Unrecht an Gehörlosen: Linksfraktion fordert Anerkennung erlittenen Leids und Entschädigung

Mehr als ein Jahrhundert lang litten Gehörlose in Deutschland unter massiver Diskriminierung. Auf dem „Mailänder Kongress“ im Jahr 1880 (2. Internationaler Kongress der Taubstummenlehrer) war beschlossen worden, dass im Unterricht von Gehörlosen ausschließlich Lautsprache verwendet werden soll, obwohl die Kinder die Lautsprache ja nicht hören konnten. Fortan wurde die Gebärdensprache aus dem Unterricht verbannt – ihre Benutzung wurde Schüler*innen bei Strafe verboten. Einzig das Erlernen der Lautsprache und das Absehen vom Mund sollten im Unterricht stattfinden – die sogenannte „orale“ oder auch „deutsche“ Methode. Dieses Gebärdensprachverbot wurde erst 2002 offiziell aufgehoben mit der Anerkennung der Gebärdensprache. Die Folgen für die Betroffenen waren gravierend und hielten ein Leben lang an. Dazu zählen mangelnde Bildung und Probleme bei der sozialen, emotionalen und sprachlichen Entwicklung sowie schweres seelisches Leid.

Zur Anhörung im Sozialausschuss der Bürgerschaft vergangene Woche kamen rund 150 gehörlose Menschen. Viele berichteten von ihrem Leid – schilderten oft zum ersten Mal ihre Leidensgeschichte in der Öffentlichkeit, was sichtlich belastend war. Die Linksfraktion fordert in der heutigen Bürgerschaftssitzung, das erlittene Unrecht an Gehörlosen anzuerkennen, aber die Opfer auch zu entschädigen.

Dazu Cansu Özdemir, inklusionspolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke in der Hamburgischen Bürgerschaft: „Spätestens nach dieser zutiefst bewegenden Anhörung ist klar: Die staatlichen Institutionen haben sich an Generationen von tauben Menschen vergangen. Hamburg sollte bundesweit Vorreiterin sein und dieses Kapitel der psychischen, physischen und kulturellen Gewalt aufarbeiten und so den Hamburger Betroffenen einen niedrigschwelligen Zugang zu Entschädigungen eröffnen. Viele dieser Menschen sind schon im Rentenalter. Wir können ihnen nicht zumuten, noch länger zu warten.“