Hamburg als Konzern: Neues Haushaltswesen dient neoliberaler Neuausrichtung

Seit Herbst 2008 liegt für das Land Hamburg eine die Konzernbilanz vor. Damit sind für die Rechnungslegung transparente Grundlagen vorhanden. Bislang fehlte jedoch die notwendige Integration in die Haushaltsplanung und -bewirtschaftung. In diesen Phasen des Haushaltsprozesses wird nach wie vor kameral, also nach Geldfluss, gesteuert. Jetzt geht es darum, Haushaltsplanung und -bewirtschaftung auf Basis der doppischen Grundsätze so zu gestalten, dass nach Ressourcenverbrauch und nach Wirkungen gesteuert werden kann.

Der finanzpolitische Sprecher Dr. Joachim Bischoff erklärt dazu: „In  der ‚Konzernbilanz‘ der Stadt  werden künftig nicht nur Gesundheit, Bildung oder soziale Sicherheit ökonomisch als Warenverhältnisse behandelt. Hamburgs Senat verkündet die kaufmännische Präsentation des gesamten Gemeinwesens.“ Sie ist verbunden mit dem Versprechen von größerer Transparenz und einer besseren „Steuerung der knappen Ressourcen“. Ähnlich einem privatwirtschaftlichen Konzern soll künftig für das „Unternehmen Hamburg“ (Verwaltung + verbundene öffentliche Unternehmen) Jahresabschlüsse mit einer „Ergebnisrechung“ (Gewinn- und Verlustrechnung) erstellt werden.“Die Stadt wird in ein Unternehmen verwandelt, die „Vermögensmehrung“ zum politischen Ziel erklärt. Die wertmäßige Inventarisierung von Grundstücken, Straßen und Gebäude wie auch der Ausstattung macht natürlich Sinn. Was übrig bleibt an öffentlicher Verwaltung und Dienstleistungen hat sich der Logik privatwirtschaftlichen Denkens zu unterwerfen, muss in der Gewinn- und Verlustrechnung seine „Rechenbarkeit“ nachweisen“, so Bischoff weiter.Nun sind ein Land bzw. eine Stadt  keine Unternehmen. Der Auftrag von Kommunal- und Landespolitik besteht darin, die ökonomische Basis der Stadt zu stärken, eine entsprechende Verwaltung und Infrastruktur zu schaffen und zu erhalten sowie über öffentliche Dienstleistungen und Angebote für die BewohnerInnen der Stadt angemessene Arbeits- und Lebensbedingungen (Wohnungen, Arbeitsmarkt- und Sozialleistungen, Bildung, Kultur) zu gewährleisten und dabei insbesondere auch drauf zu achten, soziale und räumliche Ungleichgewichte auszugleichen. Das Ziel dieser Staatstätigkeiten ist der Ausbau und die Sicherung der Lebensqualität der Bürgerinnen und Bürger. Ihre Resultate bilden sowenig Kapital wie die private Anschaffung eines Autos oder der Bau einer selbstgenutzten Wohnung.Genau so selbstverständlich sollte der effektive und sparsame Umgang mit den von den Bürgerinnen und Bürgern gezahlten Steuern sein. Ergebnisorientierung und Kostencontrolling gehören in jede „Amtsstube“ und jeden öffentlichen Betrieb. Nur: Die Vorgaben für die staatlichen Aufgaben und Dienstleistungen (Wirtschaftsförderung, Wohnen, Infrastruktur, Bildung, Sozialleistungen und Kultur) sowie die Einkommens- und Arbeitsbedingungen der im öffentlichen Dienst Beschäftigten werden politisch entschieden. Die scheinbare Transparenz, die die „Ergebnisrechnung“ verspricht, verschleiert nur die politischen Implikationen. Die „Kosten einer Englischstunde“ etwa hängen ab erstens von den bildungspolitischen Zielsetzungen und zweitens von den Gehältern der Lehrenden. Wenn 40 Lernende unterrichtet werden, ist das natürlich billiger als bei kleineren Klassen. Weitere qualitative Faktoren sind die Ausstattung mit Räumen und Lernmitteln. Lässt man die, wie in Hamburg Realität, von den Lernenden bezahlen, wird das für den Staatshaushalt natürlich „billiger“.Das eigentliche Ziel des CDU-Senats war und ist die radikale Neuausrichtung der Landespolitik und des öffentlichen Sektors in Hamburg im Sinne des neoliberalen Credos: Dies bedeutet praktisch: deutliche Senkung der Sozialleistungen, Vermarktlichung (Privatisierung) öffentlicher sozialkultureller Dienstleistungen und Absenkung des Einkommensniveaus und der Arbeitsstandards der im öffentlichen Dienst Beschäftigten.Die Politik der Privatisierung und der Förderung von Leuchtturmprojekten zulasten der Arbeitsmarkt-, Sozial-, Bildungs- und Kulturpolitik soll noch strikter fortgesetzt werden. Dies immer mit dem Versprechen, dass der Bau von „Kathedralen“ (Hafencity, Elbphilharmonie, Gartenbauausstellung, Sprung über die Elbe und Innenstadtmodernisierung) große Ausstrahlungseffekte auf die Hamburger Ökonomie hervorbringt. Faktisch werden damit aber nur die Interessen der sozial gehobeneren Schichten bedient.