Plenarprotokoll 20/94: Haushaltsplan-Entwurf 2015/ 2016 Mittelfristiger Finanzplan 2014–2018 und Haushaltsbeschluss-Entwurf 2015/2016 der Freien und Hansestadt Hamburg
Norbert Hackbusch DIE LINKE: Herr Präsident, meine Damen und Herren! Haushaltsberatungen sind manchmal ziemlich anstrengend.
(Beifall bei Christiane Schneider DIE LINKE)
Ich finde, dass sie in der Logik auch nicht klar vorgetragen werden und viel Mäkelei drum herum existiert. Ich versuche, das ein bisschen konzentrierter zu machen. Wir haben zwei wichtige Sachen bei diesen Haushaltsberatungen, die wir beurteilen müssen. Zum einen haben wir eine neue Systematik und zum anderen müssen wir eine gewisse Bilanz im Zusammenhang mit der Schuldenbremse ziehen.
Erstens zu der neuen Systematik: Wir haben uns alle gemeinsam dafür entschieden zu sagen, mit dieser neuen Systematik werde mehr Klarheit und Wahrheit in den Haushalt eingebracht, wir würden mehr verstehen, könnten mehr Fragen stellen und würden irgendwie besser dastehen. Wir haben über 100 Millionen Euro ausgegeben. Meine Fraktion stellt fest, dass dieses Ziel nicht erreicht worden ist.
(Vereinzelter Beifall bei der LINKEN)
Wir sind verwirrt, wir wissen zum Teil nicht, wie die Vergleiche dastehen, und wir sind da nicht alleine, sondern das betrifft die gesamte Bürgerschaft. Hier gilt es, etwas nachzuarbeiten. Bisher sind diese Systematik und diese Klarheit nicht erreicht worden, und das sollten wir auch gemeinsam hier feststellen.
(Beifall bei der LINKEN)
Zum Zweiten geht es um die Frage der Schuldenbremse und eine gewisse Logik, die wir dazu einmal diskutieren müssen. Wir haben den Bericht des Rechnungshofs bekommen, der uns einige Hilfestellungen gegeben hat, und da verstehe ich gewisse Kritiken meiner Mitoppositionsparteien nicht, die hier einiges etwas mäkelig dargestellt haben. Der Rechnungshof als größter Fan der Schuldenbremse in dieser Stadt hat seiner Logik entsprechend dargestellt, die Abrechnung des Haushalts 2013 und die Planungen zeigten, dass der Senat den Pfad der Schuldenbremse bisher einhalte. Ich bin kein Anhänger der Schuldenbremse, aber ein großer Teil der Debatten, die hier jetzt geführt worden sind, ist doch damit erledigt. Oder man muss sich mit dem Rechnungshof diesbezüglich auseinandersetzen? Das liegt ziemlich klar auf der Hand.
(Vereinzelter Beifall bei der SPD)
Eines will ich Ihnen aber deutlich sagen und dies auch an den Rechnungshof richten: Die Logik, wie der Rechnungshof bestimmte rein monetäre Ströme betrachtet, ist für ein politisches Haus wie die Bürgerschaft nicht ausreichend, und auch darauf sollten wir uns vielleicht einmal verständigen.
(Beifall bei der LINKEN und bei Dr. Anjes Tjarks GRÜNE)
Das Ganze wird betrachtet, und das ist manchmal auch in den Haushaltsdebatten so, als gehe es nur um monetäre Strömungen und als solle der Obercontroller Herr Tschentscher nichts anderes tun, als darauf achten, dass die Zahlen eingehalten werden. Das ist die Aufgabe eines Controllers in einem privaten Unternehmen. Private Unternehmen habe keine andere Aufgabe, als Gewinn zu machen,
(Finn-Ole Ritter FDP: Richtig!)
und weiter denken sie auch meist nicht.
(Zuruf von Finn-Ole Ritter FDP)
– Sie wissen wahrscheinlich gar nicht, was ein privates Unternehmen macht.
(Beifall bei der LINKEN – Finn-Ole Ritter FDP: Ich habe selber eines!)
– Damit können wir uns noch einmal auseinandersetzen.
(Finn-Ole Ritter FDP: Keine Ahnung! So gehen Sie mit Argumenten um!)
Genau diese Dimension der kritischen Aufgabenbetrachtung fehlt dem Rechnungshof vollständig. Ich will Ihnen einmal sagen, warum. Der Rechnungshof gibt als ein Beispiel, wo wir in dieser Stadt gegenwärtig gut etwas kürzen könnten, den Bereich der Schule an. Er sagt, dass diese Politik nur erfolgreich sein kann, wenn die Kürzungen der Personalausgaben, die die Stadt insgesamt für sich überlegt, auch in den Schonbereichen wie Schule durchgeführt werden. Wie sollen wir dann die gesellschaftlichen Aufgaben lösen, die in der Schule vorhanden sind im Zusammenhang mit den Schülern, mit den verschiedenen Wurzeln und mit der Auflösung von Familienbanden, wenn wir in diesem Bereich kürzen?
(Beifall bei der LINKEN und bei Christa Goetsch GRÜNE)
Wir sollten gemeinsam dem Rechnungshof darlegen, dass es so nicht geht, dass es nicht unsere Aufgabe ist, das so zu machen, und dass es auch dazu gehört, sich so etwas kritisch anzuschauen. Vielleicht können wir diesbezüglich Einigkeit herstellen,
(Robert Bläsing FDP: Bestimmt nicht, Herr Hackbusch!)
aber leider hat der Rechnungshof in einem Punkt recht: Die Logik der Schuldenbremse, und das hoffe ich an alle wachen Geister in diesem Haus sagen zu können, wird in jeden Bereich hineinfräsen, und da wird nicht gefragt werden, ob dies gesellschaftlich notwendig oder sinnvoll ist. Die Logik der Schuldenbremse wird in dem Augenblick, wo wir eine Bundesregierung wie die gegenwärtige haben, die die Reichen weiterhin reich sein lässt, oder eine EU, wo wir nicht mehr in der Lage sind, irgendetwas verändern zu können, dazu führen, dass wir praktisch nur noch der Kürzungsapparat sind und uns nur noch überlegen können, wo wir irgendetwas beschneiden. Damit wird uns der gesellschaftliche Gestaltungsrahmen, das Wichtigste, was ein Parlament hat, weggenommen. Das hat keine Zukunft, und es darf auch keine haben.
(Beifall bei der LINKEN)
Ich möchte da die Chefin der Hamburger Diakonie unterstützen, die deutlich gesagt hat, mit der Schuldenbremse könne politisch nicht mehr gestaltet werden. Ich werde es Ihnen noch zehnmal sagen in diesem Parlament: Das war ein grober Fehler, der hier gemacht worden ist. Er muss korrigiert werden, und Sie werden auch merken, dass das notwendig ist.
(Beifall bei der LINKEN)
Ich will mich jetzt in der Bilanz des Haushalts auf zwei Punkte konzentrieren, die mir besonders wichtig sind. Das sind die Investitionen und das ist das Personal. Zu den Investitionen will ich besonders die SPD ansprechen, weil wir einmal eine gemeinsame Kritik an der unverantwortlichen Art und Weise entwickelt haben, wie Schwarz-Grün mit verschiedenen Sachen in dieser Stadt umgegangen ist. Wir waren uns einig, dass man den Sanierungsstau, der in dieser Stadt vorhanden ist, dringend auflösen muss, und wir haben gemeinsam festgestellt, dass es dazu einen radikalen Schnitt geben muss und man diesen Sanierungsstau erst einmal beziffern muss, um dann in der Lage zu sein, ihn aufzulösen. Diese logischen Überlegungen waren einer der Gründe, warum wir die neue Doppik unterstützt haben, um in der Lage zu sein, das auch praktisch darstellen zu können. Sie selbst haben vor zwei Jahren von der SPD aus dazu einen Schritt gemacht, den wir damals durchaus befürwortet haben, und zwar haben Sie dargestellt,
wir bräuchten eine „[…] entscheidende Grundlage für die Zukunftsfähigkeit Hamburgs – gerade angesichts der für Hamburg erfreulichen Prognose der Bevölkerungsentwicklung.“
Ich mache es ein bisschen schneller; nicht alles Schöne, was in Ihrem Antrag gesagt wurde, muss ich jetzt berichten.
„Es geht darum, den erheblichen Sanierungsstau zielgerichtet und schrittweise abzubauen. Hierfür ist es zunächst notwendig, das bestehende Investitionsdefizit im Infrastrukturbereich zu konkretisieren und eine zeitliche Perspektive zu erarbeiten, wie dieses Problem – angesichts der […] Schuldenbremse […] – bestmöglich behoben werden kann.“
Und wie macht man das? Das ist völlig richtig in Ihrem Antrag, der übrigens von der Bürgerschaft angenommen worden ist, dargestellt worden:
„Dazu muss es unter Fortentwicklung der bisherigen Investitionsplanungen ein behördenübergreifendes Sanierungsprogramm geben, das mit jedem Haushalt einzelplanbezogen transparent macht, wann und wie unter Ausschöpfung der entsprechenden Haushaltstitel […] welche Sanierungsprojekte mit welcher Priorität von den Fachbehörden angegangen werden. […] Senat und Fachbehörden sind aufgefordert, die wesentlichen fachbehördlichen Sanierungsnotwendigkeiten und -entscheidungen in unserer Stadt […] abzubilden.“
Das wurde vor zwei Jahren hier beschlossen. Wir stehen immer noch da, ohne zu wissen, welche Sanierungsdefizite wir in dieser Stadt haben. In jedem Haushaltsbereich müssen wir wieder danach fragen. Es war das große Versprechen der SPD, mehr Transparenz zu schaffen und die Liste der Sachen zu erstellen, die notwendig abzubauen sind. Sie haben es nicht gemacht und ich ahne auch, warum: weil ich gemeinsam mit dem Rechnungshof feststelle, dass das Sanierungsdefizit wieder angewachsen ist. Und weil es wieder angewachsen ist, wird dieses große Versprechen, das Sie uns gegeben haben, Klarheit in diesem Punkt zu schaffen, nicht eingehalten. Oder wie kann es passieren, dass der Antrag der SPD-Fraktion, den ich Ihnen hier genannt habe und der mit großer Mehrheit angenommen worden ist, überhaupt keine Schlussfolgerung hat und keine Liste erstellt wurde? Wir haben diese Informationen im Haushalt nicht, und ich finde, das ist ein Skandal.
(Beifall bei der LINKEN)
Das haben wir hier zu besprechen, und Sie müssen uns noch einmal darstellen, wie so etwas passieren kann. Das ist das eine. Ich könnte an verschiedenen Punkten darstellen, wie der Sanierungsstau gegenwärtig anwächst, aber das will ich nicht tun, weil ich nicht so lange reden möchte wie meine Vorredner.
Ich will aber eine zweite entscheidende Sache mit Ihnen besprechen. Es geht um das Personal, wie Sie in dieser Stadt mit denjenigen umgehen, die hier die soziale und kulturelle Arbeit machen, und welche Pläne Sie dazu haben. Die Situation ist die, und das hat der Rechnungshof Ihnen auch vorgerechnet, dass aufgrund der Planungen des Senats 800 bis 900 Vollzeitstellen jährlich abgebaut werden müssen. Meine Damen und Herren, wie soll das geschehen? Wo sind denn diese merkwürdigen Ideologen der Schuldenbremse, die uns aufzeigen, wo es in dieser Stadt so viele zusätzliche und überflüssige Leute gibt? Wir finden das nicht. Wir stellen fest, dass wichtige Aufgaben in den Bezirken völlig wegfallen. Wo ist denn die Wohnungspflege, die aufpasst, inwieweit Wohnraum noch vorhanden ist? Sie ist doch quasi aufgelöst. Schauen Sie sich einmal die Veterinärstellen an; die existieren doch nicht mehr. Wie ist es mit dem Straßenbegleitgrün oder den Parks in dieser Stadt? Das sind doch lauter Stellen, die weggefallen sind und wo nicht mehr darauf geachtet wird. Das Problem ist, dass Sie wichtige staatliche Aufgaben damit praktisch abschaffen und sie verschwinden lassen. Sie sorgen dafür, dass die wenigen, die noch da sind, dann mehr arbeiten müssen. Anders kann das nicht funktionieren. Sie haben nicht einmal einen Plan, wie das geschehen sollte. Wenn wir das richtig sehen, fallen die meisten Stellen derjenigen, die gegenwärtig in Pension gehen, einfach weg. Das ist Ihre Planung.
Meine Damen und Herren! So darf man mit den Menschen in dieser Stadt, die für das soziale und kulturelle Wohl tätig sind, nicht umgehen.
(Beifall bei der LINKEN)
Es bleibt dabei, was ich schon häufig hier gesagt habe: Das ist eine Kampfansage an die Gewerkschaften, und zwar nicht nur hinsichtlich der 1,5 Prozent. Wir haben das diskutiert im Zusammenhang mit den Universitäten und den 0,88 Prozent. Im kulturellen Bereich bekommen die meisten nicht 0,88 Prozent, sondern 0 Prozent. Ihnen allen ist im Bezirkswahlkampf einzeln vorgerechnet worden, was das für die jeweiligen Träger bedeutet. Und die Träger werden damit gedrängt, aus dem Tarif herauszugehen. Was ist das für eine Politik, die Sie hier organisieren und unterstützen? Das kann nicht sein, das ist eine Kampfansage an die Gewerkschaften. Wir werden das nicht akzeptieren und uns dieser Kampfansage stellen.
(Beifall bei der LINKEN)
Sie müssen in Ihrer Debatte auch zugeben, dass das Kürzungen sind, die Sie hier vorsehen, und nicht immer mit diesem merkwürdigen Gerede von abwachsendem Aufbau kommen oder was da häufig gebracht wird, wo mir selbst schon ganz schwindelig wird von diesen wolkigen Erklärungen.
Und auch das geht nicht: Es ist eine Kürzung nach dem Rasenmäherprinzip. Das kann nicht sein. Sie haben natürlich die Freiheit zu sagen, es gebe bestimmte Sachen, die überflüssig seien, aber alles systematisch bis zum Jahr 2024 herunterzufahren, wie Sie jetzt erklärt haben, und das sei die Aufgabe der Politik, bedeutet, dass Sie nicht mehr um das streiten, was eigentlich notwendig ist, sondern Sie ducken sich weg und sagen, das werde schon irgendwie laufen und irgendwie kämen wir da durch. Mit einer solchen Regierung, einem solchen Senat können wir nicht in die Zukunft kommen. – Danke.
(Beifall bei der LINKEN)