Plenarprotokoll 20/85: Bericht des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses „Elbphilharmonie“

Norbert Hackbusch DIE LINKE: Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Links-Fraktion begrüßt diesen zweiten Bericht. Wir finden, dass dort vieles Interessantes steht und auch vieles Erklärendes. Wir werden uns trotzdem enthalten, weil wir nicht mit allen Punkten übereinstimmen.

(Gerhard Lein SPD: Echt? – Sören Schumacher SPD: Ist doch ’ne Kenntnisnahme!)

Das werde ich gleich genauer ausführen. Aber ich möchte Sie alle auffordern, als Werbung für diesen PUA, zumindest die Zusammenfassung zu lesen, denn das ist ein wirklicher Wirtschaftskrimi. Wir stellen dort einen Größenwahn der Eliten dieser Stadt fest, gepaart mit einer Täuschung der Bürgerschaft. Das sind lauter Worte aus dem Bericht. Die Bürgerschaft ist über das, was dort geschehen ist, getäuscht worden. Das muss jeden von uns in diesem Saal elektrisieren, und darüber müssen wir uns auseinandersetzen.

(Beifall bei der LINKEN und bei Silke Vogt-Deppe und Ekkehard Wysocki, beide SPD)

Wir müssen uns darauf konzentrieren, dass so etwas nicht noch einmal passieren kann. Und da verlange ich die Leidenschaft in diesem Parlament, zumindest die Zusammenfassung zu lesen, denn es lohnt sich. Ich glaube, Sie werden erstaunt sein, was dort alles steht. Ich will versuchen, Ihnen einige Dinge noch etwas klarer zu machen, was dort eigentlich beschlossen wurde. Das Erste ist einer der wichtigen Momente, als damals – wir waren leider nicht dabei und hätten gern unsere Gegenstimmen dazu abgegeben – das Ganze einstimmig in der Bürgerschaft beschlossen worden ist. Man hat gesagt, man werde die Elbphilharmonie günstig errichten können, weil man das Hotel und die Wohnungen bauen werde, und diese würden die Elbphilharmonie finanzieren. Das war die Grundidee, und weil sich das gut anhörte, haben viele in dieser Stadt zu Recht gedacht, dass das möglich wäre. Das hat sich im Rahmen der Entwicklung plötzlich völlig umgekehrt, und zwar aufgrund dieser berühmten Sache, bei der wir alle Schwierigkeiten haben, nämlich das Forfaitierungsmodell. Aufgrund dessen hat sich die Stadt plötzlich entschieden, dieses Luxushotel selbst zu bauen. Wir haben ausgerechnet, wie teuer das mittlerweile geworden ist. Über 420 Millionen Euro bezahlen wir für das, was uns eigentlich Geld bringen sollte.

(Andreas C. Wankum CDU: Wie kommen Sie zu dieser Zahl? Wo haben Sie die eigentlich her?)

– Die werden wir zusammen im Ausschuss noch einmal diskutieren. Wir haben es Ihnen jetzt dreimal vorgelegt, Herr Wankum, Sie haben das mehrfach lesen können. Sie können meinetwegen sagen, dass die Zahlen falsch seien, aber es sind die Grundlagen, die wir dazu ausgerechnet haben. Und das zeigt, dass das einer der großen Punkte war. Das ist entschieden worden – und das ist der Skandal –, und zwar nicht von der Bürgerschaft, die hat das gar nicht mitbekommen. Es gibt noch nicht einmal ein Papier, auf welcher Grundlage das entschieden worden ist. Es wurde entschieden im September 2006 in einem Bürgermeistergespräch, zu dem es noch nicht einmal ein Protokoll gibt. Die wichtigste Entscheidung im Zusammenhang mit diesem Projekt wurde in einem Bürgermeistergespräch entschieden ohne Protokoll,

(Dirk Kienscherf SPD: So waren die damals!)

ohne dass wir überhaupt wissen, was dort geschehen ist. Wir konnten das bisher im PUA nicht nachvollziehen. Ich finde, das ist einer der Skandale, die bisher noch viel zu wenig eachtet wurden.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Das ist die Verantwortung des Bürgermeisters Ole von Beust, der immer noch einen guten Ruf in dieser Stadt hat. Aber er hat genau diese Entscheidung in dem Bürgermeistergespräch gefällt. Dementsprechend ist es doch seine verdammte Pflicht und Schuldigkeit gegenüber den Bürgern in dieser Stadt und auch gegenüber uns, der Bürgerschaft, die so übergangen wurde, uns zumindest zu erklären, was er sich damals gedacht hat und wie das hat passieren können. Stattdessen hat er sich im PUA an nichts erinnern können. Bei der Möglichkeit, im Zusammenhang mit unseren Kritikpunkten im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss wenigstens dazu Stellung zu nehmen, sagte er, er übernähme die politische Verantwortung – mir wird ganz schwindelig dabei, wie wenig das eigentlich ausdrückt – und ansonsten wüsste er nichts und erinnern könne er sich auch nicht. Das können wir als Bürgerschaft nicht akzeptieren, und ich finde, wir sollten das gemeinsam anklagen.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei der SPD)

Wie wir in diesen Tagen merken, ist die ganze Situation ein bisschen kritischer geworden. Es ist nicht mehr so einfach zu sagen, man hätte politische Verantwortung. Der Bürgermeister wurde
zwar nicht abgewählt, sondern er ist vorher zurückgetreten, noch in allen Ehren. Dementsprechend muss man sich damit auseinandersetzen, was dort passiert ist.
Im April dieses Jahres wurde der ehemalige Finanzminister von Rheinland-Pfalz, Herr Deubel, zu dreieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt mit folgender Begründung: Deubel habe bei der Finanzierung des Nürburgringausbaus seinen politischen Spielraum überschritten, gegen das Gebot der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit verstoßen und damit den Straftatbestand der Untreue erfüllt. Das ist zumindest eine Anfrage, er hat sich nicht bereichert, er hat in gewisser Weise nur finanziell völlig versagt. Ich finde es von daher interessant, dass die Staatsanwaltschaft jetzt in Hamburg anhand des Berichts zur Elbphilharmonie diesen Test durchführt, inwieweit bei diesem Punkt etwas Ähnliches zu untersuchen ist. Das ist der eine wichtige Teil.
Der zweite wichtige Teil bezieht sich darauf, wer eigentlich die Verantwortung dafür hat. Es wird nämlich sehr häufig diskutiert, das sei die öffentliche Hand und die sei nicht in der Lage, das zu organisieren, man müsse so etwas mehr an Private vergeben. Herr Wankum wird das gleich noch einmal genauer ausführen, denke ich; Herr Bläsing hat das eben auch gern ausgeführt. Das, was mit der Elbphilharmonie gemacht wurde, ist hohe Privatisierung in einer Art und Weise, wie wir das in dieser Stadt bisher noch nicht kennengelernt haben. Alle Behördenstrukturen, die unter normalen Umständen so etwas in dieser Stadt kontrollieren, wurden ausgeschaltet zugunsten der Konstruktion Wegener,

(Andreas C. Wankum CDU: Das ist doch unwichtig!)

Ole von Beust und Herr von Schön. Diese drei haben das im Wesentlichen entschieden, denn sie haben gesagt, dass sie dieser Behördenapparat nur hindern würde. Der Test der Praxis hat hier
völlig versagt, und ich verlange von der CDU, dass sie das einmal auf sich bezogen kritisch anschaut und überlegt, ob das nicht falsch war.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei der SPD)

Aber es geht leider weiter, denn das Problem dabei ist, dass wir bestimmte Aufträge vielfach an private, renommierte Leute vergeben haben. Ich habe mir mehrfach schildern lassen, wie es denn aussah, warum viele Abgeordnete gesagt haben, sie stimmten dem zu, obwohl sie es kritisch sehen würden. Da gab es die berühmte Vertragsjuristin Frau Jasper, die alle beruhigt hat. Sie hat, wie wir wissen, so geschickt formuliert, dass sie keinen Fehler gemacht hat. Aber sie hat das Vertragswerk nicht gut kontrolliert, der Meinung bin ich durchaus, und das muss kritisch hinterfragt werden. Das ist privatisiert worden, da ist schlecht gearbeitet worden.

(Beifall bei Jan Quast SPD)

Ich nenne Ihnen ein anderes, noch viel schlimmeres Beispiel, das bisher noch nicht so bekannt ist. Wir alle in der Bürgerschaft haben uns mit dem Pauschalfestpreis auseinandergesetzt, das war ein zentrales Moment. Alle haben gesagt – auch Herr Wegener –, dass der Pauschalfestpreis uns retten werde und dass das überhaupt das Sicherste sei. Wir haben jetzt im PUA herausgefunden, wer denn diesen Pauschalfestpreis geprüft hat. Das war nicht nur Herr Wegener, der sich das hat erzählen lassen, sondern das war auch die berühmte Unternehmensberatung Ernst & Young. Ernst & Young hat festgestellt, dass der Pauschalfestpreis die Kostenrisiken aus Leistungsänderung und Zusatzleistungen völlig absichert. Eine berühmte Unternehmensberatung wie Ernst & Young mit einem solchen Namen erzählt so einen Mist. Ich verstehe nicht, warum der Senat die nicht verklagt hat, als festgestellt wurde, dass die Mist gebaut haben.
Aber es zeigt auch, dass wir uns auf diese fremde Expertise nicht einfach verlassen können, sondern dass diese Leute zum Teil Mist machen, und zwar so hochgradigen Mist wie Ernst & Young; das sollte man auch einmal breit öffentlich diskutieren.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei der SPD)

Wir haben verschiedene Dinge dahingehend diskutiert, dass die Bürgerschaft gestärkt werden soll. Das möchte ich jetzt beiseite legen und dem SPD-Senat noch eine Aufgabe geben. Eine der wichtigen Aufgaben, die dort festgestellt wurde, ist, dass wir in dieser Stadt zu wenig Expertise haben im Baubereich, sodass wir noch nicht einmal in der Lage sind, vernünftig zu kontrollieren, was diejenigen, denen wir extern die Aufträge geben, damit machen. Es wird eine wichtige Aufgabe des SPD-Senats sein, mit den nächsten Haushaltsberatungen und für die Zukunft uns darzulegen, wie wir die Bauexpertisen in dieser Stadt wieder neu aufbauen. Wir müssen nicht alles selbst machen, aber wir müssen gute Leute haben, die das kontrollieren können, denn sonst wird Elbphilharmonie immer wieder passieren. – Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN)