Blick aus dem Hauptgebäude JVA Fuhlsbüttel
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Unser Antrag zum Resozialisierungsgesetz: Bessere Betreuung, geringere Rückfallquote

Von  Martin Dolzer, justizpolitischer Sprecher der Linksfraktion

„Gemäß Paragraph 2, Satz 1 des Strafvollzugsgesetzes ist die Resozialisierung das wichtigste Vollzugsziel des Strafvollzugs. Darin heißt es: „Im Vollzug der Freiheitsstrafe soll der Gefangene fähig werden, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Strafe zu führen.“

Die Hamburger Gefängnisse sind jedoch weit davon entfernt, ein Ort zu sein, in dem dieses Ziel erreicht werden kann. Die Gefangenen werden weder vor ihrer Entlassung adäquat auf ihre Entlassung vorbereitet, noch werden sie nach ihrer Entlassung bei der Wohnungs- und Arbeitssuche unterstützt, oder bei Problemen mit der Gesundheitsversorgung und Suchtberatung, der Suche nach Ausbildungsangeboten, der finanziellen Absicherung und Schuldenberatung oder der sozialen Teilhabe begleitet. Auch gibt es viel zu wenige und manchmal auch nicht angemessene therapeutische Angebote.

Stattdessen herrscht allzu häufig ein „Verwahrvollzug“, der Gewalt, Unterordnung und eine weitere Verrohung fördert. Wenn die Inhaftierten arbeiten, werden sie nicht nach Tarif bezahlt. Dabei können sie sogar zur Arbeit gezwungen werden und sind dabei nicht einmal in die Sozial- und Rentenversicherung einbezogen.

Aber auch die Kontakte zur Außenwelt während der Haft sind nicht geeignet, eine Reintegration zu fördern. Aus einer einmaligen Erhebung für DIE ZEIT vom 1. Januar 2016 bis 1. Februar 2016 ergibt sich, dass 91 Prozent der jugendlichen Strafgefangenen keinen Besuch von ihren Rechtanwält_innen erhielten. 63 Prozent der Jugendstrafgefangenen bekamen in dieser Zeit keinen Besuch durch Angehörige und Verwandte. (siehe Drs. 21/5713)

Vor diesem Hintergrund wird ein Großteil der Gefangenen nicht nach zwei Drittel entlassen, sondern sitzen ihre Strafe bis zum letzten Tag ab. Ebenso sind die hohen Rückfallquoten – nicht nur im Hamburger Strafvollzug – Ausdruck dieser Verhältnisse. Auch wenn laut Drs. 21/5713 der Hamburger Senat dazu keine statistischen Daten bereithält, berichtet die Welt in einem Bericht vom 20.4.16, dass schon nach einem Jahr rund 40% der ehemaligen Gefangenen rückfällig geworden sind. Fachleute sprechen deswegen von einem Drehtürvollzug.

Die Realität des Hamburger Strafvollzugs macht aber nicht nur eine angemessene Resozialisierung der Gefangenen unmöglich – diese Art des Verwahrvollzugs ist teuer und reproduziert sich selbst. So ein Vollzug produziert immer neue Straftaten und damit auch neue Opfer von Straftaten. Dabei waren viele Täter – vor allem in ihrer Kindheit und Jugend – auch Opfer von Gewalt oder Missbrauch oder betroffen von sozialer Benachteiligung.

Die Beschäftigten im Strafvollzug sowie in der Hilfe nach dem Ende des Strafvollzugs sind mit der jetzigen Situation oft überfordert und werden im Stich gelassen. Alle Akteure, die im Bereich der Resozialisierung im Strafvollzug und außerhalb des Strafvollzugs arbeiten, beklagen die mangelnde Finanzierung oder die fehlende Unterstützung ihrer Arbeit. Ein Ausdruck davon sind die hohen Krankenraten im Strafvollzug.

Vor diesem Hintergrund will der Rot-Grüne Senat aus unserer Sicht auch eine Reform des Strafvollzugs und der Resozialisierung in Form eines Landesresozialisierungs- und Opferschutzgesetzes auf den Weg bringen. Die Fraktion DIE LINKE unterstützt eine solche Initiative. Ein solches Gesetz sollte sich aus unserer Sicht u.a. an den Zielen der Wiedereingliederung, der Haftvermeidung, der Prävention sowie an der Verringerung der Anzahl der Gefangenen orientieren.

Aus diesem Grund haben wir in der Bürgerschaft einen Antrag gestellt, in dem wir fordern, dass bei der bevorstehenden Neuregelung durch das Resozialisierungsgesetz eine Reihe von Maßnahmen berücksichtigt werden soll. Der Antrag wurde von sämtlichen Fraktionen in den Justizausschuss überwiesen.

Im Bereich der Vollzugsgestaltung fordern wir u.a., dass der offene Vollzug schrittweise zur Regelvollzugsform ausgebaut wird und dass im Regelvollzug zukünftig der Vollzug in Wohngruppen mit Wohngemeinschaften von maximal 20 Personen stattfindet.

Im Bereich von Behandlung und Therapie fordern wir, dass jedem/jeder Inhaftierten und Bewährungshilfeklient_in ein Angebot der Straftataufarbeitung in Einzel- oder Gruppengesprächen und bei Bedarf therapeutische Angebote zur Verfügung gestellt werden. Dazu ist die Verbesserung der Personalschlüssel erforderlich. Auf der Ebene der Abteilungsleitung sollten in Zukunft überwiegend Sozialarbeiter_innen/-pädagog_innen eingestellt werden.

Im Bereich Qualifizierung, Arbeit und Freizeitmöglichkeiten fordern wir u.a., dass die Qualifizierungs- und Schulungsmaßnahmen im Vollzug und Maßregelvollzug ausgebaut und die arbeitenden Inhaftierten in die Renten- und Sozialversicherung einbezogen werden. Im Haft- und Maßregelvollzug muss die weitgehende Vermeidung von Fremdbestimmung, sowie die Förderung von Möglichkeiten der eigenen Einflussnahme auf den Lebensalltag umgesetzt werden. Das heißt auch, dass selbstorganisierte Strukturen wie Gefangenenvertretungen und gewerkschaftliche Tätigkeit gefördert und auf keinen Fall negativ sanktioniert werden. Zudem sollte ein sozialer Arbeitsmarkt für straffällig gewordene Menschen in staatlicher Trägerschaft aufgebaut werden.

Im Bereich Wohnung nach der Haft fordern wir den Ausbau von betreuten Wohnformen für haftentlassene Menschen, sowie die entsprechende finanzielle Ausstattung freier Träger und den Auf- und Ausbau von Sozialwohnungen für Haftentlassene und straffällig gewordene Menschen.

 

Foto: Von GeoTrinity – Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0