DIE LINKE in der Bürgerschaft:
Unsere Anträge vom 27. September

Immer weniger Kinder in Hamburg lernen schwimmen – besonders in sozial benachteiligten Stadtteilen ist die Zahl der Nichtschwimmer_innen hoch. Eine Neuausrichtung des Schulschwimmkonzepts fordern wir daher in der Bürgerschaftssitzung am 27. September.

Kindern die Grundlagen des sicheren Schwimmens beizubringen stellt eine der wichtigsten, weil potenziell lebensrettenden, Aufgaben in schulsportlicher Hinsicht dar. Dies gilt insbesondere für unsere Stadt, die im gesamten inneren wie äußeren Metropolbereich von vielen großen und mittleren Gewässern durchsetzt ist. Ferner ist sicheres Schwimmen Grundvoraussetzung, um überhaupt mit Wassersport (Rudern, Kanu, Segeln, Surfen, Paddling unter anderem) beginnen zu können – ein sportlicher Schwerpunkt in unserer Stadt.

Genau diese Verantwortung wird jedoch vom Senat seit Jahren vollkommen unzu- reichend angegangen. Dessen spätestens seit 2014/2015 an den Hamburger Schulen vollständig umgesetzte „Optimierung des Konzepts für das Schulschwimmen“ (vergleiche Drs. 20/8276) erwies sich leider als untauglich, daran nennenswerte Verbesserungen zu bewirken. Weder die besorgniserregend hohen Anzahl von Schülern/-innen, die nach wie vor auch nach dem Durchlauf der beiden verpflichtenden Phasen obligatorischen Schwimmens gar nicht oder nicht sicher schwimmen können, noch die enorme, unvermindert wachsende soziale Spaltung bei der Schwimmfähigkeit in der Schüler-/-innenschaft brachten ein Umdenken des Senats. Stattdessen wird sich im Hamburger Rathaus konsequent der Realität, dass das bestehende Schulschwimmkonzept im Gesamtkontext der „Dekadenstrategie Sport“ gescheitert ist, verweigert. Doch auch Alibimaßnahmen wie etwa eine jährlich tagende Expert_innen- kommission und schönfärbende Öffentlichkeitsarbeit ändern daran nichts. Ernsthafter Wille zur Beseitigung der herrschenden Missstände beim Schulschwimmen und ein verantwortungsvolles Problembewusstsein sind darum mehr denn je gefragt.
Defizite des aktuellen Schulschwimmkonzepts samt der ineffektiven und nicht zielführenden „Optimierungen“ bestehen etwa bei der erfolglosen besonderen Schwimmförderung, dem praktisch unverbindlichen Gutscheinsystem ab Sekundarstufe 1, der Pseudo-Schwimmstufe „Seepferdchen“ als Grundschwimmbefähigung, der fehlenden Inklusion als Schwerpunkt im Schulschwimmunterricht, der mit maximal einer einzigen Unterrichtsstunde realen Wasserzeit pro Woche für ein Halbjahr pro Schwimmphase deutlich zu knappen Übungszeit sowie der gänzlichen Auslagerung des Schwimmunterrichts aus schulischer Verantwortung und Aufsicht in externe Trägerschaft, sprich Bäderland & Co.

Unmittelbare bis mittelbare Verbesserungen und Überarbeitungen müssen darum angegangen werden, um das Schulschwimmkonzept endlich so umzugestalten, dass es den gestellten Ansprüchen tatsächlich angemessen gerecht wird.

Zur Verdeutlichung der herrschenden Bedarfe hier die aktuellsten Fakten:
Im Schuljahr 2015/2016 konnten nach Beendigung des Schwimmunterrichts die Hälfte aller Schüler/-innen nach Absolvieren der beiden Schwimmphasen hamburgweit nicht sicher schwimmen und knapp ein Fünftel konnte es überhaupt nicht. Seit 2005/2006, als letztmals die Schulen mit ihren Sportlehrkräften verantwortlich für das gesamte Schulschwimmen waren und eine Erreichungsquote von 82,7 Prozent Bronze-Abzeichen als Nebenprodukt (da das Erreichen von Abzeichen nicht das Hauptziel des Unterrichts war) verzeichneten, sind die Erfolgsquoten im danach ausgelagerten Schulschwimmen trotz vereinbarter Zielerreichungsquoten von Jahr zu Jahr schlechter geworden. Zuletzt wurden gerade noch 57,4 Prozent Bronze-Abzeichen registriert.

An Schulen mit den niedrigsten Sozialindexstufen (KESS 1 beziehungsweise 2) blie- ben 2015/2016 nach dem Schwimmunterricht über 40 Prozent beziehungsweise über 25 Prozent der Grundschüler/-innen Nichtschwimmer/-innen und 80 Prozent beziehungsweise über 60 Prozent konnten nicht sicher schwimmen. Im höchsten Sozialindexbereich (KESS 6) gab es dagegen lediglich weniger als 3 Prozent Nichtschwimmer und knapp 19 Prozent unsichere Schüler/-innen nach dem Schulschwimmunterricht.

Das eigens für Kinder mit besonderen (Berührungs-)Ängsten gegenüber dem Element Wasser und/oder größeren Schwierigkeiten beim Erlernen des Schwimmens eingeführte zusätzliche Schwimmförderprogramm versetzte von 565 identifizierten und geförderten Kindern gerade einmal sieben (gut 1 Prozent) in die Lage, sicher schwimmen zu können, 134 (24 Prozent) verließen das Programm als nicht sichere Schwimmer/-innen und ganze 424 (75 Prozent) konnten auch danach nicht schwimmen. Außerdem werden diese Kinder dadurch dem regulären Schwimmunterricht entzogen und nicht, wie angedacht, bei Verbesserung der Schwimmfähigkeit in ihre Klassenverbände wieder rückgeführt.

Das Gutscheinsystem sowohl für die Übergangsklassen, der „Optimierungszeitspanne“ (lief zum Ende 2016/2017 aus) als auch für alle zuziehenden Schüler/-innen, die noch kein DJSA in Bronze besitzen, hat sich in 2015/2016 als vollkommen unbrauchbar erwiesen. Von 2.346 ausgegebenen Gutscheinen wurden lediglich 464 eingelöst und nur 106 Schüler/-innen erreichten die Schwimmfähigkeit, was erschreckenden 4,5 Prozent entspricht. Die Abgabe der schulischen Verantwortung zur Schwimmertüchtigung in freiwillige Hand von Eltern und Schülern/-innen ist damit nicht nur als unverantwortlich, sondern auch als grobe Fahrlässigkeit zu bewerten. Zumal weder eine Überprüfung der Schwimmfähigkeit durch die Behörden/Schulen vorgesehen ist noch eine weiterführende Unterstützung und Begleitung für Schüler/-innen ab der Sekun- darstufe I besteht.

Es existiert keinerlei inklusive Schwerpunktsetzung für das obligatorische Schul- schwimmen im bestehenden Konzept. Abgesehen von qualitativ höchst ambivalenten und praktisch freiwilligen, inhaltlich wie im Anspruch nicht angemessen definierten einmal jährlich vorgesehenen Weiterbildungs-aufforderungen an die Schwimmlehrkräfte von Bäderland beziehungsweise VAF findet nichts statt. Von adäquater Unterstützung im Becken ganz zu schweigen, denn hier werden, wenn überhaupt, Schulbegleiter/-innen und teils auch Eltern herangezogen, inklusiver Ansatz oder professionelle pädagogische Begleitung: Fehlanzeige.

Obligatorischer Schwimmunterricht für IV- und Basisklassen findet nicht statt, wird im Konzept überhaupt nicht berücksichtigt, was vollkommen inakzeptabel ist.
Die von Rot-Grün in der Bürgerschaft angekündigte Offensive zur Verbesserung der Schwimmunterrichtswegbegleitung mit Erziehern/-innen aus den jeweiligen Schulen (siehe Drs.21/6984) ist derzeit offenbar noch immer sehr schleppend in Umsetzung.

Das obligatorische Schulschwimmen wurde komplett in die Zuständigkeit privater Träger überführt, damit sind die Bindung an die Schüler/-innen, die Verlässlichkeit der Lehrkräfte und damit auch der Erfolg der Schwimmfähigkeit sehr infrage zu stellen. Darüber hinaus ist es eine höchst zweifelhafte und tendenziell unverantwortliche Abgabe von schulpolitischer Kompetenz, gerade im Sinne der Kindeswohl- und Bildungsfürsorge.

Das „Seepferdchen-Schwimmabzeichen“ wird vom Senat unvermindert zur Beschönigung der eigenen Versagensbilanz im Schulschwimmen als Schwimmstufe propagiert. Obwohl die Deutsche Lebensrettungsgesellschaft (DLRG) ganz klar davor warnt, denn eine sichere Schwimmfähigkeit unterhalb des Deutschen Jugendschwimmabzeichens (DJSA) in Bronze sei nicht gegeben und das sogenannte Seepferdchen solle lediglich die Wassergewöhnung fördern und Kinder auf dem Weg zum Bronzeniveau motivieren. Schulen, die versuchen, ihren Schülern/-innen gerade in der Sekundarstufe I durch fakultative Schwimmangebote das Schwimmen sicher beizubringen, werden hinsicht- lich der zusätzlichen Personalkosten dafür nicht finanziell unterstützt und müssen sich zudem auf Verfügbarkeiten von übrig bleibenden Wasserzeiten in den Hamburger Schwimmhallen verlassen, die die Durchführung meistens unmöglich machen. Selbst Sportkursen in der Oberstufe werden kaum akzeptable Wasserzeiten eingeräumt. Deshalb findet (auch sportlich orientierter) Schwimmunterricht in der Sekundarstufe fast komplett nicht statt.

Weite Fahrtwege zu Schwimmhallen aufgrund zu weniger entsprechender Sportstätten sind für die meisten Grundschulen Alltag, was nicht nur die real im Schwimmbecken verbringbare Unterrichtszeit durch An- und Abfahrten verkürzt
In Anbetracht all dessen darf eine rasche, bedarfs- und zielgerechte Überarbeitung des Schulschwimmkonzepts in Hamburg nicht länger hinausgezögert werden.
Die Bürgerschaft möge vor diesem Hintergrund beschließen:

WAS FORDERT DIE LINKE?

Der Senat wird aufgefordert,
1. das bestehende Konzept des Schulschwimmens in Hamburg bis spätestens zum Schuljahresstart 2018/2019 in Zusammenarbeit der zuständigen Fachbehörde mit den Sportfachlehrern/-innen der Schulen und Experten/-innen von GEW sowie DLRG im Sinne der folgenden Punkte zu überarbeiten:
a. Die Erlangung des DJSA-Bronze-Niveaus – als einzige von der DLRG anerkannte Grundschwimmfähigkeitsstufe – für alle Schüler/-innen als verpflichtende Mindestschwimmstufe des Schulschwimmens einzuführen.
b. Eine Rückführung der Schulschwimmverantwortung in schulische Zuständigkeit, sowohl in Planung, Inhalt wie vor allem gerade in der Umsetzung durch Schulsportlehrer/-innen.
c. Die gegenwärtig maximal nur einstündige Unterrichtseinheit für jeweils ein Halbjahr, die an den allgemeinen Schulstandorten pro Woche tatsächlich im Schwimmbecken erteilt wird, auf jeweils ein Jahr auszuweiten. Die organisatorische Realisierung durch Lehr- und Begleitpersonal ist hierfür zu gewährleisten sowie die Anzahl der Schwimmeinheiten für die einzelnen Klassen entsprechend anzupassen.
d. An allen Schulstandorten, an denen der Anteil von Schülern/-innen ohne DJSA-Bronze-Schwimmvermögen in den Jahrgangsstufe 3 und 4 durchschnittlich bei 20 Prozent oder höher liegt, eine weitere Schwimmförderung zu etablieren, solange dieser Wert nicht unterschritten worden ist. Diese ver- pflichtende Schwimmstunde kann dabei den regulären Schwimmunterrichts- einheiten zugeschlagen oder im schulischen Nachmittag durchgeführt wer- den. Die organisatorische Realisierung durch Lehr- und Begleitpersonal ist hierfür zu gewährleisten sowie die Anzahl der Schwimmeinheiten für die ein- zelnen Klassen entsprechend anzupassen.
e. Das aktuelle freiwillige Schwimmkursgutscheinsystem für alle Schüler/-innen ab Sekundarstufe I ohne DJSA-Bronze-Schwimmfähigkeit ist durch verpflichtende Schwimmeinheiten für die betreffenden Kinder und Jugendlichen im schulischen Ganztag einzurichten. Die organisatorische Realisierung durch Lehr- und Begleitpersonal ist hierfür zu gewährleisten, sowie die Anzahl der Schwimmeinheiten für die einzelnen Klassen entsprechend anzupassen.
f. Eine verbindliche Dokumentation zur Schwimmfähigkeit aller Schüler/-innen in den Schülerakten einzuführen, um Schüler/-innen, die die Mindest- schwimmfähigkeit (DJSA Bronze) noch nicht besitzen, gezielt im Sinne von 1. e. fördern zu können.
g. Inklusion im obligatorischen Schulschwimmen als eigenen Schwerpunkt des Konzepts zu etablieren. Hierbei sind die besonderen Förderbedarfe sowohl methodisch, pädagogisch wie personaltechnisch (sonderpädagogisches Fachpersonal) angemessen wie umfänglich auszustatten.
h. Den inklusiven Schwimmunterricht vom Landesinstitut für Lehrerbildung (LI) durch spezielle Inklusionsbildungskurse qualitätssicher begleiten zu lassen, die für alle Sport-/Schwimmlehrer/-innen verpflichtend sind und regelmäßig mit zertifizierten Fortbildungen ergänzt werden.
i. Bei der Begleitung des Schwimmunterrichts (Wegebegleitung von der Schule zum Schwimmort und zurück) ist von den Schulen generell erzieherisch qualifiziertes Personal einzusetzen und entsprechend finanziell zu entlohnen.
j. Die speziellen Schwimmförderkurse für Kinder mit besonderen Vorbehalten gegenüber dem Element Wasser sind neu zu gestalten und so auszustatten, dass die Schwimmfähigkeit der teilnehmenden Kinder gewährleistet wird. Außerdem muss der tatsächliche Bedarf derartiger Förderung innerhalb aller Grundschulklassen zutreffender eruiert und eine Rückkehr in den regulären Schwimmunterricht ermöglicht werden.
k. Alle Schüler/-innen in Vorbereitungsklassen für Migranten/-innen (Erstauf- nahme-, Basis- und Internationale Vorbereitungsklassen) in sämtlichen Schulformen müssen ungeachtet ihres Alters ausnahmslos obligatorischen Schulschwimmunterricht erhalten, wenn sie das Mindestschwimmtauglich- keitsniveau (DJSA Bronze) noch nicht besitzen.
l. Fakultativer Schwimmunterricht zur Erlangung der Mindestschwimmfähigkeit DJSA Bronze an den staatlichen Schulen wird vollumfänglich, auch in personeller Hinsicht, finanziert und durch entsprechende Wasserzeiten ermöglicht, ohne die schulischen Eigenbudgets zu belasten.
m. Schwimmen wird wieder verbindlich in die gesamte Sportlehrer-/-innenaus- bildung aufgenommen.
2. die vollumfängliche und angemessene Finanzierung für die Überarbeitung und Umsetzung des Schulschwimmkonzeptes durch zweckgebundene Umwidmung von zentralen Mitteln der Finanzbehörde in die Organisationsmittel der Behörde für Schule und Berufsbildung (BSB) innerhalb des bestehenden Doppelhaushaltes zur Verfügung zu stellen.
3. der Bürgerschaft bis zum März 2018 einen ersten Bericht zum Fortgang der Überarbeitung zu erstatten.

Das Hamburgische Verfassungsgericht nimmt als Verfassungsorgan der Freien und Hansestadt Hamburg die wichtige Aufgabe wahr, über die rechtmäßige Anwendung und Auslegung der Verfassung der Freien und Hansestadt Hamburg zu entscheiden. Um diese rechtsprechende Tätigkeit angemessen auszuüben, ist es notwendig, das dazu erforderliche Maß an Unabhängigkeit zu gewährleisten. Diese Unabhängigkeit ist nicht nur bei der unmittelbaren Ausübung der rechtsprechenden Tätigkeit sicherzustellen, sondern auch bei Entscheidungen des Gerichts über die personelle Ausstattung als Teil der gerichtlichen Selbstorganisation. Das umfasst die Möglichkeit, bei Bedarf eigenständig wissenschaftliches Personal zur Vorbereitung der Entscheidungen heranzuziehen und die Möglichkeit, die Geschäftsstelle mit eigenem Personal auszustatten. Derzeit ist es ausschließlich vorgesehen, Richterinnen und Richter ohne Abordnung zu wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu bestellen. Diese Richterinnen und Richter verbleiben also bei ihrem Stammgericht. Eine Ausgabenerstattung durch das Hamburgische Verfassungsgericht an das abgebende Gericht ist so nicht möglich. Die anfallenden Geschäftsstellentätigkeiten werden derzeit über die Geschäftsstelle und die Geschäftseinrichtungen des Hanseatischen Oberlandesgerichts organisiert.

Der vorliegende Gesetzesentwurf stellt klar, dass sowohl die personelle Ausstattung des wissenschaftlichen Stabes als auch die Geschäftsstellenorganisation des Ham- burgischen Verfassungsgerichts in den Bereich der Selbstorganisation des Gerichts fallen. Dem Gericht bleibt es dabei unbenommen, im Rahmen seiner Geschäftsordnung, Entscheidungen beispielsweise zugunsten einer Mitnutzung der Geschäftsstelle des Hanseatischen Oberlandesgerichts wie bislang zu treffen.

Den Gesetzesentwurf in voller Länge finden Sie hier.

Fotos: Fraktion DIE LINKE / DLG Images/Flickr (CC BY 2.0)