Plenarprotokoll 20/42: Elbvertiefung: Umweltbelange ignoriert – Senat muss endlich mit Verbänden reden!

Dora Heyenn DIE LINKE:* Frau Präsidentin, meine Damen und Herren!
Die Argumente und Standpunkte von einigen Fraktionen in diesem Hause ändern sich ins Gegenteil, je nachdem, ob sie Opposition sind oder Regierung. Das irritiert mich sehr und es wird dem Ernst der Lage auch nicht gerecht.

(Beifall bei der LINKEN)

Fangen wir mit der HSH an. Wer war es denn, der 2009 den sogenannten Rettungsplan für die Bank beschlossen hat? Das waren die CDU, die GRÜNEN und die SPD. Unsere Skepsis wurde wie gewohnt in den Wind geschlagen.

(Finn-Ole Ritter FDP: Die FDP war es nicht!)

– Die war ja auch nicht dabei. Spätestens, nachdem Nonnenmacher 2009 die gesamte Bürgerschaft am Nasenring durch die Stadt gezogen hat, hätte der Senat seine Kontroll- und Mitspracherechte konsequent wahrnehmen müssen. Trotz eines Bürgerschaftsbeschlusses, dass die Bank keine Boni und sonstigen Abfindungen zahlt, solange die HSH ein Sanierungsfall ist und am Tropf von Steuergeldern hängt, forderte Nonnenmacher Millionen ein und er bekam sie. Also hat Schwarz-Grün seine Gestaltungsräume gegenüber der HSH keineswegs zum Wohle der Stadt ausgeschöpft.

(Beifall bei der LINKEN und bei Gabi Dobusch SPD)

Das tut dieser Senat auch nicht, wenn ich die Berichte in den Medien richtig verfolge. Dass Sie, Herr Senator Tschentscher, das Aufsichtsratsmandat nicht wahrnehmen und dass an Aufsichtsratssitzungen in dieser Krisensituation kein Vertreter der Stadt teilnimmt, ist wirklich ein Skandal, da muss ich der CDU ausnahmsweise einmal recht geben.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU und bei Dr. Eva Gümbel GRÜNE)

Auch dieser Senat lässt sich von der HSH auf der Nase herumtanzen. Wie ist es eigentlich hinzunehmen, dass Herr Kopper im Alleingang einen Vorstandschef entlässt, benennt und einstellt, und niemand regt sich darüber auf? Das ist auch ein Skandal.

(Beifall bei der LINKEN)

Davon einmal abgesehen ist die Lage so ernst wie offenkundig noch nie zuvor. Wahrscheinlich werden die Bürgschaften von Hamburg und Schleswig-Holstein zu über 50 Prozent in Anspruch genommen,

(Jan Quast SPD: Nein, selbst das ist falsch!)

so jedenfalls der geschasste Paul Lerbinger. Da bleibt nicht viel Spielraum. Schleswig-Holstein ist zahlungsunfähig, das heißt, die Last hat allein Hamburg zu tragen. Dann können wir unseren laufenden halben Meter Haushaltsentwürfe und unsere kiloschweren Protokolle aus den Ausschusssitzungen alle in die Tonne treten, und dann werden Sie, CDU, FDP, GRÜNE und SPD, neu über die Schuldenbremse nachdenken müssen.
Jetzt zur Elbphilharmonie, dort ist es das Gleiche. Alle Parteien und Fraktionen – außer der LINKEN natürlich – haben jeden Beschluss für die Elbphilharmonie mitgetragen. Kostensteigerungen und Konflikte mit Architekten und Baufirmen waren an der Tagesordnung. Bürgermeister Scholz hatte versprochen, ordentlich zu regieren, und Senatorin Kisseler hat hier in einem denkwürdigen Auftritt versprochen, dass der SPD-Senat Schluss mit den Spielchen mache, wie sie es genannt hat. Nichts davon wurde eingehalten und jetzt wird gar nicht mehr gebaut. Das wäre noch nicht mal so schlimm, aber selbst das kostet Riesensummen, jeden Monat 12,5 Millionen Euro. Es bleibt dabei: Hamburg kann sich so eine Nobeletage nicht leisten, und der Senat kann es sich nicht leisten, immer wieder vorgeführt zu werden. Auch das führt zu Politikverdrossenheit.

(Beifall bei der LINKEN)

Nun zur Elbvertiefung. Das ist wirklich der Gipfel, man kann doch jetzt nicht anfangen, die Richter zu beschimpfen, nur weil einem die Entscheidung nicht passt.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Das hat hier überhaupt keiner getan!)

Eine Elbvertiefung, Herr Balcke, ist eben mehr als nur eine technisch zu lösende Fahrrinnenanpassung. Da kann ich Ihnen nur zurückgeben, dass die SPD-Fraktion immer, wenn Scholz irgendetwas vorgibt, sagt: „Ich bin dafür“, und dann erst fragt, worum es eigentlich geht.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei der CDU und den GRÜNEN)

Alle Fraktionen – außer der LINKEN natürlich – haben der letzten Elbvertiefung zugestimmt.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Das einzig Wahre sind die LINKEN!)

Das müssen Sie sich anhören, das hilft nichts.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Und was ist mit den Arbeitsplätzen?)

Die GRÜNEN, die sich jetzt als Schutzpatron für die Umweltverbände aufspielen, haben zu Beginn der schwarz-grünen Koalition hier vorne erklärt, dass sie die nächste Elbvertiefung, die jetzt noch in der Planung und im Streit sei, noch mittragen würden, aber das sei dann wirklich die letzte. Jetzt, in der Opposition, scheinen Sie das alles vergessen zu haben. Solch ein Paradigmenwechsel in der Rolle von Oppositions- zu Regierungsfraktion ist unseriös und fördert die Politikverdrossenheit.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Jetzt noch mal zu den Spuren der Elbvertiefung, die wir täglich spüren. Die vereinbarten Ausgleichsflächen sind immer noch nicht vollständig hergestellt. Einige der bereitgestellten Gebiete sind reine Mogelpackungen, und täglich muss Schlick aus der Elbe in den Hafen ausgebaggert werden. Wir fordern – letzter Satz – den Hamburger Senat auf, dringend ein Entsorgungskonzept für den Hafenschlick zu erarbeiten, und wir hoffen, dass letzten Endes nicht eine Variante herauskommt, dass dieser vor der afrikanischen Küste verklappt wird.

(Beifall bei der LINKEN)

Plenarprotokoll 20/42: Elbvertiefung: Umweltbelange ignoriert – Senat muss endlich mit Verbänden reden!

Zweiter Beitrag

Norbert Hackbusch DIE LINKE:* Herr Präsident, meine Damen und Herren!
Werte Sozialdemokraten – und Sozialdemokratinnen natürlich, aber die haben eben, das ist mir schon aufgefallen, nicht ganz so geschrien, deswegen ging es mir vor allen Dingen um diejenigen, die so geschrien haben. Wenn man sich einmal überlegt, was passiert ist, so würde ich Ihnen doch gerne einige Sachen ans Herz legen wollen und Sie auffordern zu überlegen, worüber wir uns eigentlich hier auseinandersetzen. Es gibt ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts,

(Dr. Andreas Dressel SPD: Nein, es gibt kein Urteil!)

das entschieden hat, dass so lange an der Elbe nichts gemacht werden darf, bis das endgültige Urteil gefällt worden ist, weil alles, was man dort gegenwärtig in Richtung Elbvertiefung unternähme, praktisch unwiederbringlich etwas zerstören würde.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Stimmt auch nicht!)

Das „Hamburger Abendblatt“ hat dazu geschrieben, das sei eine vorhersehbare Entscheidung des Gerichts gewesen, weil sie auch vernünftig sei. Bevor endgültig entschieden werde, dürfe man nicht bauen und etwas zerstören. Es ist doch ganz normal, dass man sich darüber so verständigen kann.

(Wolfgang Rose SPD: Das hat auch keiner bestritten!)

Ich verstehe nicht, warum man darüber so schreit. Worüber Sie sich so ärgern, ist Ihre Art und Weise von Politik, die Sie in den letzten zwei, drei Jahren dazu gemacht haben. Wir haben in der letzten Legislaturperiode bei vielen Punkten gemeinsam argumentiert, aber in einem Punkt waren Sie für mich unverständlich, wenn Sie verkündet haben, Sie würden die Elbvertiefung ohne Schwierigkeiten durchsetzen und der CDU-Senat sei unfähig dazu. Das war eines der wichtigsten Argumente, mit denen Herr Scholz in den Wahlkampf gezogen ist. Es hat sich erwiesen, dass Sie dort den Mund zu voll genommen haben und es nicht zu realisieren war, wie Sie es dargestellt haben.

(Beifall bei der LINKEN und der CDU)

Das finde ich gar nicht so schlimm, man kann einmal den Mund zu voll nehmen und zu viel versprechen.

(Finn-Ole Ritter FDP: Das kommt bei Ihnen auch mal vor!)

Aber die Frage ist doch jetzt, warum das an dieser Stelle so schwierig ist und warum etwas kaputtgegangen und beschädigt ist; das ist noch gar nicht zur Sprache gekommen. In den letzten zwei Jahren sind Sie als SPD-Senat durch die Welt gereist und haben den Reedereien versprochen, dass in dieser Stadt ab 2012 auf jeden Fall gebaggert und die Elbvertiefung erreicht werde. Das haben Sie China Shipping, COSCO und all denen, wo ich das in gewisser Weise mitbekommen habe, versprochen. Sie haben etwas versprochen, was man nicht versprechen konnte, wie sich heute zeigt, das heißt, Sie haben den Mund zu voll genommen. Sie sind auf dem Bauch gelandet, und dummerweise ist die Stadt mit auf dem Bauch gelandet.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei der CDU)

Das ist es, was der Stadt gegenwärtig schadet und uns auf die Füße fällt. Dafür sind Sie ganz konkret verantwortlich, und dazu müsste man doch einen selbstkritischen Satz sagen können, weil das den Ruf dieser Stadt natürlich zerstört in dem Augenblick, wo man den Mund zu voll nimmt und etwas verspricht, was man gar nicht halten kann, und das Bundesgericht dementsprechend beschimpft wird.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Keiner hat das Bundesverwaltungsgericht beschimpft!)

Herr Balcke, das Bundesverwaltungsgericht darf nicht so beschimpft werden, wie Sie es getan haben. Sie haben alle Leute, die auf das Gerichtsurteil hingewiesen haben, mit überschlagender Stimme als Unpatrioten bezeichnet.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Das bezog sich auf die Verbände!)

Jemand, der so herumschimpft und so arrogant ist, stellt eine Gefahr dar; solche Leute dürfen nicht regieren.

(Beifall bei der LINKEN)

Das sind Situationen, in denen einem das in gewisser Weise auf die Füße fällt. Das ist Arroganz pur, und diese Hamburger Arroganz wird, das zeigt auch dieses Gerichtsurteil, nicht mehr so lange existieren können.
Das Zweite, was für mich auch völlig erschreckend war, ist das, was unser Wirtschaftssenator vorgetragen hat. Er hat einen Zettel vorgelesen, der vor anderthalb Monaten geschrieben worden ist. Das geht angesichts dieser dramatischen Situation nicht, und dementsprechend hoffe ich, dass Herr Scholz das jetzt aktualisieren wird.

(Beifall bei der LINKEN)

Dritter Beitrag

Norbert Hackbusch DIE LINKE: Herr Präsident, meine Damen und Herren!
Ich bin nicht ganz sicher, ob wir jetzt noch einmal zu einer ernsthafteren Debatte zurückfinden.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Nach der Rede von Herrn Kerstan ist das nicht schwierig!)

Aber wir werden es noch einmal probieren. Ich muss die Kritik von Herrn Kerstan ausdrücklich unterstreichen an dem Punkt, dass der Bürgermeister im Wesentlichen nichts weiter gesagt hat als: Es war ganz schwer, was wir bei all diesen Punkten übernommen haben, und weil das so schwer war, werden wir noch eine Zeitlang daran arbeiten. Das ist für eine politische Erklärung zu diesen drei wichtigen Punkten nicht ausreichend.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei den GRÜNEN)

Ich sehe durchaus ein, dass das in fünf Minuten, wo alles Mögliche in einer Rede zusammengepackt wird, auch einmal misslingen kann. Aber ich habe das auch in den letzten Tagen, als diese Fragen diskutiert worden sind und ausführliche Interviews gegeben wurden, nicht anders erlebt. Als Beispiel nenne ich nur die Demut, die Sie angekündigt und gefordert haben. Die Ankündigungspolitik des Hamburger Senats gegenüber den Reedern der Welt im Zusammenhang mit der Elbvertiefung wäre doch eine klassische Gelegenheit gewesen, die Demut, die Sie von der CDU gefordert haben, was durchaus berechtigt ist, selbst zu zeigen und zu sagen, wir haben uns geirrt, das war ein Fehler und wir werden versuchen, ihn zu korrigieren, statt nur zu sagen, alles, was wir gemacht haben, war richtig. Auf die Art und Weise wird man nicht nachhaltig Politik machen können.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich will Ihnen noch etwas sagen. Das Problem mit der HSH Nordbank, wie Sie es dargestellt haben, kennen wir seit Jahren. Das Problem in diesem Jahr ist, dass das Risiko innerhalb der HSH Nordbank in den letzten Monaten noch einmal dramatisch angewachsen ist. Dazu brauchen wir eine Stellungnahme. Die Reaktion darauf von Herrn Kopper – Herrn Peanuts-Kopper, wenn Sie sich noch daran erinnern – war die mehr oder weniger fristlose Kündigung von Herrn Lerbinger. Die fristlose Kündigung von Herrn Lerbinger – nur für das sozialdemokratische Herz – kostet die Stadt so viel, dass man davon zum Beispiel das Spielhaus in Neuwiedenthal, das jetzt auf der Kürzungsliste steht, 30 Jahre lang weiterführen könnte. Das wurde einfach so nebenbei gemacht und uns noch nicht einmal verkündet und auch nicht offenbart, worin eigentlich die Begründung besteht. Das nur zu den Dimensionen, zu denen Sie hier nicht Stellung nehmen.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei den GRÜNEN)

Es geht nicht nur darum, dass Ihnen in einer freien Rede von fünf Minuten etwas herausrutschen kann, Herr Bürgermeister. Das kann geschehen, aber in der Politik insgesamt darf das nicht geschehen. Da erwarten wir in den nächsten Tagen andere Äußerungen.
Zum Schluss zur Elbphilharmonie. Sie sind dort Ankündigungsweltmeister. Sie haben in diesem Jahr dreimal angekündigt, dass der Durchbruch da sei. Ich war dreimal in Talkshows und musste mich an diesen berühmten Diskussionen beteiligen. Ihre Fraktion hat Sie da wunderbar vertreten und mitgeteilt, das sei der Durchbruch, den wir jetzt sehen würden. Wir sehen, dass es keinen Durchbruch gegeben hat; Demut sieht anders aus. – Danke.

(Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und bei Dietrich Wersich CDU)