Sollen nichtdeutsche Obdachlose demnächst abgeschoben werden?

Linksfraktion fordert Klarstellung von Sozialsenator Wersich

Für Entsetzen und Unverständnis sorgte bei der gestrigen Bürgerschaftssitzung Sozialsenator Dietrich Wersich bei vielen Zuhörern und Zuhörerinnen. In der Aktuellen Stunde, in der die Bürgerschaft über eine aktuelle empirische Erhebung zu Obdachlosigkeit in Hamburg debattierte, ergriff er das Wort und sprach sich dagegen aus, dass Hamburg auf das starke Anwachsen von nichtdeutschen Obdachlosen mit einer Veränderung und Erweiterung der Hilfsangebote reagiert. Stattdessen sollten diese Menschen „wieder in die Systeme ihrer Heimatländer reintegriert“ werden.

LINKEN-Abgeordnete Kersten Artus: „Wir erwarten vom Senator eine Klarstellung, was er genau damit meint. Sollte der Senat planen, nichtdeutsche Obdachlose abzuschieben, kann er mit unserem schärfsten Widerstand rechnen.“

Mehr als jeder dritte auf der Straße lebende Mensch (26,6 Prozent) kommt nicht aus Deutschland. Das ist seit 2002 ein Anstieg um fast zehn Prozentpunkte (17 Prozent). Der Autor der Studie, Torsten Schaak, vermutet, dass es sich vor allem um Zugewanderte aus osteuropäischen EU-Ländern handelt und spricht von einer weitverbreiteten fehlenden Integration der ausländischen Obdachlosen in die deutschen Sozialsysteme aufgrund fehlender Rechtsansprüche. Artus: „Nichtdeutsche Obdachlose nutzen die Hilfsangebote wesentlich weniger, als Deutsche, und verfügen auch über wesentlich weniger Einkommensquellen. Sie befinden sich in einer noch größeren Notlage als Deutsche und benötigen unsere Hilfe und nicht den Fingerzeig in ihr Ursprungsland.“

Kersten Artus fordert Senator Wersich in einem Brief auf, die Hilfsangebote umgehend anzupassen und nicht auf die Ergebnisse einer angekündigten Fachtagung im Frühjahr abzuwarten. „Dazwischen liegt ein Winter und der ist bekanntlich eine lebensbedrohliche Gefahr für Menschen, die auf der Straße leben.“ Artus fordert Senator Wersich auf, klarzustellen, wie er den Begriff „Reintegration“ gemeint hat: „Geistige Brandstiftung kann auch mit unbedachten Aussagen beginnen. Wir möchten dem Senat die Möglichkeit geben, sich rechtzeitig zu korrigieren und eine durch die Krise möglicherweise ausbrechende Konkurrenz-Stimmung nicht durch verbale Ausgrenzung von hilflosen Menschen anzuheizen.“