Kultursenatorin ganz „privat“ als Kunstkritikerin – Über Reichtum und Armut redet man nicht
Zu den Versuchen aus der Mitte des Senats heraus, im Umfeld des Theaterstücks „Marat, was ist aus unserer Revolution geworden?“, einen freien Diskurs über die weit offene Schere zwischen Reichtum und Armut in Hamburg zu unterdrücken, erklärt der sozialpolitische Sprecher Wolfgang Joithe:
„Es ist bezeichnend. Ein Senat, der sich gegen einen substanziellen Armuts- und Reichtumsbericht sträubt, kann auch kein Interesse daran haben, dass die Kunst die soziale Schieflage der Hansestadt im Schauspielhaus mit anderen Mitteln anprangert.“
Zwar gibt die parteilose Kultursenatorin von Welck vor, die Nennung der reichsten Hamburger im Epilog des Stückes lediglich „als Bürgerin“ kritisiert zu haben. Dass dies in der Öffentlichkeit und im Ensemble freilich ganz anders verstanden wird, wenn’s rein zufällig aus dem Munde der Bürgerin Kultursenatorin und Aufsichtsratvorsitzenden des Schauspielhauses kommt, liegt nicht nur auf der Hand, sondern hat Methode. Was hier geschieht, ist Klientelpolitik reinsten Wassers, ohne die Redlichkeit zu besitzen, das Kind auch beim richtigen Namen zu nennen.
Tatsächlich ist Hamburg die sozial am stärksten gespaltene Stadt Deutschlands. Dies, weil Armut ein Phänomen ist, das sich relational zum Reichtum verhält. Die meisten Superreichen leben in der Elbmetropole und das europäische Statistikamt (Eurostat) ermittelte, dass Hamburg die viertreichste Europäische Region ist. Zugleich werden rd. 230.000 von Hartz IV-Betroffene wegen staatlich verordneter Armut zunehmend sozio-kulturell ausgegrenzt.
Darüber muss in dieser Stadt offen geredet werden dürfen, frei nach dem Brecht-Zitat:
„Reicher Mann und armer Mann // standen da und sahn sich an. // Und der Arme sagte bleich: // ‚wär ich nicht arm, wärst du nicht reich.'“