Plenarprotokoll 20/50: Fortführung der Verhandlungen zur Elbphilharmonie hier: Übermittlung eines aktualisierten Angebotes durch HOCHTIEF
Norbert Hackbusch DIE LINKE:* Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich etwas Grundsätzliches sagen. An und für sich war die Rede von Herrn Wersich gut,
(Wolfhard Ploog CDU: Was heißt „an und für sich“?)
aber es war im Ursprung keine gute Rede. Eines möchte ich deutlich sagen: Der Tag, an dem diese Bürgerschaft einen einstimmigen Beschluss über die Elbphilharmonie gefasst hat und die Art und Weise, wie dies durchgeführt wurde – das müssen wir mit den heutigen Drucksachen doch auf jeden Fall feststellen –, ist einer der peinlichsten Momente, die diese Bürgerschaft je erlebt hat.
(Beifall bei der LINKEN)
Es ist eine der größten Niederlagen der politischen Klasse und wirklich hochnotpeinlich. Das haben wir in allen Bürgerschaftsdiskussionen festgestellt. Ich will Ihnen auch sagen, warum. Schauen Sie sich einmal die gesamte Diskussion über Preissteigerungen bei aktuellen Bauprojekten in der Bundesrepublik an. Sie werden feststellen, dass Hamburg und die Elbphilharmonie bisher wirklich einmalig sind. Anders als alle anderen Großbauprojekte haben wir mindestens eine Verfünffachung, wenn nicht eine Verzehnfachung des Preises, den wir als Bürger zu bezahlen haben. Das ist einmalig dumm,
(Beifall bei der LINKEN – Olaf Ohlsen CDU: Schlauredner!)
und es ist entsprechend zu kritisieren. Zu sagen, Sie hätten das damals alle gemeinsam toll gemacht, ist wirklich peinlich, darüber kann man nicht hinweggehen.
(Zurufe von Finn-Ole Ritter FDP – Olaf Ohlsen CDU: Du bist ja nicht dabei gewesen, Hackbusch!)
– Genau so sehen Sie, Herr Ritter, auch aus. Sie wollen Vorsitzender der FDP werden und meinen, die 500 Millionen Euro könnte man auch noch rausschütten. So gehen Sie mit Geld um, peinlich, peinlich. Gegenwärtig ist das nur der Anfang einer Debatte, denn die fünfseitige Drucksache vermittelt noch nicht so richtig, wo wir gegenwärtig stehen. Es gibt einige dürre Zahlen, aber um das ernsthaft diskutieren zu können, müssen wir natürlich mehr Informationen bekommen, das haben alle Redner ausgeführt. Doch ich bin schon jetzt äußerst skeptisch. In diesem Papier tauchen einige Begriffe auf, die
alle Spezialistinnen und Spezialisten in Sachen Elbphilharmonie schon kennen, zum Beispiel der Begriff Pauschalfestpreis.
(Dora Heyenn DIE LINKE: Genau! Ganz genau!)
Hier gehen bei mir alle Alarmglocken an. Sie sind sehr mutig, diesen Begriff zu benutzen und müssen das wirklich gut begründen. Herr Bürgermeister, zweitens haben Sie es gewagt zu sagen, HOCHTIEF verpflichte sich, kein Claim-Management mehr zu machen. Sprechen Sie einmal mit irgendjemandem von der Bauwirtschaft. Alle werden Ihnen sagen, dass es kein Bauunternehmen in der Bundesrepublik gibt, das kein Claim-Management macht. Sie können noch so viel versprechen, aber nur dann, wenn sich dies rechtlich durchsetzen lässt – und das wird es nicht –, wird es anders aussehen. Ich habe deshalb das Gefühl, dass Sie mit Naivität an die Sache herangehen. Wir werden das genau beobachten.
Weiter ist wichtig, dass wir seit Dezember 2008 eine völlig veränderte Situation dessen haben, auf was die Stadt gebaut hat; ich will das genauer ausführen. Seit Dezember 2008 hat die ReGe einen großen Anteil der 40 Millionen Euro, die wir in den vergangenen Jahren für ihre Arbeit ausgegeben
haben, darauf verwendet, um gewissermaßen ein Gegen-Claim-Management gegenüber HOCHTIEF aufzubauen.
Das wurde von uns allen in der Bürgerschaft unterstützt, weil wir meinten, gegen ein Bauunternehmen wie HOCHTIEF antreten zu können. Es wurden Akten gefüllt und unglaublich viel geprüft im Gegensatz zu dem, was bei Nachtrag 4 alles nicht geprüft wurde, was vernünftig war und was HOCHTIEF nicht gemacht hat. Mit dieser Entscheidung, Herr Bürgermeister und SPD-Fraktion,treten Sie alles, was dort in den vergangenen Jahren aufbereitet wurde, in die Tonne und meinen, das wird mit HOCHTIEF schon irgendwie gut gehen. Diesen Schritt möchte ich begründet bekom men, denn für diese Arbeit der ReGe wurden wirklich Dutzende von Millionen Euro ausgegeben.
Man muss sehr mutig sein, um einen solchen Schritt zu tun. Wir werden kritisch nachvollziehen, was dort schon gemacht worden ist. Ich komme zum letzten Punkt. Die 575 Millionen Euro, die gegenwärtig als Preis genannt werden, beziffern natürlich auch nicht die wahre Summe; das hat Herr Wersich schon ausgeführt. Dieses Geld erhält HOCHTIEF netto von der Stadt, das heißt, sämtliche Kosten, die bisher für die Architekten anfielen, alle künftigen Kosten für die ReGe, die Umsatzsteuer, sämtliche Kosten für Toyota – auch bei den Klangkörpern ist mir noch nicht klar, wie die bezahlt werden – sind noch nicht eingepreist.
Es werden noch etliche andere Kosten dazukommen. Wir verlangen von Ihnen, dass Sie nicht nur den Nettobetrag für HOCHTIEF nennen, sondern dass Sie sagen, wie teuer das Projekt insgesamt für diese Stadt wird. Ich bin mir sicher, dass es ein Betrag weit über 800 Millionen Euro
sein wird, aber das werden wir uns in der Drucksache ansehen.
Zusammengefasst: Wir haben die peinlichste Sache aufzuarbeiten, die diese Bürgerschaft je beschlossen hat. Wir werden sehr sorgfältig damit umgehen. Ich befürchte, dass sich die SPD als Nächste – nachdem es vorher schon Schwarz-Grün passiert ist – über den Tisch hat ziehen lassen.
(Dr. Andreas Dressel SPD: Nur DIE LINKE, die hat immer recht!)
Das ist meine Kritik, und auf diese Punkte werden wir kritisch achten; mal gucken, was die Debatte noch bringt.
(Beifall bei der LINKEN)
Zweiter Beitrag
Norbert Hackbusch DIE LINKE:* Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich will nicht wiederholen, was schon von anderen gesagt worden ist, denn das ist in weiten Bereichen sehr gut, auch im Zusammenhang mit Transparenz. Auf zwei, drei Punkte will ich kurz eingehen. Der erste Punkt geht an die SPD-Fraktion. Man muss sich schon ungefähr einigen, wofür man eigentlich ist. Sie haben in dem Augenblick, wo Herr Dressel sagte, dass eine Aktenvorlage kein Problem sei, frenetisch geklatscht, aber auch in dem Augenblick, als Frau Kisseler sagte, dass es ein Bärendienst im Zusammenhang mit der Stadt sei, wenn wir Aktenvorlage verlangen. Sie müssen sich irgendwann entscheiden, wofür Sie sind.
(Beifall bei der LINKEN, der CDU, den GRÜNEN und der FDP – Jan Quast SPD: Über den Zeitpunkt reden wir! – Dr. Andreas Dressel SPD: Der Zeitpunkt ist das Entscheidende!)
Und ein bisschen nachdenken müssen Sie auch, wenn Sie frenetisch klatschen.
(Beifall bei der LINKEN, der CDU, den GRÜNEN und der FDP)
Zum zweiten Punkt, der mich irritiert. Wir stellen fest, dass wir für eine professionelle Betrachtung der gegenwärtigen Situation keine Unterlagen, sondern nur einige Schlagworte haben. Der Senat stellt das Ganze als Erfolg dar. Wir können gegenwärtig keine kritische Wertung vollführen und sagen das auch. Aber Sie sagen nun, die professionelle Öffentlichkeit habe Ihnen recht gegeben, dass dieser Schritt, den der Bürgermeister verkündet hat, richtig sei. Das geht nicht. Sie müssen doch auch zugeben, dass eine kritische Beurteilung dessen, was dort geschehen ist, nur durch das Parlament möglich ist. Bei aller Begeisterung für die schreibende Zunft: Diese als Unterstützung heranzuziehen, um zu belegen, dass die Entscheidung richtig ist, funktioniert nicht.
(Beifall bei der LINKEN und bei Robert Heinemann CDU)
Und Sie wissen auch, dass das keine richtige Betrachtungsweise ist. Sie haben viel Selbstkritik von Schwarz-Grün eingefordert – dabei haben Sie immer meine Unterstützung –, aber für Ihre eigene Politik der letzten zwei Jahre haben Sie keine selbstkritischen Worte gefunden. Dabei war es nicht so, dass alles zusammenpasst, sondern Sie haben einen Strategiewechsel vorgenommen. Dieser Strategiewechsel eines Konfrontationskurses mit HOCHTIEF hat uns viel Geld gekostet, und es ist nicht nachgewiesen, inwieweit sich das für die Stadt gelohnt hat.
(Präsidentin Carola Veit übernimmt den Vorsitz.)
Sie haben bisher nichts dazu vorgelegt, wo weiterhin die Risiken sind. Stattdessen verbreitet der Bürgermeister wieder einmal, dass dieser Vertrag mit HOCHTIEF risikofrei sein werde. Das werden wir uns sehr genau anschauen und kritisch nachfragen. Die professionelle Öffentlichkeit konnte Ihnen bisher noch nicht recht geben, weil sie noch gar nicht professionell kritisch nachfragen konnte, und deswegen sind wir erst am Anfang dieser Debatte.
(Beifall bei der LINKEN und bei Robert Heinemann CDU)