Was fehlt in der Flüchtlingsarbeit? DIE LINKE diskutiert mit Aktiven und Geflüchteten

Ohne das Engagement der vielen Freiwilligen könnten Flüchtlinge in Hamburg kaum versorgt werden. Doch mit welchen Herausforderungen sind die FlüchtlingshelferInnen konfrontiert? Was funktioniert gut, wo bestehen Defizite? Und wie kann DIE LINKE in Zusammenarbeit mit der Solidaritätsbewegung dazu beitragen, die Situation Geflüchteter zu verbessern?

Diese Fragen wurden auf dem „flüchtlingspolitischen Hearing“ diskutiert, zu dem wir HelferInnen und Geflüchtete am 13. November eingeladen haben. Die Schwerpunktthemen: Unterbringung, Gesundheit und Bildung. Hier stellen wir die Ergebnisse vor. 

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Vorwort von Christiane Schneider, flüchtlingspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE:

13700_509822455822147_4205482784428603748_n Täglich kommen mehrere hundert Flüchtlinge nach Hamburg. Viele davon bleiben nur bis zu Registrierung, viele durchlaufen ihre Asylverfahren hier, viele werden auf lange Jahre oder für immer hier bleiben. Daraus ergeben sich eine ganze Reihe neuer Herausforderungen und Aufgaben für die Stadtgesellschaft. Kurz-, mittel- und langfristige Veränderungen müssen jetzt gefunden, vorbereitet und durchgeführt werden. Seit Monaten merken wir: Die Verantwortlichen der Stadt sind überfordert. Und: Ohne das große solidarische Engagement Tausender Menschen liefe nichts in Hamburg. Für uns als Fraktion ist Flüchtlingspolitik zu dem Schwerpunkt geworden. Als Kraft der Opposition fühlen wir uns verantwortlich, Vorschläge und Forderungen für solidarische Lösungen der kurz-, mittel- und langfristigen Aufgaben zu entwickeln. Für uns ist es selbstverständlich, dass wir das nur im Austausch mit der Solidaritätsbewegung und natürlich mit Geflüchteten selbst leisten können. Deshalb heute das Hearing. Wir wollen anhören, was Fachleute der solidarischen Unterstützung aus ihrer Erfahrung heraus für wichtig und notwendig halten. Wir werden heute also im Wesentlichen zuhören und lernen.

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Zur Vermeidung von Missverständnissen möchte ich darauf hinweisen: Wir können Vorschläge und Forderungen – und seien sie noch so einleuchtend und dringend – NICHT umsetzen. Wir sind nicht die Exekutive, wir bilden nicht die Mehrheit in der Bürgerschaft, wir sind Opposition, und dazu eine relativ kleine Opposition. Was wir aber tun können: Anträge formulieren und so Forderungen nicht nur in die parlamentarische Debatte, sondern darüber auch verstärkt in die öffentliche Debatte tragen. Ab und zu erleben wir, dass einige Forderungen, die vorher vehement abgelehnt wurden, dann doch aufgegriffen werden. Wir können außerdem Anfragen stellen und so bei der Beschaffung von Informationen helfen. Wir können also die eine oder andere Unterstützung leisten. Was wir heute und in Zukunft wollen, das ist lernen und unterstützen; ohne jemanden zu vereinnahmen. Dieses Hearing soll ein Baustein dazu sein.

   1: Unterbringung

Worüber wurde diskutiert? Christiane Schneider und Surya Stülpe fassen die Ergebnisse aus der Diskussion in einem detaillierten Nachbericht zusammen – hier zum Nachlesen.

Die Kritik:

  • u.a. katastrophale Zustände in den Zentralen Erstaufnahmeeinrichtungen (ZEA’s)
  • Rückstau durch schleppende Vermittlung in Folgeunterkünfte
  • schlechte Kommunikation und schlechte Koordination der Angebote mit dem Unterkunftsbetreiber fördern&wohnen (f&w)
  • Repressionen gegenüber Ehrenamtlichen

Die Forderungen:

  • Auswertung und Dokumentation des Lagerlebens, um Misstände aufzuzeigen
  • erleichterter Zugang der Geflüchteten zur Hamburger Beratungslandschaft
  • offene, selbstverwaltete Räume für Geflüchtete

   2: Gesundheit

Deniz Celik, gesundheitspolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE, war vom solidarischen Engagement für Geflüchtete beeindruckt: „Ich habe das Gefühl, dass ich mich nach dem Gespräch mit den Helfenden viel besser in ihre jeweilige Situation hinein versetzen kann.“ Deniz Celiks Nachbericht zur Diskussion um Gesundheitsversorgung für Geflüchtete gibt es hier zum Nachlesen. 

 Die Kritik:

  • Mangelhafte, strukturelle Gesundheitsangebote, die für Geflüchtete oft unerreichbar sind und schlicht nicht ausreichen

Die Forderungen:

  • gesundheitsförderliche und -schützende Angebote innerhalb der Unterkünfte
  • Toiletten und Waschgelegenheiten
  • Raum für Rückzug und Regeneration.

3: Bildung 

Sabine Boeddinghaus (bildungspolitische Sprecherin der Fraktion), Ronald Prieß und Sven Ihling haben die Ergebnisse der dritten Arbeitsgruppe zusammengefasst – hier zum Nachlesen. 

Die Kritik:

  • die Kommunikation zwischen Behörden und einzelnen Einrichtungen (Kitas, Schulen, Trägern) ist mangelhaft
  • generell geringe Bereitschaft der Behörden, Defizite abzubauen
  • AnsprechpartnerInnen sind überlastet oder nicht erreichbar
  • seelische Traumata der Geflüchteten werden kaum beachtet und aufgearbeitet
  • Die Qualifikation von LehrerInnen mit Deutsch als Zweitsprache (DAZ) verläuft sehr schleppend
  • Berufsschulbildung ist unzureichend, garantiert keine vernünftige Ausbildung
  • standortnahe Beschulung funktioniert selten
  • zu wenig städtisches Engagement für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge

Die Forderungen:

  • Aufstocken finanzieller Ressourcen
  • bessere Arbeitsbedingungen für Bildungsakteure schaffen
  • angemessene Personalressourcenpolitik
  • Angebote der offenen Kinder- und Jugendarbeit stärken
  • bedarfsgerechter Ausbau und Fortbildung von Fachkräften
  • Kitagutscheine sollten nicht erst mit Bestehen einer Wohnung verteilt werden
  • ausgewogenere Verteilung Geflüchteter auf die Bezirke, um standortnahe Beschulung zu ermöglichen

Fotos: Fraktion DIE LINKE / Philipp Nowack