DIE LINKE in der Bürgerschaft: Unsere Themen für die Sitzung am 15. Januar
Für die erste Sitzung der Hamburger Bürgerschaft in den 2020er Jahren haben wir vier Anträge vorbereitet.
Die Bezirke sind in Hamburg drastisch unterfinanziert. Gemessen mit den Mitteln, die sie 2011 noch zur Verfügung hatten, fehlen ihnen pro Einwohner_in 61 Euro. Wir beantragen eine Aufstockung der Mittel für die Bezirke. Das bedeutet für die Stadt zusätzliche Kosten in Höhe von 116 Millionen Euro. Finanzieren ließe sich dieser hohe Betrag über eine Erhöhung der Grunderwerbssteuer – mit Ausnahmen für Familien, die Wohnraum kaufen um selbst darin zu wohnen.
Hamburg ist eine wachsende Stadt. Damit in Zukunft auch die soziale Infrastruktur mitwächst, fordern wir in einem Antrag, dass alle Neubaugebiete mit mehr als 500 Wohneinheiten Angebote der Kinder- und Jugendarbeit bekommen. „In einer wachsenden Stadt müssen nicht nur mehr Wohnungen gebaut, sondern auch die soziale Infrastruktur bereitgestellt werden“, sagt unsere familienpolitische Sprecherin Sabine Boeddinghaus. „Bis vor gut 20 Jahren galt eine Richtlinie, dass neue Wohnquartiere mit entsprechender sozialer Infrastruktur auszustatten sind. Seither wurde das in vielen Quartieren versäumt – mit gravierenden Folgen. Deshalb fordern wir die Wiedereinführung einer solchen Richtlinie.“
Tausende Geflüchtete leben in Hamburg in Folgeunterkünften. Viele finden sich noch nicht ohne Hilfe zurecht: Sie brauchen Beratung bei der Jobsuche, Fragen zu ihrem Aufenthalt oder der Kindererziehung. In den Unterkünften sind dafür die Mitarbeiter_innen des Unterkunfts- und Sozialmanagements (UKSM) zuständig. Die leisten eine Orientierungsberatung, das heißt, sie vermitteln an andere Stellen weiter. Dafür haben sie allerdings zu wenig Zeit: Bei einem Stellenschlüssel von 1:80 ist es meistens nicht möglich, die Aufgaben so zu erfüllen, wie es nötig wäre. Zudem befinden sich die Mitarbeiter_innen des UKSM in Interessenkonflikten: Sie müssen einerseits Gebühren eintreiben und die Hausordnung durchsetzen, andererseits ist für die Beratung ein Vertrauensverhältnis notwendig. Eine personelle und organisatorische Trennung ist nötig! Das fordern wir in unserem Antrag. Außerdem fordern wir, dass der Stellenschlüssel den Erfordernissen angepasst wird, und im näheren Umfeld von Unterkünften unabhängige Beratungsstellen etabliert werden.
Wie auf Bundesebene, so sind auch in Hamburg Erzieher_innen und Sozialpädagogische Assistent_innen (SPA) Mangelware. In unserem Antrag schlagen wir vor, wie die Bedingungen in der Ausbildung und die Arbeitsbedingungen von Erzieher_innen und Sozialpädagogischen Assistent_innen verbessert werden sollten.
Die Bezirke sind die unmittelbarste Entscheidungsebene. Nur wirklich entscheiden können sie nichts. Denn unsere Bezirksämter wurden kaputtgespart. 2011 hatten die Hamburger Bezirke im Schnitt 221 Euro je Einwohner für Bezirksamtspersonal zur Verfügung. Durch Tarifabschlüsse müsste diese Position 2021 bei 279 Euro liegen. Tatsächlich aber haben die Bezirke 2021 nach mittelfristiger Finanzplanung nur noch 218 Euro je Einwohner_in an Personalkosten auszugeben. Die Aufgaben der Bezirksämter haben sich aber nicht verändert. Die Zahlen kennzeichnen die Kürzungen in den Bezirken über die letzten 10 Jahre. Die Auswirkungen zeigen sich in knappen Mitteln auf allen Ebenen und der ständigen Überbeanspruchung der Quartiersfonds.
Es fehlen den Bezirksämtern also je Einwohner_in 61,- Euro. In Summe sind dies knapp 116 Mio Euro pro Jahr für die Freie und Hansestadt Hamburg.
Die Bezirke sollen als gestaltende Kraft über eine soziale-ökologische Transformation ihrer Quartiere frei entscheiden können. Die zusätzlich zu verteilenden Mittel sollen, so unmittelbar es möglich ist, an Beschlüsse der Bezirksversammlungen gebunden sein. Sie sollen daher gemäß §37 des Bezirksverwaltungsgesetzes als Rahmenzuweisung erfolgen. Den Mandatsträgern in den Bezirken soll im Sinne des Subsidiaritätsprinzips ein echter Entscheidungsspielraum eingeräumt werden. Auch größere Investitionen, deren ergebnisrelevante Kosten wie Abschreibungen, Zinsen und Betriebskosten dauerhaft aus den Rahmenzuweisungen getragen werden können, sollen ausdrücklich zugelassen werden. Entsprechend der Rahmenzuweisung sind investive Mittel bereitzustellen.
Als Gegenfinanzierung soll die Grunderwerbssteuer angehoben werden. Die Mehreinnahmen über eine Erhöhung der Steuer auf das Niveau von Schleswig-Holstein würden den Finanzierungbedarf der Bezirksämter übersteigen, so dass Familien auf geeignete Weise wiederum von der Grunderwerbssteuer entlastet werden könnten, wenn eine erste, selbstgenutzte Wohnimmobilie erworben wird.
Die Bürgerschaft möge beschließen:
Der Senat wird aufgefordert,
- Die Bezirke erhalten 2021 zusätzlich 61,- Euro Rahmenzuweisung je Einwohner_in.
- Der Senat wird beauftragt, für die Aufstellung des Haushalts 2021/2022 die Haushaltsplanung für die Bezirke entsprechend anzupassen.
3. Die FHH erklärt ihre Absicht, zusätzliche Einzelzuweisungen für die Bezirke für investive Maßnahmen zuzulassen, insofern die ergebnisrelevanten Kosten der Maßnahmen durch die zusätzlichen Rahmenzuweisungen dauerhaft gedeckt sind.
Hamburg ist eine wachsende Stadt. Lebten 2015 noch 1.787.408 Menschen in Hamburg, waren es Ende 2018 bereits 1.891.810. Geht man davon aus, dass sich die Stadtbevölkerung auch in den nächsten Jahren so dynamisch entwickeln wird, werden 2030 mehr als zwei Millionen Menschen in Hamburg leben. Mit der wachsenden Zahl an Hamburger_innen wächst auch die Anzahl an Kindern und Jugendlichen in der Stadt. Waren 2015 etwa 288.770 aller Hamburger_innen im Alter bis 18 Jahre, sind es 2018 rund 309.900. Es leben heute also 21.130 Kinder und Jugendliche mehr in Hamburg, als noch vor drei Jahren. Im Zuge des Wachstums kommt es nicht nur zu einer zunehmenden Verdichtung vieler Bereiche und damit zu einem Wegfall öffentlicher Räume, sondern auch zu einer verstärkten Inanspruchnahme wohnortnaher Angebote für Familien und Kinder. Tatsächlich ist aber die Zahl der Einrichtungen der Offenen Kinder- und Jugendarbeit bzw. der Jugendsozialarbeit nicht mitgewachsen – im Gegenteil: zwischen 2015 und 2018 wurden acht Einrichtungen geschlossen. Die Einrichtungen der Familienförderung wurden immerhin nicht zusammengestrichen, ihre Zahl bleibt allerdings trotz der wachsenden Nachfrage seit Jahren unverändert (Drs. 21/16112).
Hinzu kommt, dass zur Bekämpfung der allgemeinen Wohnungsnot neue Wohnquartiere entstehen. Bis vor gut 20 Jahren berücksichtigte für die Planung von Neubaugebieten die Globalrichtlinie „Kinder- und Jugendarbeit/Jugendsozialarbeit in den Bezirken“, dass Neubaugebiete, die mindesten 500 Wohneinheiten umfassen, mit Einrichtungen und/oder Angeboten der Kinder- und Jugendarbeit/Jugendsozialarbeit auszustatten sind. Seit 2015 hat der Hamburger Senat 47 Neubaugebiete mit mehr als 500 Wohneinheiten geschaffen. Davon befanden sich zu Beginn dieses Jahres noch 43 im Bau oder in der Planung. Mehr als 500 Wohneinheiten kann in diesem Zusammenhang auch deutlich mehr bedeuten. Zum Beispiel sollen in Wilhelmsburg bis zum Jahr 2027 rund 5.450 und in Neugraben-Fischbek bis 2021 rund 5.000 Wohneinheiten entstehen (Drs. 21/16112). Der Bezirk Hamburg Mitte weist beispielsweise 15 neue Quartiere mit Baubeginn zwischen 2015 und 2027 auf. Für fünf der genannten 15 Quartiere im Bezirk Mitte befinde sich die Realisierung von Einrichtungen der Offenen Kinder- und Jugendarbeit/ der Jugendsozialarbeit und Familienförderung, so heißt es in der Antwort des Senats auf eine Anfrage der Linksfraktion, noch im Klärungsprozess oder es stünden noch konkrete Planungen aus. Das Quartier „Jenfelder Au“ mit 1.000 Wohneinheiten „soll sowohl für Familien als auch für verschiedene Generationen, Nationalitäten und Einkommensschichten attraktiv und erschwinglich sein“, heißt es auf hamburg.de. Eine Erweiterung der Angebotsstruktur wird dennoch für entbehrlich gehalten.
Außerschulische Angebote sind besonders für Kinder und Jugendliche aus einkommensärmeren Familien wichtig. Sie bieten Unterstützung und Begleitung in einer schwierigen Lebensphase. Auch zur Förderung der Selbst- und Mitbestimmung und des sozialen Engagements sind Angebote der außerschulischen Kinder- und Jugendarbeit von großer Relevanz und müssen deshalb dringend bei der Quartierentwicklung mitgedacht und geplant werden.
Die Bürgerschaft möge beschließen:
Der Senat wird aufgefordert,
- die Globalrichtlinie Kinder- und Jugendarbeit/Jugendsozialarbeit in den Bezirken“ um folgenden Passus zu erweitern:
„Bei Neubaugebieten, die mindestens 500 Wohneinheiten umfassen, sind mit Einrichtungen und/oder Angeboten der Kinder- und Jugendarbeit/Jugendsozialarbeit und/oder Einrichtungen der Familienförderung bei der Planung zu berücksichtigen und bedarfsgerecht auszustatten“,
- die dadurch entstehenden Mehrkosten im Doppelhaushalt 2021/22 zu berücksichtigen,
- der Bürgerschaft bis zum 30. April 2020 zu berichten.
Kürzlich hat eine Anfrage der Linksfraktion (Drs. 21/19013) zutage gebracht, wie groß die Überlastung der Mitarbeiter_innen des Unterkunfts- und Sozialmanagements (UKSM) ist. Zahlreiche Überlastungsanzeigen und ein hoher Krankenstand kennzeichnen die Situation. Dies zeigt, dass es dringend geboten ist, für das UKSM einen integrativen Auftrag statt in erster Linie eines Unterbringungsauftrags festzuschreiben, wie bereits gefordert (Drs. 21/18143), jedoch abgelehnt. Im Lebenslagenbericht zur Situation der Geflüchteten in Hamburg 2016 – 2018 findet sich lediglich eine abstrakte Beschreibung der Tätigkeit des UKSM. Dort heißt es: „In der örU wirkt das UKSM bei der Aktivierung und (Re-)Integration der Bewohner und Bewohnerinnen in eine eigenständige Lebensführung und in das gesellschaftliche Umfeld mit. Durch regelmäßige offene Sprechstunden und durch aktive Kontaktaufnahme zu den Bewohnerinnen und Bewohnern bietet das UKSM eine niederschwellige Beratung an. […] Die Aufgaben des UKSM wurden Anfang 2019 in einer Vereinbarung zwischen der BASFI und f & w den veränderten Anforderungen entsprechend angepasst. Dadurch wurde die Orientierungsberatung und aktive Ansprache durch das UKSM gestärkt, um den veränderten Anforderungen der neuen Bewohnerschaft Rechnung zu tragen. Dazu gehören vor allem Kommunikation über Sprachmittler und deren Organisation, Umsetzung der Schutzkonzepte für besonders schutzbedürftige Personengruppen und die Kooperation mit den freiwillig Engagierten. […]“
Eine schöne theoretische Beschreibung, nur hat der Bericht mit den tatsächlichen Lebenslagen der Geflüchteten wenig zu tun. Eine Befragung von Geflüchteten, Ehrenamtlichen und anderen Akteuren hat auch nicht stattgefunden. Die Methodik wird noch nicht einmal hinterfragt. Allein schon der Personalschlüssel des UKSM von 1:80, der mit der neuen Leistungsbeschreibung nicht geändert wurde und zudem praktisch nie eingehalten wird, ist völlig unzureichend, um die geschilderten Aufgaben zu erfüllen. Die Schilderungen von Ehrenamtlichen sprechen ebenfalls eine ganz andere Sprache: Es gibt oft eine personelle Unterbesetzung, Sprechzeiten gibt es nur drei Stunden am Tag. Nach 16h gibt es keine Sprechzeiten mehr, obwohl Geflüchtete in Sprachkursen, im Job oder mit Übersetzungsbedarf durch Kinder erst späte Zeiten wahrnehmen können. Eine hohe Zahl von Menschen mit erhöhten Handlungsbedarfen (Kita, Schule, Ausbildung, psychologische Versorgung etc.) wird personell nicht berücksichtigt. Auch stößt das Konzept der Orientierungsberatung dort an Grenzen, wo Geflüchtete noch nicht in der Lage sind, selbstständig Behörden und Beratungsstellen aufzusuchen. Bewährt hat sich eine an die Unterkunft gekoppelte flankierende unabhängige Beratung, wie es sie an der Walddörferstraße gibt. Gerade solche ergänzenden Angebote sind dringend notwendig. Nach wie vor ist das externe Beratungsangebot jedoch nicht ausreichend. Das UKSM befindet sich zudem in Interessenkonflikten. Einerseits ist es in Form einer Eingriffsverwaltung für die Festsetzung der Unterkunftsgebühren und die Ordnung in den Unterkünften zuständig, andererseits ist für eine Beratung ein Vertrauensverhältnis notwendig. Eine personelle und organisatorische Trennung ist geboten.
Die Bürgerschaft möge vor diesem Hintergrund beschließen:
Der Senat wird aufgefordert,
- mit fördern&wohnen zu vereinbaren, dass
- alle Aufgaben rund um das Belegungs- und Unterkunftsmanagement personell und organisatorisch gesondert bearbeitet werden,
- das Sozialmanagement hin zu einem umfassenden Ansatz sozialer Arbeit mit definierten Aufgaben entwickelt wird,
- die Sprechzeiten deutlich ausgedehnt werden und auch für Personen erreichbar sind, die tagsüber berufstätig, in Sprachkursen o. ä. sind,
- die Personalschlüssel entsprechend angepasst werden, wobei insbesondere der Personalschlüssel in der zukünftigen sozialen Arbeit zu verbessern ist,
- gemeinsam mit den Trägern der Migrations- und Sozialberatung Standards für die soziale Arbeit zu entwickeln und auf dieser Basis zu kooperieren, ohne allerdings einen Anspruch auf Übermittlung vertraulicher Daten aus der Beratung zu erlangen,
- im näheren Umfeld von Unterkünften flankierend unabhängige Beratungsstellen zu etablieren, für die im Übrigen die Standards gemäß Ziffer 2. gelten,
- soweit erforderlich, die Kostensätze für die Leistungserbringung durch fördern&wohnen den Anforderungen der Ziffer 1. entsprechend zu erhöhen und die Kosten der sozialen Arbeit nicht über die Unterkunftsgebühren zu refinanzieren, sondern stattdessen ggf. einen Antrag auf Nachbewilligung von Mitteln nach § 35 LHO zu stellen,
die Aufgabenerfüllung der Träger nach Ziffer 2. hinreichend zu finanzieren sowie die Finanzierung weiterer Beratungsstellen nach Ziffer 3. zu gewährleisten und dafür ggf. ebenfalls einen Antrag auf Nachbewilligung von Mitteln nach § 35 LHO zu stellen.
Wie auf Bundesebene, so sind auch in Hamburg Erzieher_innen und Sozialpädagogische Assistent_innen (SPA) Mangelware. Das hat verschiedene Gründe: Zum einen sind die Bedarfe auf Grund des Kita-Ausbaus, aber auch auf Grund steigender Bedarfe im Bereich der Hilfen zur Erziehung massiv gestiegen. Zum anderen sind die Arbeitsbedingungen in diesem Beruf sehr belastend und die Bezahlung so, dass dieser Beruf – trotz der erfolgten Aufwertung auf Grund diverser bundesweiter Streiks – immer noch nicht wirklich attraktiv ist. Ohne bessere Bezahlung und Arbeitsbedingungen wird sich diese Situation kaum verändern.
Hamburg hat bisher die benötigten Fachkräftebedarfe decken können. Das lag nicht nur an der Steigerung der Ausbildungskapazitäten, sondern vor allem auch an der Anwerbung von Fachkräften aus anderen Bundesländern. Jetzt droht auch in Hamburg Fachkräftemangel. Denn Tatsache ist, dass in Hamburg pro Jahr laut Fachbehörde rund 750 Fachkräfte aus dem Beruf ausscheiden. Die Zahl der ausscheidenden Fachkräfte könnte reduziert werden, wenn man durch Steigerung der Attraktivität des Berufsfeldes die Zahl der Abwanderer_innen in andere Berufe senken würde. Dem Ausscheiden aus gesundheitlichen Gründen kann durch besseren Gesundheitsschutz und verbesserte Arbeitsbedingungen entgegengewirkt werden.
Auf Seiten der politisch Handelnden wurde zur Bereitstellung zusätzlicher Fachkräfte bis jetzt fast ausschließlich auf die Steigerung der Ausbildungskapazitäten gesetzt. Pro Jahr werden rund 600 zusätzliche Fachkräfte aufgrund von Verbesserungen diverser Personalschlüssel und dem Kita-Ausbau gebraucht. Der alleinige Ausbau der Ausbildungskapazitäten wird aus unserer Sicht nicht genügen, um dem drohenden Mangel an Fachkräften langfristig beizukommen.
Es wird vor allem darauf ankommen, durch besseren Gesundheitsschutz, Verbesserung der Arbeitsbedingungen und einer attraktiveren Bezahlung die Fachkräfte im Beruf zu halten.
Ein besserer Gesundheitsschutz und bessere Arbeitsbedingungen würden den Trend zur vorzeitigen Verrentung der Fachkräfte mit unter 60 Jahren bremsen. Die Reduzierung der Teilzeit-Beschäftigung und die Vermeidung eines Abwanderns in andere Berufe können dazu beitragen, die Zahl ausscheidender Fachkräfte zu reduzieren.
Die Ausweitung der Ausbildungskapazitäten ist ebenfalls ein Mittel, um dem Fachkräftemangel zu begegnen. Allerdings ist sie nicht in jedem Fall zielführend. Tatsächlich schrumpft die Zahl der tatsächlich zur Verfügung stehenden Fachkräfte, da Erzieherinnen nach 2-3 Berufsjahren aussteigen, weil der Beruf aus den oben genannten Gründen wenig attraktiv ist oder Auszubildende die Ausbildung abbrechen, weil sie diese nicht selbst finanzieren können. Am Ende der Ausbildung stehen oft hohe Schulden von bis zu 20 000 €. Viele Auszubildende müssen während ihrer Zeit an der Fachschule arbeiten, können sich nicht wirklich auf ihre Ausbildung konzentrieren, da die Rahmenbedingungen an den Schulen die Ausbildungsbedingungen zusätzlich belasten. Das gilt für alle bestehenden Ausbildungsgänge (Erzieher_innen und SPA) und insbesondere für den Ausbildungsgang mit den erweiterten Zugangsvoraussetzungen für Hauptschüler_innen. Die Ausbildungsgänge müssen grundsätzlich so gestaltet werden, dass am Ende möglichst viele ihren Abschluss schaffen und im Beruf verbleiben können. Nur so kann die zu befürwortende Durchlässigkeit von Bildungsgängen erfolgreich gestaltet werden.
Um die Ausbildungszahlen zu erhöhen, wurden in Hamburg vor allem beim „Einstiegsberuf“ Sozialpädagogische Assistenz die Zugangsvoraussetzungen modifiziert:
Zur SPA-Ausbildung konnte sich, vor der Erweiterung der Zugangsvoraussetzungen, nur anmelden, wer den Ersten mittleren Schulabschluss Realschulabschluss (MSA) mit einem Notendurchschnitt von 3,5 vorweisen konnte. Die Ausbildung dauerte 2 Jahre. Seit rund 2,5 Jahren können sich alle Personen in Hamburg für die SPA-Ausbildung bewerben, die den Ersten erweiterten allgemeinbildenden Schulabschluss (EeaSA),] vorweisen können, also mindestens 10 Jahre zur Schule gegangen sind. Dabei spielt es keine Rolle, wie gut oder schlecht der EeaSA absolviert wurde, d.h. es bestehen keine Zugangseinschränkungen hinsichtlich der erreichten Noten. Es ist deutlich zu erkennen, dass hier die Zulassungsanforderungen gesenkt wurden.
Die Ausbildung für diese Gruppe wurde auf 2,5 Jahre erweitert. Auch wird im Abschlusszeugnis darauf hingewiesen, dass der SPA-Abschluss nur dann einem Abschluss des mittleren allgemeinen Schulabschlusses (MSA) entspricht, wenn ein Notendurchschnitt von 3,0 erzielt wird. Das bedeutet, dass eine Person, die diesen SPA-Bildungsgang erfolgreich zum Abschluss gebracht hat (Note 4 in den Prüfungsfächern), die Qualifikation zur SPA auch ohne Mittlere Reife erreicht hat! Diese Personen, die keinen Notendurchschnitt von 3,0 im Abschluss der SPA – ESA Ausbildung vorweisen, können sich nicht für die weiterführende Erzieher_innen-Ausbildung qualifizieren!
Schüler_innen, die mit einem schlechten ESA-Zeugnis, d.h. mit kaum ausreichenden Noten in den Kernfächern Deutsch, Mathematik und Englisch die Ausbildung starten, scheitern in der Regel an den Anforderungen der modifizierten SPA-Ausbildung. Gut 30-35% der Schüler_innen scheiden nach dem 1. Halbjahr (Probehalbjahr) deswegen aus. Weitere 20% können aufgrund der Leistungsmängel die Ausbildung nicht erfolgreich abschließen. Das heißt, durchschnittlich nur die Hälfte der Personen, die den „neuen“ SPA-Ausbildungsgang beginnen, wird fertig ausgebildet und nur 10% der Schüler_innen werden aller Vorrausicht nach mit einem Notendurchschnitt von 3 abschließen, so dass sie in die Erzieher_innen-Ausbildung überwechseln können. Die größte Herausforderung besteht für die Schulen besteht folglich darin, in nur einem Schulhalbjahr die Schülerinnen und Schüler mit erweitertem ersten Schulabschluss auf ein Leistungsniveau vorzubereiten, das sich ab dem 2 Schulhalbjahr am mittleren Schulabschluss orientiert.
Der Plan, mit dieser Maßnahme mehr Erzieher/innen zu bekommen, wird mit großer Wahrscheinlichkeit nicht aufgehen. Mehr SPA werden dadurch auf jeden Fall ausgebildet, aber die angepeilten Zielzahlen werden nicht erreicht. Um also auch nur annähernd die Standards der Ausbildung für SPA und Erzieher/innen aufrechterhalten zu können, müssen den staatlichen beruflichen Schulen für Sozialpädagogik zusätzliche Ressourcen zur Verfügung gestellt werden.
Die akuten Problemstellungen sind: Die Generierung von räumlichen Ressourcen und die Einstellung von qualifiziertem Fachpersonal. Aus der Antwort des Senates auf eine Schriftliche Kleine Anfrage wird deutlich, dass seit dem Schuljahr 2016/17 33 Klassen mehr eingerichtet wurden, weil die Zahl der Schüler und Schülerinnen um 12% gestiegen sind. Dafür wurden seit 2017 laut Behörde für Schule und Berufsbildung seit dem Schuljahr 2016/17 76 Lehrkräfte eingestellt. Hier zeichnet sich auch zunehmend – auch vor dem Hintergrund der anstrengenden Arbeitsbedingungen – das Problem ab, weitere Lehrkräfte für die Fachschulen zu gewinnen. Auch räumliche Probleme zeichnen sich ab (siehe Antwort des Senates auf die Frage 5 und die Vorbemerkung). Die Fachschulen müssen deshalb Klassen in manchen Fällen mit bis zu 30 Schülern und Schülerinnen (SuS) und zu Beginn der Ausbildung darüber hinaus einrichten – bei dem Leistungsniveau der Schüler eine viel zu große Gruppe. Die Gruppengröße verringert sich schon nach dem 1. Semester, da 30% ausscheiden, dann nochmals – so dass Klassen zusammengelegt werden müssen. Das schadet dem Lernklima sehr und führt zu Verunsicherungen und Frustrationen bei diesen Schülern.
Viele Schüler_innen mit den Zugangsvoraussetzungen EeaSA haben eine wenig erfolgreiche Schulbiographie, die das Lernen erschwert haben. Dies erfordert eine kontinuierliche gezielte Unterstützung von Fachkräften wie z.B. Sozialpädagog_innen vor Ort, die es an anderen beruflichen Schulen im Umgang mit dieser Zielgruppe gibt, aber nicht an den Fachschulen für Sozialpädagogik. Die Hilfen zur gezielten individuellen Lernförderung sind zu gering. Der freie Träger, der von der Behörde zur Förderung der Schüler_innen eingebunden wurde, hat keine ausreichenden Kapazitäten alle Schüler_innen aufzunehmen, die die Förderung benötigen. Zusätzlich gibt es eine Altersbegrenzung innerhalb des Hilfsangebotes. Die verschiedenen Probleme der Schüler_innen bedingen, dass die Unterrichtenden sich neben ihren primären Aufgaben der Vermittlung von Lerninhalten in der Verantwortung sehen, Aufgaben zu übernehmen, die eng bemessene Kapazitäten binden, die anderweitig benötigt werden.
Auf der Ebene der Kita-Träger fehlt es häufig an den Ressourcen für die Anleitung und Begleitung der Fachschul-Praktikanten. Die Anleitung muss aus den zur Verfügung gestellten Mitteln für die direkte Betreuung am Kind genommen werden. Wenn dort eine Person für die Anleitung fehlt, muss oft sogar alleine in den Krippen- bzw. Elementargruppen gearbeitet werden.
Die Qualität der Ausbildung muss unbedingt gehalten, wenn nicht sogar gesteigert werden, um den wachsenden Anforderungen im Beruf gerecht zu werden. Auch auf Bundesebene wird diese Diskussion geführt. So hat die Arbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendhilfe (AGJ) mehrfach darauf hingewiesen (zuletzt in einem Zwischenruf am 4.11.19), die Absenkung der Qualität der Ausbildung auf den Level 4 des Deutschen Qualifikationsrahmen zu vermeiden und den Level 6, der den Zugang zu den Hochschulen ermöglicht, aufrechtzuerhalten und ein gemeinsames Berufsverständnis zu wahren. Die Durchlässigkeit der Bildungswege sei dabei zu berücksichtigen.
Die Bürgerschaft möge deshalb beschließen:
I. Die Schulbehörde und die Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration (BASFI) verhandelt mit den betroffenen Fachschulen und in der Vertragskommission mit den Kita-Trägern folgende Eckpunkte.
Für den SPA-ESA Ausbildungsgang an den Fachschulen:
- Die zuständige Behörde muss garantieren, dass die Klassengröße im ersten Jahr der Ausbildung SPA-ESA 20-22 Schüler und Schülerinnen nicht übersteigt.
- Für eine gute Förderung muss es eine Doppelbesetzung in den Klassen geben (Klassenleitung/ Sonderpädagog_in sowie Teilunterricht in den Fächern Deutsch, Mathematik und Englisch für 50% der Unterrichtssunden.)
- Verbesserte Berufsorientierung in den Stadteilschulen anregen, indem BOSO-Mittel für die Zusammenarbeit der Fachschulen mit den Stadtteilschulen bereitgestellt werden.
- Zusätzliche Sozialpädagog_innen für diesen Ausbildungsgang, um die sozialpädagogische Begleitung zu gewährleisten.
- Ausweitung der Vorbereitungskurse vor Beginn der Ausbildung für diesen Ausbildungsgang auf alle Schülerinnen und Schüler (SuS) mit ESA. Diese Kurse werden jetzt schon von Trägern angeboten – jedoch nur für Migrant_innen.
- Alternativ sollten die Mittel für Vorbereitungskurse für die Fachschulen zur Verfügung gestellt werden, um dort Binnendifferenzierung – INKLUSION – durch entsprechende räumliche und personelle Ausstattung zu ermöglichen.
Für die Schüler_innen an den Fachschulen
- Verbesserte BAFÖG-Regelungen als ersten Schritt durch den Wegfall der Darlehensregelung.
- Langfristig ist die Einführung eines Ausbildungsgehalts für alle Erzieher_innen zu prüfen
- Ausbildungsgänge müssen so gestaltet sein, dass Ausbildung bzw. Beruf mit der Familie vereinbar sein können.
- Keine Absenkung von Ausbildungsstandards – weder in SPA noch im Erzieher_innen Beruf
- Durchlässigkeit in der Karriere nach oben: d.h. gute Möglichkeiten bieten, studieren zu können:
Für die Träger de Einrichtungen
- Konzentration der Pädagog_innen auf pädagogische Kernaufgaben. Zeiten für Putzen, Aufräumen, Einkaufen, Reparieren, etc. sind notwendig, fehlen aber in der konkreten Arbeit mit bzw. für Kinder. Von so einer Konzentration profitieren Kinder und Fachkräfte!
- Multiprofessionelles Arbeiten bereichert die Arbeit in der Kita. Personen aus anderen Professionen und Disziplinen sollen Pädagog_innen dabei nicht ersetzen, sondern vielmehr klug ergänzen.
- Kitas müssen zu qualifizierten Ausbildungsorten werden. Dies setzt zwingend Ressourcen für die Vor- und Nachbereitung und die Praxisanleitung voraus.
- Zur Qualifikation von Praxisanleitungen muss es Fortbildungen geben und eine entsprechende Dokumentation (ähnlich wie einem Ausbilder_innen Eignungsschein).
- Hierfür sind Stunden für mittelbare Pädagogik in die bestehenden Personalschlüssel zusätzlich einzuarbeiten.
- Akademisierung muss endlich mit Leben erfüllt werden. Dies gelingt nur, wenn wissenschaftlich ausgebildete Fachkräfte attraktive Anstellungsbedingungen und Entwicklungsmöglichkeiten – über die Leitungstätigkeit hinaus – vorfinden.
II. Der Bürgerschaft ist in einem angemessenen Zeitraum Bericht zu erstatten