Der neue Mietenspiegel: Erheblich mehr (Sozial-)Wohnungen, besserer MieterInnenschutz und mehr Geld für die Wohnungsbauförderung sind nötig!

Von Heike Sudmann und Michael Joho

Auf Antrag der Fraktion DIE LINKE wurde in der Bürgerschaftssitzung am 9. November das Thema „Mietenwahnsinn stoppen: Mietenspiegel wieder zum Schutzinstrument machen! Keine Mieterhöhung bei der SAGA GWG!“ verhandelt. Auch die SPD hatte den „Wohnungsbau und Mieterschutz – mit klarem Kurs aus der Wohnungskrise“ für die „Aktuelle Stunde“ angemeldet, so dass beide Punkte gemeinsam verhandelt wurden.

Hintergrund für diese Debatte ist die Vorlage des „Mietenspiegels 2011“ am 2. November. Mit durchschnittlichen Mieterhöhungen von 5,8 % in den vorausgegangenen zwei Jahren liegt dieser Wert das dritte Mal in Folge über dem Anstieg der allgemeinen Lebenshaltungskosten und erst recht der Einkommensent-wicklung: 2007 verzeichnete der Mietenspiegel einen Anstieg der ortsüblichen Vergleichsmieten von 4,3 %, 2009 von 3,6 % und 2011 also mit 5,8 % so viel wie in den vergangenen Jahrzehnten nicht mehr.

Besonders dramatisch stellt sich die Situation für die Haushalte mit geringem Einkommen dar. Lagen vor zwei Jahren noch 48 % der Mietwohnungen bei unter 6 Euro/qm netto-kalt, sind es 2011 nur noch 33 %. Verschärft wird diese Lage dadurch, dass in den vergangenen zehn Jahren der Sozialwohnungsbestand von rund 150.000 auf gegenwärtig ca. 100.000 zurück gegangen ist. Darüber hinaus ist im letzten Jahrzehnt weniger als die Hälfte der Wohneinheiten ent-standen, die notwendig gewesen wären, um den Bestand bedarfsgerecht zu entwickeln.

Wenn der SPD-Senat nun ein Wohnungsbauprogramm ankurbelt, über das jährlich – allerdings frühestens ab 2013 – 6.000 Wohnungen neu gebaut werden sollen, dann bleibt dieser Wert bei weitem hinter den Bedarfen zurück. Weder schließt er den inzwischen auf 40.000 bis 90.000 Einheiten angewachsenen Wohnungsmangel noch trägt er dem Umstand Rechnung, dass Hamburg bis 2030 um gut 100.000 BewohnerInnen größer werden wird – alleine 2010 ist die Stadt um 12.224 NeubürgerInnen angewachsen, im ersten Halbjahr 2011 um 4.300. Zudem ist die bereits vorhandene Katastrophe der mangelhaften Woh-nungsversorgung einkommensärmerer Haushalte auch für die nächsten zehn Jahre vorprogrammiert, da beim jetzigen Planungsstand des Senats-Programms pro Jahr lediglich 1.200 günstige Wohneinheiten im 1. Förderweg (zu Einstiegs-preisen von 5,80 Euro/qm, ab 2012 von 5,90 Euro/qm) entstehen sollen.

Zweifellos ist der durch die großen Demonstrationen (zuletzt am 29. Oktober mit 6 bis 8.000 TeilnehmerInnen) beflügelte schnelle Erkenntnisfortschritt des SPD-Senats zu begrüßen: Wurde von der frisch gebackenen Stadtentwicklungs-senatorin Jutta Blankau vor einem halben Jahr noch nassforsch eine akute Woh-nungsnot bestritten worden, müht sich ihre Partei heute um einen „klaren Kurs aus der Wohnungskrise“. Doch bleiben das Wohnungsbauprogramm und die jüngst vorgestellten und erst demnächst in der Bürgerschaft zu diskutierenden „Eckpunkte“ der SPD-Bürgerschaftsfraktion zum bezahlbaren Wohnraum und zum verstärkten Mieterschutz weit hinter den Anforderungen zurück.

6.000 neue Wohneinheiten reichen nicht, wie o.a., und schon gar nicht die 1.200 Sozialwohnungen im 1. Förderweg. Nach wie vor fallen pro Jahr mehr Sozialwohnungen aus der Mietpreisbindung heraus, als neue perspektivisch geschaffen werden sollen. Auch im neuen Doppelhaushalt 2011/2012 hat die SPD jährlich nur 120 Mio. Euro für die Wohnungsbauförderung vorgesehen, genau so viel oder wenig, wie schon für den Doppelhaushalt 2009/2010 angesetzt waren. Mit diesen Kennziffern wird die Wohnungsnot eines wachsenden Teils der Bevölkerung eher festgeschrieben und eine gesellschaftliche Krise immer wahrscheinlicher.

Der Senat scheint inzwischen aber begriffen zu haben, dass neben dem Wohnungsbau auch der MieterInnenschutz auszubauen ist, doch auch in dieser Hinsicht kommt er angesichts der Herausforderungen nicht hinterher. Wir brauchen hier und heute Zeichen gegen die überbordende Mietpreisentwicklung, indem z.B. die SAGA GWG einen sofortigen Mietenstopp verhängt (nachdem sie ihre Mieten im „freien“ Wohnungsbestand in den vergangenen Jahren hat doppelt so schnell steigen lassen, wie laut Zuwachsraten in den Mietenspiegeln).

Wir brauchen einen anderen Mietenspiegel, in den nicht nur die in den vorausgegangenen vier Jahren veränderten, also angewachsenen Mieten und die Neuvermietungssätze, sondern alle Mieten, also auch die unveränderten und die öffentlich geförderten eingehen, denn nur so lässt sich wirklich eine ortsübliche Vergleichsmiete ermitteln. Wir brauchen aber auch schnellstmöglich auf Bundesratsebene Initiativen, um

  • die Kappungsgrenze zu verändern (statt maximaler Erhöhung von bis zu 20 % in drei Jahren hat DIE LINKE in Hamburg – einem Vorschlag des ehemaligen rot-roten Sentas in Berlin folgend – den Antrag eingebracht, die maximale Erhöhung von bis zu 15 % auf vier Jahre zu strecken),
  • die vollständige Umlage von Modernisierungskosten auf die MieterInnen (insbesondere im Rahmen von massenhaft anstehenden Wärmedämmungen) zu verhindern,
  • die Miet(erhöhung)en bei Neuvermietungen zu deckeln und
  • eine Mietobergrenze einzuführen, die sich am durchschnittlichen Netteinkommen orientiert (nicht mehr als 30 %).

Ein ganzer Strauss an wohnungs- und mietenpolitischen Maßnahmen ist nötig, um die Katastrophe auf dem Wohnungsmarkt wenigstens in Bälde zu mildern. Da reicht einfach nicht der Auftritt des Ersten Bürgermeisters, der in der Bürgerschaftssitzung am 9. November lediglich erklärt, wir müssten jetzt alle zusammen stehen; vielmehr sind konkrete und erheblich weitergehende Maßnahmen vonnöten.

Und wir brauchen eine verfassungsmäßige Anerkennung sowie die reale Durchsetzung des sozialen Grundrechts auf Wohnen!