Die 12 Abgeordneten der Hamburger Linksfraktion
Linksfraktion im Sommer 2022

Ein besseres Leben. Für Alle. Unsere Halbzeit-Bilanz

Es waren Monate und Jahre im Zeichen der Pandemie: Corona hatte die Stadt fest im Griff und bestimmte auch die Inhalte der LINKEN in der Bürgerschaft: Wie muss ein verantwortungsvoller Umgang mit dem Virus aussehen, wie können die Folgen des andauernden Ausnahmezustands aufgefangen werden – ohne bleibende soziale Schäden in einer Stadt, die vorher schon von zunehmender Armut und sozialer Spaltung bestimmt war? Die Linksfraktion hat sich hier mit einer Vielzahl von Vorschlägen eingebracht.

Die Wahl vom 23. Februar brachte der Hamburgischen Bürgerschaft eine rot-grüne Zweidrittelmehrheit. Pandemiebedingt erst vier Monate nach der Wahl legten SPD und Grüne im Juni 2020 ihren Koalitionsvertrag vor und stellten ihn in der Bürgerschaft zur Diskussion.

Die zentrale Kritik der LINKEN war und ist hier der grundsätzliche Finanzierungsvorbehalt, unter den nahezu alle Maßnahmen gestellt wurden. Begründet wurde dies mit den Corona-Milliarden – Hintergrund ist aber vor allem die unverantwortliche Schuldenbremse, die ab 2023 wieder greifen soll. Unvermeidliche Folge: notwendige Investitionen in die Bekämpfung der Armut, in gute Arbeit, eine gute Gesundheitsversorgung für alle, den Ausbau der sozialen Infrastruktur und eben auch eine sozial-ökologische Transformation bleiben aus. Wir haben von Anfang davor gewarnt, dass dies Sprengstoff für den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft birgt und das Fundament einer lebendigen Demokratie untergräbt. DIE LINKE will eine gerechte Stadt – während der Pandemie genau wie nach der Pandemie: Das Geld ist da, der Reichtum ist in der Hand einiger weniger und er muss umverteilt werden: Wir fordern eine einmalige Vermögensabgabe und die Wiedereinführung der Vermögenssteuer.

Praktisch die ganze bisherige Legislaturperiode stand unter dem Eindruck von Corona. Von Anfang an haben wir viele Maßnahmen des Senats zur Bekämpfung der Pandemie konstruktiv unterstützt. Forderten aber zugleich Transparenz, Beteiligung, Mitsprache und eine ernstzunehmende Debatte außer- und innerhalb des Parlaments über getroffene Maßnahmen. Denn das hat Rot-Grün von Anfang an vermasselt: Der Senat regierte isoliert und ohne Rücksprache mit gesellschaftlichen Gruppen, verkündete getroffene Maßnahmen allwöchentlich auf Pressekonferenzen und ließ bereits geltende Maßnahmen nachträglich und eher nebenbei in der Bürgerschaft und ihren Ausschüssen debattieren. Dass das nicht reicht und ganze Bevölkerungsgruppen dabei aus dem Blick gerieten, haben wir schon sehr früh kritisiert. Unser Vorschlag: ein Corona-Rat, in dem der Senat sich regelmäßig mit Parteien, Verbänden und der Zivilgesellschaft zusammensetzt und gemeinsam Lösungen findet.

Rot-Grün hat dies verweigert und die Anträge der demokratischen Oppositionsparteien allesamt abgelehnt. Dies war und blieb ein schwerer Fehler – es hätte so vieles zu besprechen gegeben. Die Auswirkungen der Maßnahmen gegen die Pandemie auf das gesellschaftliche Leben waren dramatisch: Viele Betriebe, Gewerbetreibende, Kulturschaffende und Soloselbstständige gerieten in Existenznot, Kinder, Jugendliche, Eltern, Lehrkräfte, Pädagog:innen und Erzieher:innen gerieten an ihre Belastungsgrenze, Ärzteschaft und Pflegepersonal waren überfordert – und dazu kam der enorme Zoll, den Corona auch in Hamburg forderte: Die Zahl der Verstorbenen ist bedrückend hoch. Corona legte eine ganze Reihe schwerer politischer Fehler offen, unter denen unsere Gesellschaft seit langen Jahren leidet: etwa die Kürzungen im öffentlichen Gesundheitsdienst, die Fallpauschalen in den Krankenhäusern und die soziale Spaltung in Bildung, Ausbildung und der Gesundheitsversorgung.

Und natürlich ging es auch ums Geld: Erst hatten sich die Haushaltsberatungen für den Doppelhaushalt 2021/22 verschoben wegen der verspäteten Einsetzung des Senates, dann standen sie unter dem Eindruck der Corona-Folgen und der hohen finanziellen Aufwendungen, die in vielen Bereichen nötig waren. Haushaltsberatungen finden in der Öffentlichkeit und auch in den Medien oft wenig Resonanz, doch gehen diese Themen ans Eingemachte für unsere Stadt.

Und hier hatten wir als Linksfraktion dann auch den größten und entscheidenden Dissens mit dem Senat: Unsere politischen Forderungen basieren auf einer völlig anderen und viel verantwortungsvolleren Finanz- und Steuerpolitik:

  • Wir wollen den Reichtum von Oben nach Unten verteilen
  • Wir wollen die Vermögenssteuer wieder auflegen, die für Hamburg allein jährlich rund 1,5 Milliarden Euro erbringen würde
  • Wir fordern eine einmalige Vermögensabgabe zur Kompensation der enormen Corona-Belastungen. Die Tilgung der Lasten zur Bewältigung der Pandemie obliegt selbstverständlich und in allererster Linie den Reichen und Superreichen, die oft in der Pandemie ihr Vermögen noch deutlich steigern konnten.

Der Knackpunkt ist die Schuldenbremse: Zwar wurde sie wegen Corona vorübergehend ausgesetzt, doch alle anderen Bürgerschaftsfraktionen außer den LINKEN wollen sie so schnell wie möglich wieder einsetzen. Die Folgen für unsere Stadt werden dramatisch sein und den sozialen Frieden weiter untergraben. DIE LINKE hat sich stets gegen diese Kürzungspolitik gewendet. Und wird auch in Zukunft die Festschreibung der Schuldenbremse im Grundgesetz und in Hamburgs Verfassung entschieden bekämpfen.

Unser Fazit nach zweieinhalb Jahren: Die Regierungsfraktionen reden oft schön. Aber sie handeln nicht. Das ist mutlos und unverantwortlich vor dem Hintergrund der bestehenden Herausforderungen. SPD und Grüne definieren die Bedarfe der Stadt nach dem Deckel, den sie selbst ohne Not auf den Haushaltstopf gelegt haben. Damit wird Hamburg in Zukunft noch weniger in der Lage sein, der Bildungsungerechtigkeit entschieden entgegenzutreten, die Armut und Arbeitslosigkeit zu bekämpfen, allen Kindern und Jugendlichen bestmögliche Chancen zu eröffnen, Arbeit gut und gerecht zu entlohnen, den Älteren eine Rente in Würde zu sichern, eine gute und verlässliche Gesundheitsversorgung für Alle in öffentlicher Hand zu sichern, allen, die sie brauchen, eine leistbare Wohnung zur Verfügung zu stellen, die für das Klima bitter nötige Mobilitäts- und Verkehrswende einzuleiten und das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen. Ganz klar: Dies sind die wirklichen Probleme, vor denen die Stadt steht, hier wollen wir als Linksfraktion ansetzen, eine neue Politik einfordern und das bessere Leben ermöglichen – für wirklich alle.

Rot-Grün will das nicht – und ändert deshalb auch nichts an der bisherigen Politik. Damit wird dann der nächste Doppelhaushalt 2023/2024 für uns ein ganz entscheidendes Thema der Auseinandersetzung werden: Wir wollen einen Haushalt zugunsten der Benachteiligten, der weniger Lauten und Sichtbaren und damit zugunsten der sozialen Gerechtigkeit. Für uns gehören der sozial-ökologische Umbau unserer Gesellschaft, der Ausbau der sozialen Infrastruktur und der Stärkung und Absicherung aller Bereiche der öffentlichen Daseinsvorsorge zwingend zusammen.

Olaf Scholz hat seinen Bundestagswahlkampf 2021 unter Verweis auf seine vermeintlich erfolgreiche Regierungszeit in Hamburg geführt. Dies wurde in der Öffentlichkeit nur sehr selten hinterfragt. Doch es war Unsinn. Ein Beweis ist die Wohnungspolitik: Niemand bestreitet ernsthaft, dass der soziale Wohnungsbau im ganzen Land massiv verstärkt werden muss. Scholz verweist hier auf das Hamburger Konzept eines Drittelmixes, den er gemeinsam mit den Wohnungsunternehmen im „Bündnis für das Wohnen“ entwickelt hatte. Doch dieses vermeintlich bahnbrechende Hamburger Konzept ist längst gescheitert – mit dramatischen Folgen für alle Hamburger:innen: Immer weiter steigende Mieten und immer weniger bezahlbare Wohnungen sind der „Erfolg“ der SPD-Politik. Die Linksfraktion hatte diesen Ansatz von Anfang an kritisiert und das Versagen detailliert belegt.

Und auch die gründlich missratene Olympiabewerbung und der völlig aus dem Ruder gelaufene G20-Gipfel zeigen: Scholz‘ Ideen haben der Stadt nie gutgetan. Seine Unfähigkeit zur Kommunikation und zur Teamarbeit in der Koalition, aber auch mit der Opposition und der Zivilgesellschaft sind mittlerweile legendär und zeigen sich nun auch sehr deutlich in seiner Amtsführung als Bundeskanzler. Dazu kommt seine notorische Gedächtnisschwäche: Warum die Stadt auf die Rückforderung der Warburg-Millionen verzichten wollte – also die Beute eines beispiellosen Steuerraubs dieser Hamburger Privatbank – und welche Rolle der damalige Bürgermeister Olaf Scholz und der heutige Bürgermeister Peter Tschentscher bei den unsäglichen Entscheidungen des Hamburger Fiskus spielten: Das ist Thema eines Untersuchungsausschusses, den die Linksfraktion gemeinsam mit der CDU eingesetzt hat und in dem wir immer wieder mit hartnäckigen Anfragen die Ermittlungen vorantreiben, während Scholz sich nicht mehr erinnern kann. Oder mag.

All das zeigt: Hamburg kann und darf nicht als Vorbild für eine sozial gerechte Politik auf Bundesebene dienen – weil die Rezepte der Hamburger Sozialdemokrat:innen nicht taugen als Erfolgsgeschichte. Unter der SPD pfeift Hamburgs soziale Infrastruktur und Wohnungspolitik aus dem letzten Loch – während der Bürgermeister im Hinterzimmer mit dem Geldadel der Stadt herumklüngelt.

Wir bauen auf eine völlig andere Politik. Und wir haben uns vielfältig eingebracht. Konstruktiv, wo es die Pandemie erforderte. Radikal, wo der Senat den Zusammenhalt in unserer Stadt gefährdet, Und wir haben unsere Vorschläge zuvor intensiv mit Verbänden und den Handelnden der Zivilgesellschaft abgestimmt: Eine kluge LINKE Politik geht nur mit den Menschen – auch in der zweiten Hälfte der Legislatur werden wir nicht lockerlassen, werden von Rot-Grün eine soziale und klimagerechte Politik einfordern.

So setzen wir der völlig überteuerten und klimaschädlichen U5 die weitaus umweltfreundlichere, preiswertere und schneller zu realisierende Straßenbahn entgegen. Zur Aufarbeitung der Pandemie und ihrer Folgen in allen Lebens- und Arbeitsbereichen wollen wir eine Enquetekommission einsetzen – und so bei künftigen Pandemien sicherstellen, dass unsere Stadt bestmöglich aufgestellt ist. Wir ringen um mehr Bildungsgerechtigkeit, gerade vor dem Hintergrund der massiven Folgen der Pandemie für die jungen Menschen, die noch Jahre nachwirken werden. Daher fordern wir für Hamburgs weiterführende Schulen ein zusätzliches Lernjahr: Gymnasien, die sich im Rahmen eines Schulversuches verpflichten, auf das Abschulen nach Klasse 6 zu verzichten, erhalten ein zusätzliches Lernjahr (G9) und mehr personelle und materielle Ressourcen, ebenso wie Stadtteilschulen, die jahrgangsübergreifende Lerngruppen einrichten (G10). Wir fordern eine KiJu-Karte für alle Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre: Sie sollen kostenlos an Kultur, – Sport- und Freizeitaktivitäten teilnehmen, aber auch die Angebote des ÖPNV nutzen können. Um die Stadtteile südlich der Elbe endlich besser anzubinden, fordern wir eine westliche Elbquerung. Und wir schlagen einen Energiekostenfonds nach Münchner oder Berliner Vorbild vor, um auch in unserer Stadt einer drohenden Energiearmut durch drastisch gestiegene Preise und Inflation wirksam entgegen wirken zu können. In einen solchen Fonds fließen dann auch die Überschüsse der Hamburger Energieunternehmen. Und selbstverständlich gilt weiterhin das strikte Verbot von Strom- und Gassperren.

Für ein besseres Leben, für alle.