1280px-Hamburg-Rathaus-Rathausmarkt-1-300x233 In der Bürgerschaftssitzung am Mittwoch, dem 29. Januar haben wir uns mit vier Anträgen eingebracht. Wir wollen, dass viel mehr Sozialwohnungen in Hamburg gebaut werden. Wir setzen uns für den Erhalt der Wochenmärkte ein. Wir finden: Hamburg soll sich dem Bündnis „Städte sicherer Häfen“ beitreten.  Und wir fordern menschenwürdige Lebensbedingungen für die 32 000 Menschen, die in Hamburg in Erstaufnahmen für Geflüchtete und Wohnungslose leben.

Zum Anfang der Sitzung haben wir in der aktuellen Stunde gefordert: Tatkräftige Hilfe statt unverbindlicher Worte: Aufnahme von 70 minderjährigen Geflüchteten aus Griechenland jetzt! Denn nach wie vor drängen sich in den überfüllten Lagern in Griechenland sich zehntausende Menschen, die vor Krieg, Verfolgung oder Hunger geflohen sind – meist unter menschenunwürdigen Bedingungen. Viele davon sind Kinder und Jugendliche, ohne Eltern, ohne Perspektive. Auf Druck der Öffentlichkeit haben SPD und Grüne jetzt beschlossen, sich auf Bundesebene für die Aufnahme minderjähriger unbegleiteter Geflüchteter einzusetzen und „ein Kontingent“ in Hamburg aufzunehmen. Anstatt solcher unverbindlichen Erklärungen braucht es konkrete Hilfe!Nicht nur gefühlt, sondern auch mit Zahlen belegbar, hat sich die Situation auf dem Wohnungsmarkt in Hamburg in den letzten neun Jahren weiter verschlechtert. Von 2011, dem Beginn der SPD geführten Senate, bis 2019 sind die Mieten in Hamburg um 21,1 Prozent angestiegen. Der Anstieg der Inflationsrate im gleichen Zeitraum betrug lediglich 13,1 Prozent. Die durchschnittliche Miete laut Mietenspiegel lag 2011 bei 7,14 €/qm nettokalt, 2019 ist sie auf 8,66 €/qm nettokalt angestiegen. Zum Vergleich: In Berlin ist die durchschnittliche Miete laut Mietenspiegel 2019 mit 6,72 €/qm nettokalt fast 2 Euro niedriger – trotz des dortigen Anstiegs um 5,2 Prozent innerhalb von zwei Jahren.

Dass von 2017 bis 2019 die Mieten in Hamburg mit 2,6 % erstmalig seit über 10 Jahren weniger stark angestiegen sind, ist gut – nützt aber den Mieter_innen, die schon seit Jahren viel zu viel Miete im Verhältnis zu ihrem Einkommen zahlen müssen, wenig.

Ein dringend notwendiger Mietendeckel zur Entlastung der Mieter_innen, wie er in Berlin demnächst im Abgeordnetenhaus von SPD, LINKE und Grünen beschlossen werden soll, wird in Hamburg bedauerlicher und bedenklicher Weise von SPD und Grünen, aber auch von allen anderen demokratischen Parteien, immer noch vehement abgelehnt.

Doch auch beim Wohnungsneubau führt die derzeitige Politik nicht zu einer Verbesserung der Situation für Menschen mit wenig und geringem Einkommen. Die zuletzt veröffentlichte Schätzung der BSW (Drs. 21/16076 vom 5.2.2019, S. 9) geht von 40% aller Hamburger Haushalte aus, die berechtigt wären, eine Wohnung im 1. Förderweg (= klassische Sozialwohnung, Anfangsmiete derzeit 6,60 €/qm nettokalt) zu beziehen, für den 2. Förderweg (Anfangsmiete derzeit 8,70 €/qm nettokalt) kommen nochmal 9 % dazu. Für diese insgesamt 454.000 Haushalte gab es zum Stand 1.1.2019 gerade mal 77.362 geförderte Wohnungen (Drs. 21/19243, S. 7). Dieser krasse Mangel wird auch zukünftig nicht behoben: Bis zum Jahr 2030 soll der Bestand an geförderten Wohnungen um knapp 4.000 auf 81.200 Wohnungen anwachsen. Das steht in einem absoluten Missverhältnis zu der Zahl von insgesamt 110.000 neuen Wohnungen, die im gleichen Zeitraum gebaut werden sollen. Deshalb müssen mindestens 50 Prozent der Neubauwohnungen im 1. Förderweg mit dauerhafter Bindung erstellt werden. Der Anteil des 2. Förderwegs ist auszubauen.

Der vom Senat seit 2011 propagierte „Drittelmix“ hat nicht zur Stärkung des geförderten Wohnungsbaus beigetragen. Gab es 2011 noch knapp 100.000 Sozialwohnungen nur im 1. Förderweg, ist der Bestand jetzt auf 77.362 geförderte Wohnungen im 1. und 2. Förderweg zusammen geschrumpft. Der Anteil der geförderten Neubauwohnungen von 2011 bis 2018 betrug nur knapp 26 Prozent, die freifinanzierten und eben teuren Wohnungen machten knapp 45 Prozent aus.

Für die Menschen mit mittlerem Einkommen, die keine Förderung beanspruchen können, sind gemeinnützige und gemeinwohlorientierte Wohnungsbaugenossenschaften und Wohnungsunternehmen wichtig. Deshalb sollen diese z.B. städtische Grundstücke im Erbbaurecht zu besonderen Konditionen bekommen können, wenn sie sich zu langfristig günstigen Mieten verpflichten.

 

Die Bürgerschaft möge beschließen:

 

Der Senat wird aufgefordert,

  1. in Vorbereitung des Haushalts 2021/2022 und für die Folgejahre die Wohnraumförderprogramme so auszustatten, dass künftig mindestens 50 Prozent des Wohnungsneubaus im 1. Förderweg finanziert werden kann. Gleichzeitig ist der Anteil des 2. Förderwegs aufzustocken.
  2. gemeinnützigen und gemeinwohlorientierten Wohnungsunternehmen und Wohnungsbaugenossenschaften städtische Grundstücke im Erbbaurecht zu besonderen Konditionen zu überlassen, die eine langfristig günstige Miete (angelehnt an den geförderten Wohnungsbau) ermöglichen und entsprechend Verpflichtungen vorsehen.
  3. die Bürgerschaft bis zum 30. Juni 2020 über den Sachstand zu unterrichten.

Neben 40 privaten sind es vor allem die rund 60 städtischen Wochenmärkte, die in verschiedenen Stadtteilen einen zentralen Beitrag zu Nahversorgung der Menschen liefern, gerade auch dort, wo in den vergangenen Jahren die Ladenstruktur mangels Schutzes des inhabergeführten Kleingewerbes weggebrochen ist. Wochenmärkte sind darüber hinaus aber auch anerkanntermaßen wichtige Orte des Stadtteillebens und der Kommunikation. Und nicht zuletzt gewinnen die Wochenmärkte auch unter ökologischen und klimapolitischen Gesichtspunkten weiter an Bedeutung, sorgen die Marktbeschicker_innen doch für ein günstiges Angebot mit im Umland entstandenen Produkten, bei denen auf aufwendige (Plastik-) Verpackungen weitestgehend verzichtet werden kann.

Doch bei aller Wertschätzung der Wochenmärkte sind diese mit dem so genannten Kostendeckungsprinzip konfrontiert, das laut Hamburgischem Gebührengesetz vorsieht, „Benutzungsgebühren (…) als Gegenleistung für die tatsächliche Inanspruchnahme (Benutzung) öffentlicher Anstalten, Einrichtungen oder Anlagen“ zu erheben. Weil einige Märkte im Bezirk Hamburg-Mitte eine deutliche Kostenunterdeckung aufweisen, schlug das zuständige Fachamt im Herbst vergangenen Jahres vor, die Marktgebühren zu erhöhen und einige Märkte bzw. Marktzeiten zum Jahreswechsel einzustellen (Drs.-Nr. 22-0135.1 vom 1.10.2019). Auch wenn diese Pläne vorerst offenbar vom Tisch sind, auch wegen der einheitlichen Ablehnung seitens aller Bezirksfraktionen und erster Proteste von Bürger_innen, steht das Problem der mangelnden Kostendeckung ungeklärt im Raum.

Vor diesem Hintergrund und zur Absicherung der teilweise seit Jahrzehnten bestehenden Wochenmärkte bedarf es einer grundsätzlichen Neuregelung.

 

 

Die Bürgerschaft möge daher beschließen:

 

Der Senat wird aufgefordert,

 

  1. von der Einstellung einzelner Märkte oder Marktzeiten abzusehen.
  2. hamburgweit die Höhe der Kosten bei den Wochenmärkten zu evaluieren und Maßnahmen zu ihrer Senkung zu entwickeln (z.B. durch Übertragung bestimmter Aufgaben auf die Marktbeschicker_innen) und dafür auch die nötigen Voraussetzungen zu schaffen.
  3. die Bezirke überprüfen zu lassen, inwieweit bei den einzelnen Märkten die Gebühren moderat erhöht werden können, ohne die Marktbeschicker_innen in ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu bedrohen bzw. die Preise so hochzutreiben, dass die Marktbesucher_innen ausbleiben.
  4. der hohen Bedeutung der Wochenmärkte für die Nahversorgung, die Kommunikation und die klimagerechte Einkaufsmöglichkeit Rechnung zu tragen und das Gebührengesetz im § 6, Abs. 3, bzw. die dazu gehörige Rechtsverordnung dahingehend abzuändern, bei Wochenmärkten vom Kostendeckungsprinzip abzugehen und die Sätze bei den einzelnen Gebühren aus sozialen und ökologischen Gründen zu senken.
  5. etwaige Kostendeckungslücken über einen neuen Etatposten bzw. eine neue Produktgruppe im Hamburger Haushalt zu finanzieren.
  6. die Hamburgische Bürgerschaft bis zum 30. Juni 2020 über den Stand in Sachen Wochenmärkte zu informieren.

Seit vielen Monaten setzen sich zahlreiche zivilgesellschaftliche, landes- und kommunalpolitische Akteure in ganz Europa für die Aufnahme von aus Seenot geretteten Menschen ein. Im Bündnis „Städte sicherer Häfen“ haben sich mittlerweile mehr als 120 Städte und Kommunen zusammengefunden, die ihre Solidarität und Verantwortung für Geflüchtete zeigen. Die Mitglieder dieses bundesweiten Bündnisses verlangen von der Politik, dass sie mehr und unbürokratischer aus Seenot gerettete Schutzsuchende willkommen heißen können als bisher über die Vorgaben des BMI geregelt ist. Die Mitglieder von »Städte sicherer Häfen« wollen zusätzlich zu den vorhandenen Regelungen des BMI Plätze anbieten. Dazu haben sie sich an das Bundesinnenministerium gewandt.

 

 

Die Bürgerschaft möge vor diesem Hintergrund beschließen:

Der Senat wird aufgefordert,

 

  1. Hamburg soll dem Bündnis »Städte sicherer Häfen« beitreten.

 

In diesem Bündnis soll Hamburg die Konzepte weiterentwickeln, mit denen Kommunen und Städte eigene Rechte bekommen können, um eigenständig und unbürokratisch Geflüchtete zusätzlich zu nationalen Kontingenten aufzunehmen. Insbesondere soll dazu geklärt werden, welche Möglichkeiten das Aufenthaltsgesetz für Kommunen und Bundesländern trotz der grundsätzlichen Zuständigkeit des Bundes dafür bereithält.In Hamburg leben noch immer fast 32.000 Menschen in Erstaufnahmeeinrichtungen (EA) und öffentlich-rechtlicher Unterbringung (örU). Die Dauer der Unterbringung liegt im Schnitt bei mindestens drei Jahren. Nur ca. 6.000 Menschen können im besseren Standard „Unterkunft Perspektive Wohnen“ (UPW) leben. Diese Kapazitäten müssen aufgrund der Bürgerverträge sogar abgebaut werden. Die weit überwiegende Zahl der Menschen lebt in Gemeinschaftsunterkünften, die der Senat euphemistisch als „abgeschlossenen Wohnraum“ bezeichnet. Die Linksfraktion Hamburg hat in zahlreichen Anfragen immer wieder auf Missstände bei der Unterbringung aufmerksam gemacht (vgl. nur Drs. 21/17795) – ein „sicherer Hafen“ sind die Unterkünfte von fördern&wohnen nicht!

Die ordnungsrechtliche Unterbringung dient der Verhinderung von Obdachlosigkeit und ist eigentlich nur als kurzfristige Übergangslösung gedacht. Vor diesem Hintergrund gelten abgesenkte Wohn- und Versorgungsstandards als gerechtfertigt. Angesichts des langen Aufenthalts der Betroffenen in den Unterkünften sind diese Standards so nicht mehr grund- und menschenrechtskonform (zu den personellen Anforderungen siehe bereits Drs. 21/19479). Dies hat auch das Deutsche Institut für Menschenrechte (DMI) im Visier: Im Bericht an den Deutschen Bundestag zur „Entwicklung der Menschenrechtssituation in Deutschland Juli 2018 – Juni 2019“ widmet das DMI ein Kapitel der Unterbringung Wohnungsloser durch die Kommunen. In der Zusammenfassung (S. 42) heißt es u. a.:

Die Kommunen sind rechtlich verpflichtet, unfreiwillig obdachlose Menschen vorübergehend unterzubringen. Diese sogenannte ordnungsrechtliche Unterbringung ist als kurzfristige Übergangslösung gedacht. Die Rechtsprechung geht daher von deutlich abgesenkten, sehr einfachen Wohn- und Versorgungsstandards aus. Viele wohnungslose Menschen leben tatsächlich Monate und Jahre in der ordnungsrechtlichen Unterbringung. Das widerspricht der Intention des Gesetzgebers. Minimalstandards sind so grund- und menschenrechtlich nicht mehr ausreichend. In der Praxis führt das dazu, dass Betroffene teilweise für längere Zeit sehr problematischen hygienischen Verhältnissen ausgesetzt sind, nur wenig Raum und kaum Privatsphäre haben. Sie erleben Konflikte, haben Angst vor Gewalt und bekommen wenig Unterstützung bei der Suche nach einer eigenen Wohnung. Die Bundesregierung hat bereits 2017 die teilweise mangelhafte Ausstattung der ordnungsrechtlichen Unterbringung in ihrem Armuts- und Reichtumsbericht festgestellt. Trotzdem fehlt bisher eine breite Diskussion über verbindliche Standards, die ein menschenwürdiges Wohnen dort ermöglichen.“

Die in Hamburg üblichen 7qm Wohnfläche pro Person, die Belegung von Räumen mit mindestens zwei Alleinstehenden, die Nichtberücksichtigung kleiner Kinder bei der Wohnraumbemessung, die Überbelegung von Wohnungen, Auszüge aus UPW in schlechtere Standards etc. müssen angesichts dieser Ausführungen ein Ende haben. Es wird also höchste Zeit, dass der Senat nicht mehr so tut, als sei alles bestens, sondern verbindliche angemessene Standards für die Unterbringung entwickelt, transparent macht und umgesetzt, damit auch ein längerer Aufenthalt menschenrechtskonform ist. Bezahlbarer Wohnraum muss jedoch das Ziel bleiben.

Die Bürgerschaft möge vor diesem Hintergrund beschließen:

Der Senat wird aufgefordert,

  1. verbindliche grund- und menschenrechtskonforme Standards für die Ausstattung und Versorgung bei der Unterbringung von Geflüchteten und Wohnungslosen zu entwickeln, transparent zu machen und umzusetzen;
  2. bei der Festlegung der Standards auch Artikel 11 des UN-Sozialpakts und die vom UN-Sozialpaktausschuss festgelegten Angemessenheitskriterien für Unterkünfte (gesetzlicher Schutz der Wohnung, Versorgung und Bewohnbarkeit, Bezahlbarkeit, diskriminierungsfreier Zugang, Standort und Gewaltschutz) zu beachten;
  3. angesichts der derzeit hohen tatsächlichen Verweildauer in den Unterkünften den sich aus den Grund- und Menschenrechten ergebenden staatlichen Handlungsauftrag zu verwirklichen, alle verfügbaren Ressourcen dafür einzusetzen, dass das Recht auf angemessenes Wohnen vollständig verwirklicht wird;
  4. bei der Ausstattung der Unterkünfte insbesondere für Einzelpersonen Einzelzimmer, für Mehrpersonenhaushalte abgeschlossene Wohneinheiten mit getrennten Schlafmöglichkeiten für Eltern und Kinder sowie ausreichender Wohnfläche, mehr Gemeinschaftsräume, Waschmaschinen, den Zugang zu Kommunikations- und Informationsmöglichkeiten sowie angemessene Küchen und sanitäre Anlagen bereitzustellen;
  5. entschieden mehr dafür zu tun, dass Menschen mit besonderen Bedarfen in speziell dafür konzipierten und ausgestatteten Unterkünften untergebracht werden;
  6. der Bürgerschaft bis zum 30.04.2020 zu berichten.