Können wir die kulturellen Schätze in den Museen dieser Stadt nutzen?
BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG
- Sitzung
Mittwoch, 2. Juni 2010
Können wir die kulturellen Schätze in den Museen dieser Stadt nutzen?
– Drs 19/6246 –
Norbert Hackbusch DIE LINKE:
Herr Präsident, meine Damen und Herren!
Die letzten Wochen waren für die Hamburger Kulturlandschaft und vor allen Dingen für die Hamburger Museumslandschaft dramatisch. Jeder, der die Zeitung gelesen hat, hat sich darüber wundern können, dass Woche für Woche neue, negative Informationen über die Museumslandschaft bekannt geworden sind. Ich will einige davon nennen.
Im Februar beschlossen die Direktoren der Stiftung Hamburgische Museen, dass das Hafenmuseum in diesem Jahr nicht mehr geöffnet werden soll. Glücklicherweise wurde das nicht Realität, aber wir, auch im Kulturausschuss, wissen bis heute nicht, wie stattdessen die Einsparungen erfolgen sollen.
Im März gab es einen Aufschrei im Harburger Museum. Die „Harburger Anzeigen und Nachrichten“ berichteten darüber, dass das Museum und sein Direktor – sie nannten es abgewatscht worden sind von der Kulturbehörde – nicht mehr in der Lage seien, ihre Aufgaben richtig zu erfüllen.
Im März gab es ebenfalls Gerüchte, die noch nicht wirklich verstummt sind, dass das Museum für Arbeit vielleicht geschlossen werden solle oder strategisch eventuell nicht mehr aufrechterhalten werden solle, sondern stattdessen an dieser Stelle das lang geplante zentrale Depot gesucht werde. Dazu haben wir immer noch keine klare Information.
Christi Himmelfahrt begann die Diskussion über die Schließung der Galerie der Gegenwart, sicherlich allen in diesem Haus, die jetzt noch hier sitzen, bekannt. In der Diskussion wird deutlich, wie groß hier die Irrungen und Wirrungen sind, die ich alle gar nicht nachvollziehen will.
Vor zehn Tagen hatten wir die Diskussion, dass der Direktor des Altonaer Museums gesagt haben soll, wenn es so weiterginge, müsse er das Haus für zweieinhalb Jahre schließen.
Meine Damen und Herren! Eine solche Ballung negativer Neuigkeiten und negativer Berichterstattung über die schlechte Situation der Hamburger Museen haben wir lange nicht gehabt. Ich möchte mit Ihnen auch nicht über die einzelnen Beispiele diskutieren, das haben wir lange genug im Kulturausschuss getan.
Das Interessante und Wichtige ist hier, dass die Summe zeigt, dass es sich um ein strukturelles Problem der Museen handelt und dass wir das dementsprechend auch strukturell diskutieren müssen. Das will ich Ihnen anhand eines Beispiels klarmachen, das gern von Schwarz-Grün als ein Musterbeispiel genannt wird, und zwar das Museum für Kunst und Gewerbe.
Wir hatten im Kulturausschuss eine Anhörung im Zusammenhang mit der Situation der verschiedenen Museen, bei der die Direktorin, Frau Dr. Schulze, uns aufgezeigt hat, wie dort die Situation ist. Sie führte dort aus, wenn ich zitieren darf:
„Die Stadt gibt sehr viel Geld zurzeit aus, um das Gebäude zu sanieren, aber […] es fehlt das Geld, die Abteilungen nach der Sanierung wieder einzurichten. Und das ist ein großes Problem von uns, ein Drittel der Sammlungsbestände sind zurzeit geschlossen. Die Sanierung ist abgeschlossen, aber wir haben nicht die Mittel, die Exponate wieder aufzustellen.“
Ich will Ihnen das Beispiel nennen, damit wir jetzt nicht die einzelnen Fragestellungen diskutieren, sondern damit wir merken, dass es hier eine strukturelle Unterfinanzierung der Museen gibt. Wir haben tolle Exponate, wir haben tolle Museen, aber sie werden zu einem großen Teil gegenwärtig nicht richtig präsentiert und das steht in der Verantwortung der Kulturbehörde und ihrer Senatorin.
Darauf gibt es immer wieder die stoische Antwort, dass man doch ein Expertengutachten bekommen habe und hier gesagt werde, es sei auskömmlich finanziert. Dieses Wort auskömmlich benutzt Herr Dr. Hill am meisten, alles andere diskutiere er nicht, Frau Senatorin benutzt es nicht ganz so häufig. Auskömmlich bedeutet für jeden, der ins Museum kommt, dass die Sonderausstellungen nach der Definition dieser Experten nicht mehr finanziert werden sollen und dementsprechend Museen nicht mehr Sonderausstellungen anbieten können. Das bedeutet jedoch in der Realität, dass alles Lebendige und das Wichtigste an Museen nicht mehr ermöglicht wird.
Frau Dr. Schulze vom Museum für Kunst und Gewerbe sagte, dass 80 Prozent der Besucher wegen der Sonderausstellungen kämen und diese von daher absolut notwendig seien. Das heißt, in dieser Situation verlässt man sich blind auf etwas, das meiner Meinung nach nicht zu akzeptieren ist und das eigentlich nur jemand sagen, der Museen nicht kennt und sie vor allen Dingen auch nicht liebt. Niemand könnte sonst zu solchen Äußerungen kommen.
Das Wichtige hierbei ist, was wir durch die Presse an Vergleichszahlen erfahren haben im Zusammenhang mit anderen Museen. Diese Vergleichszahlen zeigen uns – man kann sie sich auch im Wirtschaftsplan der Hamburger Kunsthalle ansehen –, dass Hamburg im Verhältnis zu anderen großen Museen kein Geldverschwender ist, sondern diesen Zahlen zufolge sogar besonders gut dasteht; wir werden das noch genauer in unseren Auswertungen diskutieren.
Aber nach all den Diskussionen über den Umgang mit Geld und sogenannter Geldverschwendung gibt dieser Vergleich nichts her. Die hierzu genannten Zahlen vermitteln nicht den Eindruck, als seien die Hamburger Museen Geldverschwender, sondern sie zeigen, dass es hier strukturelle Probleme gibt, die anders gelöst werden müssen.
Die Sparüberlegungen zeigen doch eine katastrophale Situation auf und dies können wir diskutieren im Zusammenhang mit den vielen Sparmaßnahmen. Ich will jetzt nicht darüber diskutieren, aber dass allein schon die Überlegung existiert, 200 000 Euro zu sparen und die Galerie der Gegenwart fast ein halbes Jahr zu schließen, ist doch verrückt. Wenn Sparen so aussieht und wir dadurch eine solche Abwärtsspirale in dieser Stadt organisieren, dann ist es wirklich katastrophal, das ist unmöglich. Man kann nicht auf diese Art und Weise sparen, das ist unverantwortlich und schädigt die Stadt nachhaltig.
In diesem Zusammenhang ist eines deutlich geworden: Mittlerweile ist das Verhältnis zwischen der Kultursenatorin, eigentlich der gesamten Kulturbehörde, und den Aktiven in der Hamburger Kultur gestört. Wie kann man sonst solche Kommunikationsprobleme verstehen, wie wir sie gegenwärtig ständig serviert bekommen. Das können keine Einzelbeispiele mehr sein, das kann auch nicht Herr Gaßner sein.
Ich werde keine Einzelbeispiele diskutieren können, da es so viele unterschiedliche Beispiele gibt. Deswegen muss sich die Kulturbehörde an die eigene Nase fassen und sich fragen, wie es passieren kann, dass sie mit allen Aktiven in der Hamburger Kultur solche Schwierigkeit hat.
Es muss uns doch eines klar sein: Nicht die finanzielle Frage hält die Museen und die Kultur lebendig. Entscheidend sind doch beispielsweise Direktoren, die sich intensiv für Kultur einsetzen, Mitarbeiter, die hoch motiviert sind und zahllose Ehrenamtliche, die in den Freundeskreisen den Museen zu Lebendigkeit verhelfen. Entscheidend ist also, was wir mittlerweile in Hamburg aufgebaut haben, und auf diese Struktur können wir in dieser Stadt besonders stolz sein. Das dürfen wir nicht vernachlässigen und das dürfen wir vor allen Dingen nicht so schädigen, wie es gegenwärtig in der Kommunikation geschieht.
Frau Senatorin, hier haben Sie Nachhilfeunterricht zu nehmen. Sie müssen diese Situation verbessern, die in Ihrer Behörde ihre Ursache haben muss.
Als Letztes möchte ich Ihnen sagen, warum die Museen so wichtig geworden sind, denn viele fragen, warum man nicht bei den Museen sparen könne. Dazu etwas Grundsätzliches: Die Museen sind nicht mehr, was sie früher einmal waren, irgendein Platz, wo man sich alte Sachen ansehen kann, sondern sie sind das entscheidende und wichtige Gedächtnis dieser Gesellschaft. Das sind heutzutage nicht mehr die Kirchen, das sind auch keine alten Feudalherren, deren Schlösser man sich ansehen kann, sondern in einer demokratisch strukturierten Gesellschaft sind es die Museen, denn sie sind das Gedächtnis der Gesellschaft.Und wer in diesem Hause kann ohne Gedächtnis existieren, wir als Gesellschaft nicht, Sie als Individuen nicht.
Auch Sie dort hinten nicht, glaube ich jedenfalls, Herr Ohlsen.
Deshalb ist unsere wichtige gemeinsame Aufgabe, unser Gedächtnis zu schützen und weiterzuentwickeln.
– Vielen Dank.