Gängeviertel – Stadtentwicklung nach dem Motto „Alles muss raus“

BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG

  1. Sitzung

Mittwoch, 4. November 2009

Gängeviertel – Stadtentwicklung nach dem Motto „Alles muss raus“

 

Norbert Hackbusch DIE LINKE:

Herr Präsident, meine Damen und Herren!

Was wir jetzt am Anfang dieser Debatte von Seiten der Regierung gehört haben, war natürlich alles andere als ein klares Wort, wie sie mit diesem Konflikt umgehen will. Wir haben stattdessen stammelnde Berichte gehört, aus denen nicht ersichtlich wurde, welchen Weg sie denn nun wirklich einschlagen will.

An einer Sache zeigt sich deutlich die Crux der gesamten Auseinandersetzung: Hier reden – wie immer in vergleichbaren Situationen, – die netten kulturpolitischen Sprecher der Fraktionen und nicht diejenigen, die für den Besitz verantwortlich sind; die Sprecher für den Bereich Immobilien oder die Finanzexperten zum Beispiel. Solche Spielchen der Regierung gehören sich nicht. Das zeigt, dass Sie mit dieser Frage nicht ernsthaft umgehen. Da ist kein Geist, der herumgeht.

Es geht darum, dass wir die Auseinandersetzung und das, was im Gängeviertel geschehen ist, gemeinsam ernst nehmen. In Ihren Beiträgen klang das immerhin an. Das mit dem „sozialistischen Streichelzoo“ habe ich heute zumindest noch nicht gehört – vielleicht kommt das ja noch – und das mit dem „bornierten Kultursozialismus“ auch noch nicht; wir werden sehen.

Wenn man diese Auseinandersetzung aber ernsthaft betreibt, dann muss man zu Selbstkritik in der Lage sein – das gilt übrigens auch ein bisschen für die SPD, Ihre schönen Worte finde ich im Moment noch nicht so richtig beruhigend –, eine Selbstkritik, die bekennt, dass die Stadt im Zusammenhang mit dem Gängeviertel in den letzten Jahren einen riesigen Fehler gemacht hat. Man kann diese Art und Weise von Höchstpreisverfahren nicht weiter durchführen, wenn man die denkenden Momente in dieser Stadt erhalten will. Das ist ein entscheidender Punkt. Es ist meiner Meinung nach notwendig, dass die Regierung diese Selbstkritik hier auch einmal formuliert.

Wenn man sagt, man wolle das Gängeviertel erhalten, dann gibt es keinen Kompromiss, dann muss man das Ensemble Gängeviertel so, wie es jetzt existiert, als Gesamtheit erhalten. Das ist die einzige Möglichkeit. Auch dazu fehlen mir hier klare Worte. Wir wollen nicht, dass im Gängeviertel ein paar schicke Büros neben einigen schicken Ateliers eingerichtet werden. Eine Situation wie bei den Hackeschen Höfen ist keine Lösung. Es würde nicht das ursprüngliche Ensemble Gängeviertel bestehen bleiben und damit genau der falsche Weg eingeschlagen werden, wie es die Künstler ja auch gegenwärtig kritisieren. Genau das befürchte ich bei Ihnen.

Es geht um die soziale Situation in dieser Stadt; das ist auch wichtig. Es betrifft nicht nur die Künstler, die keine Möglichkeit mehr haben, irgendwo günstig Ateliers zu bekommen. Die Künstler sagen es in ihrem Manifest deutlich, dass die sozial Schwachen in weiten Teilen der Stadt betroffen sind. Es gibt viele Menschen im inneren Bereich der Stadt, die hier kein „Recht auf Stadt“ mehr haben, sondern vertrieben werden. Die Künstler selber sind nur ein Teil von ihnen. Ich finde es toll und sehe es als einen Fortschritt an, dass sie nun gemeinsam mit anderen Initiativen sagen: Wir wollen, dass es in dieser Stadt nicht so weiter geht wie bisher, wir wollen ein „Recht auf Stadt“. Ich finde, es ist eine vornehme Aufgabe, das zu unterstützen.

Das würde aber bedeuten, dass wir einen kräftigen Bruch machen. Frau Martens hat so ganz nebenbei deutlich gemacht, wie die Situation ist. Sie sagte, sogar – das hat sie betont – das Immobilienmanagement sei jetzt bei den Gesprächen dabei. Dabei ist das eine Selbstverständlichkeit. Wir brauchen diese Immobilien, um in der Lage zu sein, eine gute Stadtentwicklung zu haben. Ich habe bei der CDU schon lange den Verdacht, dass ihr durch ihre Verbindungen zum Immobilienmanagement – durchaus auch zum privaten Immobilienmanagement – die Interessen der Immobilienhaie wichtiger sind als ihr Interesse an einer guten Entwicklung dieser Stadt.

Wir werden diese Auseinandersetzung weiter verfolgen und ihre Auswirkungen feststellen können. Das bedeutet für das Gängeviertel: Es gibt keinen Kompromiss zwischen dem Investor und der Initiative im Gängeviertel. Es ist nicht vorstellbar, dass der Investor eine gute Lösung hervorbringt. Es muss gebrochen werden mit dieser Logik und es muss gebrochen werden mit diesem Investor, sonst kann das Gängeviertel nicht die Aufgabe erfüllen, die wir hier alle so schön und einvernehmlich bereden. Das ist der entscheidende Punkt, an dem sich die kreative Politik des Senats zeigen wird. Wenn er nicht in der Lage ist, diesen Schritt zu machen, sind seine Tage kürzer als die Legislaturperiode.