Grußwort von Anja Bensinger-Stolze (Vorsitzende GEW Hamburg)

Grußwort zur Veranstaltung der LINKEN „Alles inklusive – Gerechte Bildung braucht ein inklusives Schulgesetz“ am 25.11.2019, 18.30 Uhr in der Patriotischen Gesellschaft – Anja Bensinger-Stolze

Liebe Sabine Boeddinghaus, herzlichen Dank für die Einladung zur Vorstellung Eures Entwurfs eines inklusiven Schulgesetzes! Vielen Dank auch an die Arbeitsgruppe, die an diesem Entwurf gearbeitet hat!

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,

soweit ich einen Blick in den Entwurf werfen konnte und durfte, wird er auf jeden Fall unsere Diskussion über eine gerechte, inklusive und in die Zukunft führende Bildung in den Hamburger Schulen bereichern und ich hoffe auch neu entfachen. Zunächst war es für mich überraschend mit wie wenig Änderungen und Auslassungen es möglich ist, ein inklusives Schulgesetz zu formulieren. Wir wissen, dass die gesetzlichen Grundlagen nicht immer alles sind, um einem Ziel näher zu kommen. Aber wenn die gesetzliche Verfasstheit nicht die Möglichkeit für eine wirkliche Änderung in Richtung einer gerechten und inklusiven Bildung bietet, bleibt alles andere ein Herumdoktern; jede und jeder für sich und ist am Ende nur Kosmetik. Außerdem bekäme die Hamburger Bürgerschaft durch diese Vorlage die Möglichkeit, sich tatsächlich zu einer inklusiven Bildung in Hamburg zu bekennen.

In dem Entwurf wird versucht das gemeinsame Lernen im eigenen Takt, das Lernen an Grundschulen bzw. Primarstufen und weiterführenden Schulen in einem rhythmisierten Ganztag in Gesetzestext zu fassen. Es geht also wie nebenbei auch um die Aufhebung des im bisherigen Schulgesetz eingemeißelten Zwei-Säulen-Modells. Die Forderung nach Inklusion statt Ausgrenzung findet seinen besonderen Niederschlag in dem Anrecht auf inklusive Bildung für jede und jeden, für alle – sonst wäre es nicht inklusiv. Dabei kann nicht Konkurrenz und Wettbewerb Maßstab sein. Der Entwurf sieht deshalb regelhaft bis Ende der Sekundarstaufe I Lernentwicklungsberichte, aber keine reinen Notenzeugnisse vor.

Allein diese Neuerungen bieten genügend Stoff zur Diskussion, weit über die Schulen hinaus. Eine inklusive Schule ist ein wesentlicher Bestandteil einer inklusiven Gesellschaft. Wenn wir von „Inklusion“ reden, sprechen wir nämlich, wenn wir es ernst meinen, von einem anderem Gesellschaftsmodell, indem alle mit ihren Bedürfnissen, und Fähigkeiten leben können, unabhängig z.B. von Herkunft, geschlechtlicher Selbstzuschreibung, sozioökonomischen Status usw.  Die Bremer GEW hat es in ihrer neuen Stellungnahme zur Lehrer*innenbildung so formuliert: „Eine wahrhaft inklusive Gesellschaft steht dabei in einem notwendigen Widerspruch zum Kapitalismus.“

Aber auch wenn man nicht gleich so hoch greift, bietet der Entwurf für ein inklusives Schulgesetz eine Menge Anregungen für die Diskussion mit jungen Kolleginnen und Kollegen an den Schulen. Genau an dieser Stelle müssen wir wieder ins Gespräch und in den Austausch kommen. Es ist eine Generation von Pädagog*innen, die nicht unbedingt den Gesamtschulgedanken bei einem inklusiven Schulgesetz vor Augen haben. Dies bietet die Möglichkeit noch einmal neu in eine pädagogische Diskussion zu kommen. Wie sieht unser Menschenbild aus? Was verstehen wir unter Allgemeinbildung? Geht es dabei nur um Kompetenzen? Wo soll die Schulentwicklung hingehen?

Deshalb frage ich mich die ganze Zeit, ob es wirklich sinnvoll ist, den Entwurf in die Bürgerschaft einzubringen. Denn wir alle müssen damit rechnen, dass er in Hamburg keine Mehrheit bekommt. Es wäre zu schade, wenn er danach in der Versenkung verschwinden würde.

In diesem Sinne, wünsche ich allen Anwesenden eine produktive Diskussion um das inklusive Schulgesetz!

Vielen Dank.