit richtig breiten Radstreifen statt Schmalspurausgaben, die vielen Angst machen. Und ganz ohne Frage braucht Hamburg die flächendeckende Einführung von Tempo 30 – für mehr Sicherheit und weniger Lärm.

 

Dieser Artikel ist im  BürgerInnenbrief von Christiane Schneider und Heike Sudmann erschienen. Alle BürgerInnenbriefe der letzten Jahre können Sie hier einsehen. Wenn Sie den BürgerInnenbrief per E-Mail beziehen möchten, schicken Sie eine Mail an urvxr.fhqznaa@yvaxfsenxgvba-unzohet.qr oder puevfgvnar.fpuarvqre@yvaxfsenxgvba-unzohet.qr.