DIE LINKE in der Bürgerschaft: Unsere Anträge vom 12. und 13. Oktober
Am 12. und 13. Oktober tagt die Hamburgische Bürgerschaft. DIE LINKE bringt wieder wichtige Themen in die Debatte ein: Wir diskutieren etwa über die notwendige vorzeitige Öffnung des Winternotprogramms, nächste Schritte zur Umsetzung echter Umweltgerechtigkeit in Hamburg und über die hohen Auflagen wegen vermeintlichen Lärms für Hamburger Sportvereine. Ein Überblick über unsere aktuellen Anträge.HINTERGRUND
Das „Hamburger Bündnis für eine neue soziale Wohnungspolitik“ geht von 10.500 akut von Wohnungslosigkeit betroffenen Personen aus, davon mindestens 2.000 Obdachlose. Ihre gesundheitliche Situation hat sich enorm verschlechtert: Die Hamburger Krankenstube für Obdachlose berichtet von Amputationen, Tuberkulose und anderen Krankheiten. Die Mobile Hilfe und das Zahnmobil berichten ebenso von einer steigenden Anzahl an Personen, die unversorgt zurückgewiesen werden müssen. Auch die Plätze in den Notunterkünften und Tagesaufenthaltsstätten sind nicht ausreichend, sodass immer wieder Menschen abgewiesen werden müssen (vergleiche Drs. 21/4788). Für die kalte Jahreszeit sieht das Winternotprogramm lediglich einen nächtlichen Erfrierungsschutz vor. Die Öffnungszeiten und Ausstattung der Tagesaufenthaltsstätten sind überdies so mangelhaft, dass erschöpfte und gesundheitlich labile Menschen die Tagesstunden in der Kälte verbringen müssen. In den Tageseinrichtungen stehen zudem lediglich 20 Duschen für rund 2.000 obdachlose Menschen zur Verfügung.
WAS FORDERT DIE LINKE?
Die Bürgerschaft möge vor diesem Hintergrund beschließen:
Der Senat wird aufgefordert,
1. kurzfristig das Winternotprogramm a) für alle obdachlosen Menschen ganztägig zugänglich zu machen und eine ganztägige Präsenz von Mitarbeitern/-innen von freien Trägern oder „f & w fördern und wohnen AöR“ zu gewährleisten, Drucksache 21/6168 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 b) durch eine ganztägige Verlängerung der Öffnungszeiten der Tagesaufenthaltsstätten sowie eine Wochenend- und Feiertagsöffnung mittels zusätzlichem festangestellten, öffentlich finanziertem Personal abzusichern.
2. die gesundheitliche und hygienische Versorgung von Obdachlosen auszubauen: a) Die Plätze in der Krankenversorgung von Obdachlosen sind mindestens zu verdreifachen
b) Analog der Zahnambulanz der Caritas den niedrigschwelligen Zugang zu Zahnbehandlungen auszubauen und den Zugang beziehungsweise die Reintegration ins Krankenkassensystem durch eine Vereinfachung der formellen Hürden und qualifizierte Beratungen deutlich zu verbessern.
c) Die Tagesaufenthaltsstätten sind finanziell besser auszustatten, um eine kontinuierliche Arbeit durch festangestelltes Personal sowie eine vitaminhaltige und damit der gesundheitlichen Prävention dienliche Essensversorgung zu gewährleisten.
d) Für die bessere hygienische Versorgung ist die Zahl der zur Verfügung stehenden Duschen und Waschmaschinen mindestens zu verdreifachen.
3. mittelfristig sicherzustellen, dass alle obdachlosen Menschen ganzjährig Zugang zu einer Unterbringung haben, die sich an den von der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe e.V. erarbeiteten Mindeststandards zur Notversorgung orientiert
HINTERGRUND
Die zunehmende Verdichtung im städtischen Raum führt zu großen Herausforderungen für das Nebeneinander von Sport- und Wohnnutzungen. Konflikte zwischen Wohnen und Sport haben auch in Hamburg in den letzten Jahren merklich zugenommen. Zuletzt sorgten solche Konflikte dafür, dass der Sportbetrieb unter anderem bei den Vereinen TSC Wellingsbüttel, Club an der Alster, TSV Sasel oder FC Teutonia 05 massiv behindert wurde. Die Bürgerschaft hat den Senat schon im Jahr 2013 (vergleiche Drs. 20/6659) ersucht, sicherzustellen, dass Sport- und Wohnraumnutzung im Einklang miteinander gestaltet werden und bestehende Sportstätten nicht durch Umbau, Modernisierung, Erweiterung oder durch Wohnungsneubau veränderten Lärmbeschränkungen unterworfen werden. Daraufhin hat der Senat in Drs. 20/11721 richtigerweise darauf hingewiesen, dass die Regelungen der Sportanlagenlärmschutzverordnung (18. BImSchV) veraltet seien und dem Anspruch, einen angemessenen Ausgleich zwischen den Interessen von Sporttreibenden und der ruhebedürftigen Nachbarschaft zu schaffen, nicht mehr gerecht werden. Der Senat hat deshalb eine Bundesratsinitiative zur Änderung der Sportanlagenlärmschutzverordnung gestartet und gleichzeitig der Bürgerschaft vorgeschlagen, das Hamburgische Gesetz zum Schutz gegen Lärm (Hamburgisches Lärmschutzgesetz – HmbLärmSchG) dahin gehend zu ändern, dass zumindest der verhaltensbezogene Sportlärm – ähnlich wie die von spielenden Kindern im Bereich der Kindertagesstätten verursachten Geräusche – privilegiert werden. Die Bürgerschaft hat sich dem mit breiter Mehrheit angeschlossen. Die Umsetzung des im Juli 2014 erfolgten Bundesratsbeschlusses zur Änderung der Bundesimmissionsschutzverordnung ist noch nicht erfolgt, soll aber in 2017 noch beschlossen werden (vergleiche Drs. 21/5879). Unabhängig von der ausstehenden Änderung besteht die Möglichkeit, bestehenden Sportstätten, die vor dem 18. Juli 1991 errichtet wurden, nach § 5 Absatz 4 BIMSchV einen sogenannten Altanlagenbonus zu gewähren, der höhere Lärmwerte erlaubt. Dieser Fall tritt nach Meinung des Senats ein, wenn beispielsweise Beläge auf Sportflächen ausgewechselt werden oder Sanierungsmaßnahmen zum Beispiel durch Umwandlung von Grand- in Kunstrasenspielflächen erfolgen. Die zuständige Fachbehörde hatte deshalb die Bezirksämter schon am 1. August 2014 darauf hingewiesen, dass bei entsprechenden Modernisierungsmaßnahmen der Altanlagenbonus erhalten bleibt (vergleiche Drucksache 21/5879). Obwohl bei Teutonia 05 genau solche Modernisierungsmaßnahmen stattfanden, hat das zuständige Bezirksamt Nutzungsbeschränkungen ausgesprochen. Hierdurch wurde der Trainings- und Wettkampfbetrieb von zahlreichen minderjährigen sowie erwachsenen Sportlerinnen und Sportlern erheblich eingeschränkt. Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass die Belegung der Hamburger Sportstätten wochentags ab 17 Uhr nahezu 100 Prozent beträgt und die Bedarfe steigen, sind Nutzungsbeschränkungen bei Sportstätten nicht zu rechtfertigen.
WAS FORDERT DIE LINKE?
Der Senat wird aufgefordert,
1. die Bezirksämter anzuweisen, dass Nutzungseinschränkungen, die im Zuge von Umbau-, Erweiterungs- und Modernisierungsmaßnahmen bei Sportstätten erlassen wurden, unverzüglich zurückzunehmen zu sind
2. Nutzungseinschränkungen von Sportstätten nach Umbau-, Erweiterungs- und Modernisierungsmaßnahmen entsprechend des Merkblattes der Fachbehörde vom 01. August 2014 nicht zu erlassen
3. noch vor Beschluss der Baumaßnahmen bei Sportstätten die jeweiligen Nutzergruppen und -vereine insbesondere in landes- und bundesrechtlichen Vorgaben zu beraten und bei der Entscheidung einzubinden
4. Bewohner/-innen im näheren Einzugsbereich der zu modernisierenden Sportstätten über die Maßnahmen zu informieren und bei möglichen Konflikten zu moderieren
5. grundsätzlich vor und nach Beendigung der Baumaßnahmen eine Abnahmemessung des Lärms vorzunehmen und zu vergleichen
6. sich bei der Bundesregierung und dem Bundesrat dafür einzusetzen, dass schnellstmöglich eine Änderung der 18. BImSchV zum Vorteil der Sportvereine und Sporttreibenden in Kraft tritt . Mit dem Entwurf der Bundesregierung zur Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie (NHS) wird die Notwendigkeit der Umsetzung der Agenda 2030 der UN anerkannt. Bei der Umsetzung der zugrunde liegenden 17 Ziele der „Sustainable Development Goals“ (SDG) kann Hamburg eine Vorreiterrolle in Deutschland einnehmen. Allerdings gibt es bei vielen Umsetzungsschritten zur Erreichung der SDGs auf lokaler Ebene in Hamburg ein grundlegendes Problem. Sozioökonomische Faktoren wie Beruf, Wohnsitz und das jeweilige soziale Umfeld, die verfügbaren Ressourcen wie Bildung und Einkommen, andere Faktoren wie Migrationshintergrund beeinflussen die Lebensbedingungen, damit verbunden Gesundheitsrisiken der Menschen. Dabei sind sozial benachteiligte Menschen überdurchschnittlich häufig auch, was ein gesundes Lebensumfeld angeht, benachteiligt. Sie sind vor allem häufiger von verkehrsbedingten Gesundheitsbelastungen wie Lärm und Luftschadstoffen betroffen, haben weniger Zugang zu städtischen Grünflächen.
Zwar ist in der Presse bereits auf den offensichtlichen Zusammenhang von umweltbelastenden Faktoren in Hamburg auf die soziale Situation und die Gesundheit der besonders betroffenen Bevölkerungsgruppen verwiesen worden, aber eine strategische Ausrichtung der Umweltpolitik Hamburgs auf die jetzt erneut formulierten Ziele in der NHS ist in der Freien und Hansestadt Hamburg nicht absehbar. Ressortübergreifende Strategien und Maßnahmen sind notwendig, um den Anspruch eines jeden Menschen auf eine gesunde Umwelt durchsetzen zu können. Sämtliche Gesetzesvorhaben, Sektorpolitiken, Strategien und Pläne müssen künftig auf Kompatibilität mit der Agenda 2030 beziehungsweise dem deutschen Umsetzungsplan geprüft und gegebenenfalls korrigiert werden. Dies betrifft insbesondere die Zielsetzung gerade die ärmsten und am meisten benachteiligten Gruppen in Hamburg stärker und früher durch gezielte Maßnahmen zu fördern.
„Niemand zurücklassen“ auf dem Weg zum Erreichen der SDG heißt, zu wissen, wer wie betroffen ist. Für mehr Umweltgerechtigkeit in der wachsenden Stadt Hamburg bedarf es neben dem leider nicht ausreichend erkennbaren Willen einer umfassenden Datenlage zur Erarbeitung eines Handlungskonzepts, um adäquate umweltpolitische, verkehrsplanerische und verbraucherbezogene Maßnahmen zu entwickeln und umzusetzen. Hierbei müssen Informationen und Aufklärung über umweltbedingte Gesundheitsrisiken auf niedrigschwellige Informationsangebote mit direktem Lebensweltbezug ausgerichtet sein. Hier reicht die Datenlage der Freien und Hansestadt Hamburg nicht aus. Statistische Daten werden den weitreichenden Nachhaltigkeitszielen nicht gerecht und müssen granularer als valide Datenbasis vorliegen.
Ziele müssen unter anderem die ausreichende Versorgung mit Naherholungsgebieten und deren kontinuierliche Pflege seitens der Bezirke, die Verminderung von Lärm- und Staubemissionen an Wohngebieten zerschneidenden Verkehrsachsen, Erhöhung von Aufenthaltsqualitäten von Wohnumfeldern sein. Dafür sind haushalterisch weitere Mittel bereitzustellen.
WAS FORDERT DIE LINKE?
Der Senat wird aufgefordert,
1. die derzeit in der Freien und Hansestadt Hamburg vorhandene Datenbasis, die zur Umsetzung der Sustainable Development Goals in Hamburg notwendig ist, auf Basis der international verabredeten Kriterien neu zu erstellen;
2. einen Bericht zur Situation Hamburgs als Basis zur Umsetzung der Sustainable Development Goals vorzulegen;
3. auf Basis der SDG der UN einen Masterplan „Umweltgerechtigkeit in Hamburg schaffen“ zu erarbeiten
4. bei der Erarbeitung frühzeitig und umfassend zivilgesellschaftliche Akteure einzubeziehen;
5. darauf hinzuwirken, dass Umweltgerechtigkeit als Querschnittsaufgabe in die Arbeit aller Hamburger Behörden verankert wird, insbesondere wie gesundheitliche und sozioökologische Parameter nachhaltig in die Verkehrsinfrastrukturplanung, die Bauleitplanung, die städtebaurechtliche Planung sowie die Städtebauförderung verbindlich eingebunden werden können;
6. geeignete Mechanismen zu schaffen, um alle politischen Initiativen (wie Strategien und Pläne) und Gesetzesvorhaben inhaltlich auf ihre Auswirkungen hinsichtlich der Nachhaltigkeit zu überprüfen;
7. ausreichende finanzielle Mittel dafür im Haushaltsplan 2017/2018 einzuplanen;
8. der Bürgerschaft bis zum 1. Quartal 2017 über die Sachstände zu berichten.Fotos:
CC BY-SA 3.0 / Usien, WikiCommons
CC BY-SA 4.0/Nightflyer, WikiCommons