„Hamburg muss die zusätzlichen Millionen in die soziale Infrastruktur investieren“
Mehr Geld für Wohnungen, für LehrerInnen, Kitas, Sprachkurse, lebenswerte Stadtteile und vieles mehr möchte die Fraktion DIE LINKE ausgeben – insgesamt 318 Millionen Euro verplant sie in ihrem kürzlich vorgestellten „Sofortprogramm für ein sozialeres Hamburg“. Im Interview erklärt die Fraktionsvorsitzende Sabine Boeddinghaus, was sich hinter dem Sofortprogramm verbirgt, warum es nötig ist und wie es finanziert werden soll.
Frau Boeddinghaus, Ihre Fraktion hat in der letzten Bürgerschaftssitzung ein „Sofortprogramm für ein sozialeres Hamburg“ beantragt. Warum braucht Hamburg Maßnahmen zur Verbesserung der sozialen Situation?
Boeddinghaus: Hamburg ist eine tief gespaltene Stadt. Es gibt Stadtteile mit einem hohen Durchschnittsverdienst und einer sehr niedrigen Armutsquote bei Kindern, in anderen Stadtteilen gibt es sehr unterdurchschnittliche Einkommen und eine Kinderarmutsquote von über 50 Prozent. Es gilt leider immer noch der Satz: „Sag mir, wo Du wohnst und ich sage Dir, welchen Bildungsabschluss Du bekommst.“
Kann man gegen diese Spaltung nichts tun?
Boeddinghaus: Doch, sicher. Aber durch die Schuldenbremse und jahrelange kontinuierliche Kürzungen in Betreuungs- und Bildungseinrichtungen, bei der sozialen und kulturellen Stadtteilarbeit und in der Offenen Kinder- und Jugendarbeit droht die soziale Infrastruktur auszubluten. Die Elbphilharmonie und die HSH Nordbank können sich hingegen über schier unbegrenzte Zuwendungen aus Steuergeldern freuen. Wir haben also eine massive soziale Schieflage in der Stadt, die der SPD-Grünen-Senat nicht einmal zur Kenntnis nehmen will. Zudem fehlen bezahlbare Wohnungen, ein Riesenproblem.
Wie genau wollen Sie die soziale Situation in der Stadt mit ihrem Sofortprogramm verbessern?
Boeddinghaus: Wir wissen durch unsere gute Bündnis- und Vernetzungsarbeit in der Stadt ziemlich genau, wo überall der sprichwörtliche Schuh drückt. Daher haben wir die von uns nun zusammengestellten Maßnahmen genau am dringendsten Bedarf ermittelt. Wir hoffen, dadurch zumindest ein wenig an Verbesserung und Stärkung vor Ort in den Quartieren erreichen zu können. Was wir im Einzelnen fordern, haben wir in unserem Antrag an die Bürgerschaft aufgelistet.
Wie soll das Programm bezahlt werden?
Boeddinghaus: Hamburg nimmt dieses Jahr erneut wesentlich mehr Steuern ein, als ursprünglich geplant – aktuell sind es 478 Millionen Euro extra. Wir unterstützen den Senat dabei, 160 Millionen Euro davon für die Unterbringung und Integration der zu uns geflüchteten Menschen zurückzustellen. Wir folgen ihm aber nicht, wenn er mit dem Rest Rücklagen bilden oder mehr Altschulden als vereinbart tilgen möchte. Deshalb sagen wir: Diese zusätzlichen 318 Millionen Euro sind frei und sie müssen sofort in den Ausbau der sozialen Infrastruktur investiert werden.
Glauben Sie, dass Sie mit dem Sofortprogramm die sozialen Probleme in Hamburg lösen können?
Boeddinghaus: Nein, lösen werden wir sie damit allein sicher nicht. Aber mit dem Geld würden erhebliche Verbesserungen erreicht – allein schon durch den Bau von 2.000 zusätzlichen Sozialwohnungen. Auch deutlich mehr LehrerInnen- und ErzieherInnenstellen, Babybegrüßungsbesuche für alle Neugeborenen, die Stärkung der sozialen und kulturellen Stadtteilarbeit, aber auch mehr öffentlich geförderte Arbeitsplätze für Langzeitarbeitslose und die Integrations- und Deutschkurse an der Volkshochschule würden merkbar für einen sozialen Ausgleich sorgen. Leider sehen das nur wir so in der Bürgerschaft – aber in der Stadt erhalten wir sehr viel Zuspruch. Wir sind auf dem richtigen Weg!