Besucher*innen bei der Veranstaltung der Linksfraktion zu "Jugendhilfe in Not"

Gut besuchte Veranstaltung zur Hamburger Kinder- und Jugendhilfe

„Jugendhilfe in Not: Was tun?“ Unter diesem Titel lief eine Veranstaltung über wirksame Verbesserungen im Hamburger Kinder- und Jugendhilfesystem. Durch den gut besuchten Abend führte NDR-Moderator Burkhard Plemper.

Anfragen der Linksfraktion belegen den hohen Druck, der auf Hamburgs Kinder- und Jugendhilfesystem lastet. Unsere jugendpolitische Sprecherin Sabine Boeddinghaus und ihre Referentin Karen Polzin stellten die Erkenntnisse aus diesen Anfragen vor – vor allem die erheblichen Missstände im ASD (Allgemeiner Sozialer Dienst – Basisdienst im Jugendamt) sowie im KJND (Kinder- und Jugendnotdienst), beides städtische Träger. Matthias Stein von der Landesarbeitsgemeinschaft ASD berichtete, dass durch den Personalmangel die verbliebenen Arbeitskräfte an ihre Grenzen kämen, wodurch sich Überlastungsanzeigen und Ausfälle häuften. Zeit für Besprechungen und arbeitsfeldübergreifenden Austausch mit Kolleg*innen wurden deutlich als immens wichtig benannt, beides falle jedoch hintenüber. Das Jugendhilfesystem wurde als kollabierend und völlig am Anschlag beschrieben. Es bräuchte etwas Neues, doch für eine Weiterentwicklung fehle es auch an Zeit. Auch hinsichtlich einer Wertschätzung scheint der Handlungsbedarf groß, wie aus Publikumsbeträgen deutlich wurde.

Auch aus dem Publikum wurde bestätigt, dass die prekäre Unterbringungssituation und die lückenhaften Betreuungs- und Freizeitangebote die Probleme der belasteten Kinder verschärften und immer häufiger sogar ursächlich für Kriminalität, Gewalt und Auseinandersetzungen seien. Sabine Boeddinghaus unterstrich die Forderung der Linksfraktion: Der Gesetzgeber muss angemessene Arbeitsbedingungen für das Fachpersonal sicherstellen. Nur so könnten die Rechte der Kinder und Jugendlichen gewährleistet werden. Sabine Kümmerle, Geschäftsführerin des alternativen Wohlfahrtsverbands SOAL führte aus, dass die zuständigen Sozialarbeiter*innen häufig unter Angst und Gewissensbissen litten, wenn sie ihrem eigenen Arbeitsethos nicht mehr hinreichend nachkämen. Maren Peters, Projektleiterin der Koordinierungsstelle Individuelle Hilfe des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes beschrieb, dass es oft an Kommunikation zwischen Trägern, Vereinen und Familien mangele. Einstimmig wurde berichtet, dass der Druck zur Kategorisierung der Fälle es erschwere, im Umgang mit den Betroffenen nach flexiblen und individuellen Lösungen zu suchen. In der weiteren Diskussion wurde als Teil des Problems der Überforderung vieler Angestellter durch die zunehmende Ökonomisierung der Branche angesprochen. Podiumsmitglied Lars Schulhoff, Abteilungsleiter des Bereichs Gestaltung der Jugendhilfe in der Sozialbehörde Hamburg stellte fest: „Die Probleme, die sich im System zeigen sind keine Hamburgensie, es handelt sich um ein bundesweites Problem.“

Sabine Boeddinghaus verwies darauf, dass die Probleme nicht erst mit der Corona-Pandemie
aufgekommen seien. Als Mitglied der Enquete-Kommission erarbeitete sie bereits in der vergangenen
Legislaturperiode 70 fraktionsübergreifende Forderungen, um den Schutz von Kindern und Jugendlichen zu verbessern. Sie lud angesichts der Herausforderungen zur Vernetzung ein, um weitere Treffen zur Verständigung zu initiieren.