Plenarprotokoll 20/64: Elbphilharmonie: Beauftragung von Sachverständigen und Adjudikation

Norbert Hackbusch DIE LINKE: Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Elbphilharmonie in Hamburg ist bundesweit der Inbegriff von Größenwahn und politischer Dummheit geworden,

(Beifall bei der LINKEN)

und das völlig zu Recht. Das Ganze begann damit, dass sich eine Kaste von Leuten überlegt hat, einen elitären Tempel bauen zu wollen.

(Gabi Dobusch SPD: Kaste? Woher kommt denn der Begriff? – Hans-Detlef Roock CDU: Das ist ja nur schwer zu ertragen!)

Es war der Beschluss von Medienvertretern und Politikern, einen tollen Tempel zu bauen, in den nicht viele Leute hineinpassen und wo auch nicht viele hinkommen würden. In Hamburg wurde das deswegen ertragen – und das wurde mehrfach diskutiert –, weil das Ganze nicht so unendlich teuer war, so war doch die Situation. Herr Ole von Beust hat während der Alleinregierung der CDU mehrfach gesagt, dass man keinen höheren Preis durchbekommen hätte; die Stimmung wäre dagegen gewesen.

(Dora Heyenn DIE LINKE: Richtig!)

Das war damals die Begründung. Und jetzt wird die Stadt in den letzten Jahren ausgenommen wie eine Weihnachtsgans. Die Zukunft sieht auch nicht gut aus. Wir haben keine Expertin gefunden, die sagen könnte, wie man ein so hohes Kulturniveau, das beschrieben worden ist, erreichen kann bei einem Eintrittspreis, den sich möglichst viele Leute leisten können, ohne kräftige Zuschüsse organisieren zu müssen. Auch das ist keine gute Zukunftsmusik, und dementsprechend ist die Elbphilharmonie völlig zu Recht ein Wahrzeichen für Größenwahnsinn, politische Unfähigkeit und Opportunismus geworden.

(Beifall bei der LINKEN)

Der einstimmige Beschluss hier in der Bürgerschaft – einstimmig ohne Opposition – ist ein Armutszeugnis gewesen. Ein Parlament muss sich kritisch anschauen, was geschieht, was für Verträge gemacht werden und wie der Weg vorbereitet wird. Auch die Opposition hat strukturell versagt.

(Beifall bei der LINKEN – Dr. Andreas Dressel SPD: Jetzt gibt es ja Sie, Herr Hackbusch!)

– Jetzt gibt es uns.
Ich will Ihnen anhand von Zahlen sagen, was passiert ist, damit man auch genau weiß, was eigentlich die Situation ist. Im Jahre 2005 wurde mit der Machbarkeitsstudie dargestellt, wie viel uns diese große Elbphilharmonie kostet. Das war eine genaue Analyse dessen, was man bauen könnte, und man kam auf 77 Millionen Euro. Dafür sollte man die gesamte Elbphilharmonie bekommen mit der Begründung – und das ist nicht völlig unlogisch gewesen –, dass wir durch das Hotel und die Eigentumswohnungen, die wir zusätzlich bauen, viel Geld einnehmen würden. Deswegen sei es nicht notwendig, viel Geld für die Philharmonie auszugeben. Es gab 2006 den großen, einstimmigen Beschluss in der Bürgerschaft, und es hat eine heftige Debatte gegeben, wieso es solch eine kräftige Preissteigerung gebe. Dann kamen wir auf 143 Millionen Euro; diesen Beschluss hatte ich schon gewürdigt. Im Jahr 2008, als uns versprochen wurde, dass der neue Vertrag in bester Ordnung sei, kamen wir auf 366 Millionen Euro, und am heutigen Tag verlangt der SPD-Senat von uns, 660 Millionen Euro zu akzeptieren. 660 Millionen Euro, das ist fast eine Verzehnfachung, und alle kritischen Fragen sind notwendig.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Hauptproblem für uns ist natürlich das Geld. Und ich möchte die SPD, weil sie eben so kräftig aufgetreten ist und gesagt hat, was man machen könnte, daran erinnern, wie wir im Jahr 2008 gemeinsam argumentiert und gewettert haben – viele werden sich noch daran erinnern können –, dass es nicht angehen könne, dass es eine Einigungssumme von 30 Millionen Euro gäbe und wir nicht wüssten, wofür das Geld eigentlich ausgegeben werde.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Ja, dazu stehen wir auch heute noch!)

Frau von Welck hat nur gesagt, dass das für den tollen neuen Vertrag sei. Wir haben gemeinsam gesagt, dass man nicht einfach 30 Millionen Euro als Einigungssumme bezahlt, und haben zweitens festgestellt, dass die 107 Millionen Euro, die wir zusätzlich geben, dem Grunde und der Höhe nach nicht richtig geprüft worden sind. Das war damals unsere gemeinsame Kritik. Heute will der Senat von uns 195 Millionen Euro und kann diese nur mit der Einigungssumme für einen neuen Vertrag begründen. Das ist genau die gleiche Begründung, die damals Frau von Welck genannt hat.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Nein, das stimmt nicht, das ist falsch!)

Damals haben wir gemeinsam gemeckert, und heute erwarte ich von Ihnen auch eine kritische Haltung dazu.

(Beifall bei der LINKEN und bei Karin Prien CDU)

Sie könnten sagen, dass es Ihnen leid tue und dass das ärgerlich sei, es gehe nicht anders, weil Sie von HOCHTIEF irgendwie erpresst würden – so ist nämlich die Situation. Aber nein, Sie tun so, als sei das Ganze von damals vergessen,

(Dr. Andreas Dressel SPD: Nichts haben wir vergessen!)

und verspielen Ihre politische Glaubwürdigkeit.

(Beifall bei Christiane Schneider DIE LINKE)

Wie kann man als Opposition so etwas sagen und in der Regierung alles Kritische aus dem Kopf streichen. Das geht nicht.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich will versuchen, die Sache mit den Verträgen noch einmal anzusehen, weil das einer der wichtigen Punkte ist, und die Sache mit dem Gutachter, der von der LINKEN bestimmt worden sei und wie es sein könne, dass er für diesen Vertragsentwurf plädiert hat und wir nicht.
Wir haben verlangt, dass einer der wichtigen Schritte, die wir auch aufgrund der Schlussfolgerungen des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses gehen müssen, unabhängige Gutachten sind, sodass wir als Bürgerschaft in der Lage sind, auch von unabhängigen Leuten Stellungnahmen zu bekommen. Das verbessert den gesamten Prozess. Der Senat allein wird nicht in der Lage sein, das vernünftig zu machen. Dementsprechend haben wir diesen Antrag gestellt und uns eine unabhängige Person in diesem Land gesucht, die in der Lage ist, so etwas zu machen. Dabei ging es mir nicht darum, ob die Person meine Meinung vertritt oder Ähnliches. Wie Sie in Schwarz-Weiß-Kategorien zu denken ist uns fremd.

(Beifall bei der LINKEN)

Es ist Ihnen vielleicht nicht klar, dass Opposition ein bisschen komplizierter ist, als Sie sich das denken, und dass es nicht reicht, in hohen Tönen herumzuquietschen und zu sagen, dass das alles nicht gehe. Wir haben durchaus konstruktive Vorschläge.

(Jan Quast SPD: Sie ziehen nur keine Schlüsse daraus!)

Es fällt Ihnen irgendwie schwer, das zu verstehen. Eines der wichtigen Ergebnisse ist, Frau Suding hat das gut dargestellt, dass schon diese Gutachter vor 14 Tagen einiges an Vorschlägen gebracht haben. Selbst dafür lohnt es sich schon. Mir ist es sehr wichtig, dass wir nach den 195 Millionen Euro nicht noch einmal 100 Millionen Euro ausgeben. Ich könnte als Opposition schimpfen, aber das nützt mir gar nichts, denn es ist das Geld, das uns in dieser Stadt fehlt. Ich will daran arbeiten, dass nicht ein Nachtrag 6 mit weiteren Forderungen kommt, und zwar konstruktiv.

(Beifall bei der LINKEN – Matthias Albrecht SPD: Das ist gut!)

Das ist das eine Moment.
Wenn Sie sich noch einmal genau anschauen, was gemacht worden ist, dann haben wir doch folgende Erfahrungen: Alle theoretischen Spezialisten haben gesagt, dass dieser Vertrag toll ist und dass das etwas wird. Die praktischen Spezialisten hingegen haben einvernehmlich gesagt – und deswegen gab es auch den Beschluss im Aufsichtsrat der ReGe –, dass die Erfahrung mit HOCHTIEF sei, dass das nichts werde. Man hätte das böse erfahren und habe lange versucht, in irgendeiner Form mit HOCHTIEF gemeinsam zu bauen, aber das werde nichts. Auch die Theoretiker haben gesagt, dass es nur dann geht, wenn man diesen Vertrag auch gemeinsam lebt. Derjenige, der sich außerhalb des Vertrags stellt, wird es bei jeder Vertragskonstruktion wieder machen können. Das bestimmt unsere Skepsis, die wir gegenwärtig haben, dass die Praktiker sagen, dass das nicht funktionieren wird.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Das stimmt doch so auch nicht!)

Wir haben HOCHTIEF gemeinsam beauftragt, für 77 Millionen – oder sagen wir 143 Millionen, den Stand von 2006 – diese Elbphilharmonie zu bauen, und HOCHTIEF hat zugesagt. Und ich will auch einmal die Frau Senatorin und die gesamte Kulturbehörde in Schutz nehmen, denn seit 2006 gab es nicht die kleinste Nachforderung von der Kulturbehörde im Zusammenhang mit der Elbphilharmonie. Seitdem steht das Paket, wie wir es bestellt haben, fest. HOCHTIEF hatte uns gesagt, dass es für 143 Millionen gehe, und jetzt wollen sie 660 Millionen. Meine Damen und Herren, da muss doch die Empörung hier im Saal quietschen.

(Beifall bei der LINKEN – Zurufe von der CDU)

Wir hören zurzeit beruhigende Worte wie Globalpauschalfestpreis und die schöne Formulierung, dass die Summe so bleiben werde, wenn die Stadt nicht mehr eingreife und dass das Ganze wegen der Verkantung zwischen den Personen so schwierig geworden sei. Jetzt ist Herr Leutner derjenige, über den das gesagt wird. Die Zitate, die ich eben genannt habe, waren Zitate von 2008. Es waren die gleichen Formulierungen, die damals Frau von Welck benutzt hat, um zu sagen, dass man so den Nachtrag 4 durchsetzen könne. Sie benutzen das auch im Moment. Es gibt kein Vertrauen gegenüber HOCHTIEF, das uns in irgendeiner Form dazu führen könnte zu glauben, das wäre der richtige Weg. Deswegen werden wir das ablehnen.

(Beifall bei der LINKEN)

Zweiter Beitrag Norbert Hackbusch

Norbert Hackbusch DIE LINKE: Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Bürgermeister und Frau Senatorin Kisseler, Sie sind auf die Argumente, die die Opposition vorgebracht hat, inhaltlich nicht eingegangen. Sie haben nicht zeigen können, dass Sie sich mit unseren Punkten auseinandersetzen.

(Beifall bei der LINKEN, vereinzelt bei den GRÜNEN und der FDP und bei Dennis Gladiator CDU)

Ich bin das eigentlich in der Form von Ihnen nicht gewohnt. Stattdessen veranstalten Sie einen solchen Klamauk und sagen,

(Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN, der CDU und der FDP)

dass das keine politische Frage sei, sondern dass man Nerven haben müsse. Herr Bürgermeister, wir sind hier nicht in einem Italo-Western, auch wenn Sie versuchen, das so darzustellen.

(Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN, der CDU und der FDP)

Wir müssen uns mit den Fragen, um die es geht, auseinandersetzen. Frau Senatorin, alle Gutachter und die Opposition haben festgestellt, dass wir zu wenig Zeit hatten, uns mit diesen Fragen zu befassen. Das ist nicht meine Hauptkritik, darum geht es mir nicht, und ich möchte das nicht stundenlang diskutieren, aber es bleibt immer noch ein Problem, dass der Bürgermeister keine ausführliche Diskussion haben wollte und wir deswegen heute schon diese Sitzung machen müssen und nicht erst in drei Monaten, wo wir das vernünftig hätten besprechen können. Mehrere externe Gutachter sind abgesprungen und haben gesagt, dass sie das in dieser Zeit nicht machen, und die anderen haben alle gesagt, dass sie zu wenig Zeit hatten, das kritisch zu kontrollieren. Das steht eindrücklich dort, und Sie müssen das akzeptieren oder zumindest gelesen haben.

(Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN, der CDU und der FDP)

Meine Damen und Herren! Es ist keine Frage – auch das wurde von allen hier gesagt –, dass der Vertrag einen Fortschritt darstellt. Es wäre ein noch größerer Hammer, wenn wir 195 Millionen Euro bezahlen müssten und noch nicht einmal einen Fortschritt hätten. Wir haben einen gewissen Fortschritt, nur sind wir nicht der Meinung, dass dieser 195 Millionen Euro wert ist, und wir meinen, dass Sie die Risiken unterschätzen.

(Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und vereinzelt bei der FDP)

Das Erste ist – und ich merke, dass man das angesichts dessen, wie Sie das mit den Gutachtern darstellen, noch einmal sagen muss –, dass wir als Bürgerschaft eine größere, unabhängige Kraft gegenüber dem Senat brauchen, um in der Lage zu sein, solche Fragen vernünftig einschätzen zu können.

(Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Dr. Andreas Dressel SPD: Haben wir doch gehabt!)

Deswegen habe ich mich dafür ausgesprochen, dass es externe Gutachter gibt. Ich wollte sie nicht nach dem Motto „Mach das, was ich will“ einsetzen, und das ist auch das Richtige dabei. Sie haben den Mut nicht gehabt, Herr Dressel.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Wieso, wir sind darauf eingegangen!)

Wir wollten unabhängige Gutachten von zwei Gutachtern mit einem guten Namen haben, die wir zusammen aussuchen. Aber in den Vereinbarungen war es Ihnen wichtig, dass jede Fraktion in der typischen Art und Weise ihren Gutachter bestimmen darf, so wie wir es bei Expertengutachten machen.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Ihrer war sogar noch der beste, Herr Hackbusch!)

Diesen Mut haben Sie nicht gehabt.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich hoffe, dass die Erfahrung mit diesen Gutachtern vielleicht dazu führt, dass wir als Bürgerschaft unabhängig davon etwas prüfen können. Das ist im Zusammenhang mit den weiteren Prozessen aber auch notwendig. Wir haben deswegen den Zusatzantrag gestellt, dass es externe Expertengutachter gibt, die uns als Bürgerschaft beraten,

(Jan Quast SPD: Folgen und hören tun Sie trotzdem nicht auf den Gutachter!)

damit wir nicht wieder davon abhängig sind, ob uns der Senat irgendwann etwas erzählt oder nicht. Meine Damen und Herren! Herr Bürgermeister, die entscheidende Frage lautet, warum Sie diese Frage im Zusammenhang mit HOCHTIEF nicht mit uns gemeinsam besprochen haben und der Stadt und der Bürgerschaft nur irgendwelche euphorischen Erklärungen gegeben haben, dass jetzt der Durchbruch da sei und dass Sie im letzten Sommer alles erreicht hätten, statt mit uns und mit der Stadt darüber zu diskutieren, dass wir ein Problem haben und verschiedene Angebote. Sie wollten keine demokratische, unabhängige Diskussion mit uns haben, sondern nur verkündigen und unsere Zustimmung dafür organisieren. In diesem Prozess haben wir hoffentlich einiges gelernt, sodass wir weitergekommen sind.

(Beifall bei der LINKEN)

Zuletzt zu den weiterhin verbleibenden Problemen; Sie haben nur drumherumgeredet. HOCHTIEF wird weiterhin ein Claim-Management machen.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Das wird ins Leere laufen!)

Ich gebe zu, dass dieser Vertrag so gut ist, dass er das wahrscheinlich nicht im Zusammenhang mit den Preisen organisieren wird, aber ich bin mir nicht sicher. Überhaupt nicht mehr eingreifen zu können, ist ein riesiges Problem für die Stadt, und das werden wir noch einmal gesondert diskutieren. Es wird aber ein Problem im Zusammenhang mit der Qualität und mit den Sachverständigen geben. Hoffentlich haben Sie dazugelernt. Die unabhängigen Gutachter haben innerhalb der 14 Tage, in denen sie das analysiert haben, einen schwerwiegenden Fehler in Ihrem Vertragswerk gefunden, nämlich dass die unabhängigen Sachverständigen von HOCHTIEF bezahlt werden und nicht von der Stadt.

(Jan Quast SPD: So war das nicht formuliert; es war kein schwerwiegender Fehler!)

Das war ein schwerwiegender Fehler und wurde von allen Experten so dargestellt. Herr Diederichs, den Sie heute so oft gefeiert haben, hat genau gesagt, dass es unbedingt notwendig ist, das noch zu ändern. Daran merken Sie doch, dass die demokratische Diskussion in der Bürgerschaft auch Sie voranbringt und einige Fortschritte erzeugt.

(Beifall bei der LINKEN)

Bitte akzeptieren Sie das, machen Sie nicht solch einen Klamauk und tun Sie nicht, als ob Sie der Held eines Western-Italos wären.

(Beifall bei der LINKEN und bei Christa Goetsch GRÜNE)

Dritter Beitrag Dora Heyenn

Dora Heyenn DIE LINKE:* Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Diese Diskussion wird die Hamburgerinnen und Hamburger wahrlich nicht davon überzeugen, dass das Projekt Elbphilharmonie ein gutes Projekt ist.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich erzähle Ihnen nichts Neues. Seit Anbeginn hat DIE LINKE sich gegen den Bau der Elbphilharmonie in städtischer Verantwortung ausgesprochen. Unsere Bedenken sind seit Baubeginn 2007 mit jeder weiteren Aufstockung des Finanzetats und jedem Konflikt zwischen dem Bauherrn und HOCHTIEF massiv verstärkt worden. DIE LINKE befürwortet aber durchaus, dass Städte wie Hamburg durch herausragende Bauten architektonisch geprägt werden. Da bin ich mit Ihnen einer Meinung, Herr Bürgermeister. Schließlich waren wir es, die darauf gedrungen haben, dass die Fritz-Schumacher-Bauten nicht verfallen und nicht durch energetische Sanierung verschandelt werden. Und wenn Sie, Herr Bürgermeister, von demokratischer Architektur sprechen, dann fällt mir als Erstes Fritz Schumacher ein. Da frage ich mich natürlich, wieso genau die Elemente in den alten Fritz-Schumacher-Bauten, die für ein soziales Miteinander freigehalten wurden, jetzt verwertet und zu Wohnungen umgebaut werden. Das ist dann keine demokratische Architektur mehr. Eine demokratische Architektur lebt vom Inhalt, aber bisher haben wir bei der Elbphilharmonie nur die Fassade.

(Beifall bei der LINKEN)

Unsere Ablehnung gegenüber der Elbphilharmonie gründet sich hauptsächlich auf folgende Zusammenhänge.
Erstens: Hamburg ist eine sozial zutiefst gespaltene Stadt. Das bedeutet, dass viele Menschen von der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, vor allem von der Kultur, ausgeschlossen sind. Seit 2007 hat die soziale Spaltung dramatisch zugenommen. Ein wirkliches Sozialticket ist bisher vom Senat immer abgelehnt worden, auch von den Vorgängersenaten. Auch das Berliner Modell für nicht verkaufte Tickets wird in Hamburg nicht angewandt. Die Elbphilharmonie wird den Zugang zur Kultur verstärkt abhängig machen von dem Einkommen derjenigen, die sie besuchen. Und wenn Sie sagen, Herr Kerstan, die Elbphilharmonie werde eine Kultur für alle sein, dann sage ich Ihnen, dass wir in Hamburg keine Kultur für alle haben, und durch die Elbphilharmonie werden wir sie erst recht nicht bekommen.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Wersich, Sie haben in Ihrer Rede sehr euphorisch dargestellt, dass sich die Elbphilharmonie für die Stadt lohnen werde. Da frage ich mich, wer denn die Stadt ist oder wer es in der Stadt ist, der etwas vom Erfolg der Elbphilharmonie haben wird – nicht diejenigen, die am Besuch mehr oder minder gehindert sind.
Zweitens: Durch die Schuldenbremse haben wir eine strikte Begrenzung des Behördenetats auf 0,88 Prozent pro Jahr. Es werden Kürzungen durchgesetzt, die die kleineren Kultureinrichtungen besonders hart treffen. Besonders in den Stadtteilen, aber auch in den Theatern und Museen fehlt es an allen Ecken und Enden an Mitteln, um den Geschäftsbetrieb so zu führen, wie es wünschenswert wäre. Allein die vorerst letzte Aufstockung für die Elbphilharmonie, die heute zur Abstimmung steht, entspricht einer Steigerung von 30 Prozent.
Das ist im Vergleich zu den 0,88 Prozent der Schuldenbremse überhaupt kein Verhältnis und nicht zu rechtfertigen. Mit Gerechtigkeit, Herr Dressel, hat das überhaupt nichts zu tun.

(Beifall bei der LINKEN)

Eine Stadt, die sich in solchen Haushaltszwängen befindet, kann sich unserer Auffassung nach eine Elbphilharmonie schlicht nicht leisten.

(Beifall bei der LINKEN – Dr. Andreas Dressel SPD: Und dann wollen Sie die jetzt abreißen, oder was soll damit passieren?)

Drittens: Das Gegenargument lautet immer, man könne Betriebskosten nicht mit Investitionen vergleichen. Deshalb noch ein anderer Hinweis. Die Hochschule für Musik und Theater braucht dringend Übungsräume für die Studierenden, also für diejenigen, die prädestiniert dafür sind, später einmal in der Elbphilharmonie als Musiker zu spielen. Und alles, was die Hochschule für Musik und Theater bräuchte, wären circa 2 Millionen Euro, vielleicht auch 5 Millionen Euro, wenn man sofort Abhilfe schaffen wollte und nicht erst 2014. Nach Auffassung des Senats ist dafür kein Geld da. Beides sind Investitionen. Warum dreistellige Millionenbeträge für die Elbphilharmonie immer problemlos und sofort zur Verfügung stehen

(Dr. Andreas Dressel SPD: Ist das hier problemlos?)

und im Vergleich dazu geringe Beträge für die Studienbedingungen der zukünftigen Musiker nicht, das versteht keiner.

(Beifall bei der LINKEN)

Und wenn nach Haushaltsberatungen, bei denen wir jeden Tag und jede Stunde gehört haben, es sei kein Geld da, drei Tage später gesagt wird, es stehe ein dreistelliger Millionenbetrag für die Elbphilharmonie zur Verfügung, dann ist das auch eine Missachtung des Parlaments. Unsere Skepsis ist in den vergangenen Jahren ständig gestiegen, die der Hamburgerinnen und Hamburger gegenüber der Elbphilharmonie übrigens auch. Wir gehen ganz nüchtern davon aus, dass, wenn Sie so weitermachen wie bisher und wie es jetzt vorliegt, dies heute nicht der letzte Nachschlag für das Bauwerk in der HafenCity sein wird.
Herr Kerstan, Sie haben gesagt, dass die Kosten jetzt aus dem Ruder gelaufen seien.

(Jens Kerstan GRÜNE: Nicht erst jetzt!)

Jemand sagte – ich glaube, das waren Sie, Herr Wersich –, sie seien so aus dem Ruder gelaufen wie noch nie. Wir sagen Ihnen: Die Kosten für die Elbphilharmonie sind von Anfang an völlig aus dem
Ruder gelaufen, und einige behaupten, es wäre sogar geplant gewesen.

(Beifall bei der LINKEN)

Kurzum: Wir glauben nicht, dass der Senat den Bau und die Kosten im Griff hat. Deshalb lehnen wir auch die Nachbewilligung von Haushaltsmitteln ab.
Herr Bürgermeister, Sie gehen von völlig falschen Prämissen aus. Sie haben jetzt schon wieder so eine Zahl genannt, dass Sie mit 400 000 Besuchern pro Jahr rechnen. Die IBA und die igs müssten Ihnen doch zeigen, dass man damit vorsichtig sein sollte und dass das nur eine Vermutung sein kann.
Noch eines: Seit wann hören Sie eigentlich auf Experten, die in Ausschüssen auftreten? Ich möchte einmal daran erinnern, dass in der gemeinsamen Sitzung des Umwelt- und Haushaltsausschusses zu Ihrem Projekt der 25,1 Prozent Beteiligung an den Netzen mit E.ON und Vattenfall

(Jens Kerstan GRÜNE: Genau!)

kein einziger Experte der Bürgerschaft geraten hat, den Verträgen zuzustimmen, ganz im Gegenteil. Die überwiegende Mehrheit hat gesagt, sie könne Ihnen nicht raten, zuzustimmen, wenn sie Abgeordnete wären, würden sie es nicht tun. Vielleicht sollten Sie ein bisschen konsequenter sein.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei den GRÜNEN)