10 Argumente, warum die Wohnungsbilanz des SPD-Senats keine Erfolgsgeschichte ist
Vorweg: Aus unserer Sicht gibt es bei einer wohnungspolitischen Bilanz zwei entscheidende Punkte, die auch für die Masse der Hamburgerinnen und Hamburger ausschlaggebend sind:
a) Hat sich die Wohnungsnot insgesamt, vor allem aber der Wohnungsmangel bei günstigen, erschwinglichen Wohnungen in den vergangenen vier Jahren verringert?
b) Ist der Mietenwahnsinn, der starke Anstieg bei Bestands-, aber insbesondere auch bei den Neuvermietungsmieten in den letzten vier Jahren gebremst oder gar zurückgedreht worden?
1. Ein selbstgegebenes Versprechen einzuhalten, ist honorig. Nur leider war das Versprechen von vornherein so angelegt, dass es an den realen Bedarfen Hamburgs vorbei ging. Und so ergibt sich, dass die SPD zufrieden ist – Selffulfilling Prophecy eben –, viele BürgerInnen Hamburgs aber unverändert unter der Wohnungsnot, speziell dem großen Mangel an günstigem Wohnraum, sowie unter dem anhaltenden Mietenwahnsinn leiden. Der Start dieses Senats in Sachen Wohnungspolitik war bezeichnend…schlecht, denn von Wohnungsmangel wollte Stadtentwicklungssenatorin Jutta Blankau zunächst nichts wissen. Erst nach massiven Protesten gegen die unzureichende Wohnungspolitik sah sich Bürgermeister Olaf Scholz Anfang Juli 2011 schließlich gezwungen, die „Wohnungsnot“ in der Stadt einzugestehen.
- Die Zielvorgaben des SPD-Senats 2011 waren von vornherein viel zu niedrig angesetzt, die realen Bedarfe wurden seitdem anhaltend unterschätzt!
2. Von 30.000 (HCU, Basse SAGA GWG), 90.000 (Engel & Völckers), sogar von 110.000 (Pestel-Institut) fehlenden Wohnungen in Hamburg war 2011 die Rede. In der Regierungserklärung von Bürgermeister Olaf Scholz vom 23.3.2011 fand diese Größenordnung allerdings keinen Niederschlag: „Wir brauchen 6.000 neue Wohnungen pro Jahr, um das entstandene Defizit auszugleichen.“ Und auch im „Arbeitsprogramm des Senats“ vom 10.5.2011 heißt es: „Das Ziel sind 6.000 neue Wohnungen pro Jahr.“ Über weit mehr als die Hälfte der Legislaturperiode mussten wir uns anhören, die SPD habe nie 6.000 Baufertigstellungen pro Jahr gemeint, vielmehr wäre es um Baugenehmigungen gegangen. In 2012 waren es lediglich 3.793 neu errichtete Wohneinheiten (WE), erst 2013 konnte die „magische Grenze“ überschritten und die Zahl von 6.407 WE verkündet werden, 2014 sollen es dann „mindestens 6.100“ geworden sein.
- Der Neubau seit 2011 hat den gravierenden Wohnungsmangel keinesfalls ausgeglichen!3. Um ein realistisches Bild vom Zuwachs an Wohnraum zu bekommen, ist nicht zuletzt die Zahl der – vom Senat gerne verschwiegenen – Abrissezu betrachten. 2012 waren es 618, 2013 immer noch 345, zusammen also 963 vernichtete WE, die in diesen beiden Jahren den 10.200 neu gebauten entgegen standen, macht also per Saldo 9.237 mehr Wohnungen Ende 2013 gegenüber Ende 2011. Stolz vermeldete der Senat auf seiner Pressekonferenz am 21.1.2015 „mindestens 6.100“ neu errichtete WE, die Zahl der abgerissenen konnte er nicht benennen.
- Der Senat argumentiert ständig mit Baugenehmigungen (in denen mensch nicht wohnen kann), entscheidend sind aber die Baufertigstellungen minus der Abgänge!
4. Genauso verhält es sich mit einem anderen, noch viel entscheidenderen Aspekt, dem Bevölkerungswachstum in Hamburg. 2012 hatte die Bevölkerungszahl um 16.085 zugenommen, 2013 um 12.070. Die Rede ist hier nicht von NeubürgerInnen, sondern vom absoluten Wachstum der Bevölkerung 2012 und 2013 um genau 28.155 BürgerInnen. Dem standen in den beiden Jahren per Saldo lediglich 9.237 WE gegenüber. Bei einer durchschnittlichen Haushaltsgröße in Hamburg von 1,81 Personen (2012) hat also der neu geschaffene Wohnraum nicht einmal gereicht, den Bedarf der Mehr-BürgerInnen abzudecken. Bezeichnenderweise hat der Senat die Zahl der neu errichteten WE im Jahre 2014 quasi per Hand ausgezählt, um sie auf der Pressekonferenz am 21.1. präsentieren zu können. Doch den Bevölkerungszuwachs in 2014 konnte der Senat nicht quantifizieren. Er dürfte erneut bei weit über 10.000 liegen und damit bestätigen, dass rein statistisch betrachtet der per Saldo geschaffene Wohnraum bestenfalls die Mehr-BürgerInnen versorgte, nicht aber den seit Jahren aufgestauten und 2011 eingestandenen Wohnungsmangel abbauen.
- Der Wohnungsneubau seit 2011 hat nicht einmal das anhaltende Bevölkerungswachstum ausgeglichen!
5. Der Senat betont immer wieder, Hauptsache, es würden Wohnungen gebaut werden, egal welche. Doch die frei finanzierten Neubauwohnungen (erst recht die Eigentumswohnungen) sind für wachsende Teile der normal- und geringverdienenden Bevölkerung nicht bezahlbar. Sie können sich Neuvermietungsmieten von 9,50 Euro/qm netto-kalt (so der Durchschnitt laut F+B – Forschung und Beratung für Wohnen, Immobilien und Umwelt GmbH – Anfang 2014; in der Studie des Gymnasiums Ohmoor vom 1.4.2014 wird die durchschnittliche Miete aller inserierten Wohnungen sogar mit 11,83 Euro/qm angegeben) schlicht nicht erlauben – oder geben notgedrungen nicht mehr 25 oder 30 %, sondern verbreitet inzwischen 40 %, vereinzelt sogar bis zu 50 % ihres Haushaltseinkommens für das Wohnen aus.
- Es ist seit 2011 vor allem teurer Wohnungsbau entstanden, die Wohnungsnot der Gering- und NormalverdienerInnen hat das nicht reduziert!
6. Zu den Kriterien, was da seit 2011 eigentlich vermehrt gebaut wurde, und inwieweit damit reale Bedarfe befriedigt werden konnten, gehört die vom Senat so hochgelobte Zielsetzung des so genannten „Drittelmixes“. Tatsächlich liegt die Eigentumsquote in Hamburg gegenwärtig bei 23 %. Wieso also visiert der Senat an, dass Wohnungsbaukapazitäten zu 33,3 % für den Eigentumsbereich reserviert werden sollen? Dass vor allem für die gut und bestens Verdienenden in dieser Stadt gebaut wird, ist auch daran zu erkennen, dass die 6.407 neu errichteten WE in 2013 eine Durchschnittsgröße von sage und schreibe 102,1 qm hatten. Welcher normal verdienende Singlehaushalt, welche TransferleistungsempfängerInnen, welcher SeniorInnenhaushalt kann sich eine so große Wohnung leisten, allemal bei den heutigen Quadratmeterpreisen?
- Mit Blick auf die höheren Profitraten werden in Hamburg seit Jahren vor allem sehr große und damit sehr teure Wohnungen gebaut und der Anteil der Eigentumswohnungen systematisch nach oben getrieben!
7. Es ist keineswegs egal, was da gebaut wird, entscheidend wäre vielmehr, die Wohnungsnot „von unten“ her aufzurollen, doch genau an diesem Punkt versagt der Senat. So ist der Anteil der mietenspiegelrelevanten Wohnungen unter 6,- Euro/qm netto-kalt stark rückläufig und von 2009 mit 44,8 8 % (= 244.946 WE) bis 2011 auf 32,7 % (= 175.534 WE) und schließlich in 2013 auf 24,3 % (= 131.706 WE) abgesunken, eine Halbierung in nur vier Jahren.
- Die Zahl der günstigen mietenspiegelrelevanten Wohnungen unter 6,- Euro/qm hat sich alleine von 2011 bis 2013 um 70.000 WE reduziert!
8. Hinzu kommt, dass auch die Sozialwohnungen des 1. Förderweges (Einstiegsmiete 6,20 Euro/qm netto-kalt) massiv rückläufig sind, obwohl 41 % aller berechtigten Haushalte (absolut 374.000) darauf einen Anspruch haben. Ende 2010, also kurz vor der SPD-Senatsübernahme, gab es in Hamburg noch 95.663 Sozialwohnungen, Ende 2013 waren es nur noch 86.680 („Stadtteil-Profile“, Ausgaben 2011 und 2014). Und diese Entwicklung wird bei anhaltender Politik weitergehen. Da nutzt es auch nichts, auf der Landespressekonferenz am 21.1.2015 davon zu schwelgen, dass im vergangenen Jahr durch Neubau, Modernisierung und Belegungsankäufe per Saldo 3.814 mehr Bindungen geschaffen worden seien als aus der Bindung herausgefallen sind. Denn alleine im Vorjahr 2013 sind fast 10.900 Sozialwohnungen aus der Bindung herausgefallen, 2014 waren es mit knapp 2.800 ausnahmsweise mal wenig Bindungsausläufe, in 2015 werden es schon wieder fast 7.000 sein.
- Die Zahl der Sozialwohnungen hat sich seit 2011 um 8.000 bis 10.000 reduziert!
9. Am dramatischsten stellt sich die Lage auf dem „Wohnungsmarkt“ für die Obdach- und Wohnungslosen dar. So hat sich die Zahl der Obdachlosen von ca. 1.000 auf – von ExpertInnen geschätzte – 2.000 in den vergangenen Jahren erhöht. Die Versorgungsquote von etwa 7.000 Haushalten mit einem Dringlichkeitsschein lag schon 2011 bei mickrigen 30 %, im ersten Halbjahr 2014 bei nur noch 27 %. Auch die Zahl der von den Fachstellen der Wohnungslosenhilfe gesicherten Wohnungen hat abgenommen: von 7.370 Fällen (2011) auf 4.379 (August 2014). Zugleich nimmt die Zahl der Menschen in der öffentlichen Unterbringung zu, von 7.759 (Ende 2010) auf 11.778 Personen (am 30.6.2014).
- Die Obdach- und die Wohnungslosigkeit haben in der Stadt seit 2011 beträchtlich zugenommen.
10. Bei der Vorstellung des „Mietenspiegels 2013“ am 12.11.2013 meldete Senatorin Blankau den vermeintlichen Erfolg, die Wohnungs- und Mietenpolitik des Senats habe zu einer „Stagnation der Mietpreissteigerung“ geführt. Die ortsübliche Vergleichsmiete sei von 2011 auf 2013 „lediglich“ um 5,7 % gestiegen, dagegen von 2009 auf 2011 um 5,8 %. Tatsächlich sind die Mieten in den vergangenen vier Jahren so schnell gestiegen wie seit langem nicht mehr. Auf der Pressekonferenz am 21.1.2015 konnte die Senatorin wieder nur einen sehr fragwürdigen Erfolg der Senatspolitik verkünden, dass nämlich die Preise bzw. Mieten im obersten Preissegment „stagnieren“ würden. Der großen Mehrheit mit mittlerem und erst recht mit geringem Einkommen nützt das rein gar nichts.
- Die ortsübliche Vergleichsmiete ist in den vergangenen Jahren um jährlich fast 3 % gestiegen, erheblich schneller als die Einkommen bzw. Gehälter und auch die Inflationsrate.
Unsere Bilanz is klar: Die Wohnungsnot wurde in Hamburg keineswegs abgebaut, sie hat sich in den letzten vier Jahren nochmals erhöht. Auch der Mietenwahnsinn ist nicht gebremst worden, die Mieten sind ganz im Gegenteil in den vergangenen vier Jahren auf dem höchsten Niveau seit Langem angekommen. Längst nicht nur in den innenstadtnahen Lagen wie z.B. in St. Pauli und St. Georg haben sich die Gentrifizierungserscheinungen – trotz Sozialer Erhaltungsverordnung – weiter zugespitzt. Auch die Segregation, die soziale Entmischung der Stadtteile, ist auf einem neuen Niveau angelangt; Der Senat setzt dieser Entwicklung – die innenstadtnahen Quartiere den Gutverdienenden, die Randlagen den Haushalten mit mittleren und geringen Einkommen – nichts Nachhaltiges entgegen. Im Gegenteil: Die ausgleichenden Mittel des „Rahmenprogramms Integrierte Stadtteilentwicklung“ (RISE), die im Doppelhaushalt 2011/12 noch mit jährlich 25 Mio. Euro ausgewiesen waren, sind im Etat 2013/2014 bereits auf 20 Mio. Euro reduziert worden und sollen im Jahre 2016 nochmals um 5 Mio. Euro abgesenkt werden.
Fazit: In den letzten Jahren ist viel zu wenig neuer Wohnraum und vor allem auch viel zu wenig günstiger, öffentlich geförderter Wohnraum entstanden; es ist im Durchschnitt viel zu groß und damit zu teuer gebaut worden. Eine soziale Mieten- und Wohnungspolitik wie DIE LINKE sie vertritt, sieht anders aus.