Die HSH Nordbank

HSH Nordbank verschenkt – den Schuldenstand aufgestockt

von Norbert Weber und Joachim Bischoff

Auch die Hamburgische Bürgerschaft hat dem Verkauf der operativen HSH Nordbank zugestimmt, das heißt: sie wurde zum Nulltarif verschenkt. Im Landtag von Schleswig-Holstein war die Transaktion bereits im April einstimmig gutgeheißen worden. In Hamburg stimmten 99 Abgeordnete diesem skandalösen Deal zu.

Dagegen stemmten sich neun Abgeordnete der LINKEN, die ihr Votum damit begründeten, das Parlament sei nicht umfassend informiert worden – was für eine hitzige Debatte mit viel Kritik der anderen fünf Fraktionen sorgte.

Der Tag fing schon vielsagend an. Um 11 Uhr präsentierten der 1. Bürgermeister Tschentscher sowie der Finanzsenator Dressel im Rahmen einer Landespressekonferenz die gröberen Züge des neuen Doppelhaushaltes 2019/2020. Die Präsentation erfolgte im Phoenix-Saal des Rathauses, direkt über den beiden an der Wand das Friedrich-Schiller-Zitat: »Das Alte stürzt, es ändert sich die Zeit, und neues Leben blüht aus den Ruinen.«

Die beiden ließen sich feiern für ihre beschriebenen Investitionsbemühungen in die Infrastruktur, nur auf Nachfragen mussten sie jedoch einräumen, dass in den nächsten Jahren der Kernhaushalt deutlich belastet wird durch die Kapitaldienste für die Verbindlichkeiten, die die Stadt zur HSH-Nordbank-Rettung zu stemmen hat.

Am Nachmittag ging es dann in der Bürgerschaft richtig zur Sache: Das Parlament stimmte, mit einigen Enthaltungen und gegen die Stimmen der Linksfraktion, für den Verkauf der Bank an die US-Investorengruppe.

Nun steckten die Fraktionen der SPD, der Grünen, der FDP sowie der CDU in einem Dilemma. Entweder hatten sie das Desaster in den Vorperioden entscheidend mit angerichtet oder ihre Parteifreunde in Schleswig-Holstein hatten im Rahmen der Jamaika-Koalition bereits für den Verkauf gestimmt.

Entsprechend lief auch die Debatte. Die Linksfraktion hatte so gut wie keine Chance, sachlich zu ihrer Position zu argumentieren. Alle anderen Fraktionen gingen die Linksfraktion persönlich an. Zumindest hatte die Fraktion DIE LINKE eine namentliche Abstimmung durchbekommen. Dr Joachim Seeler, SPD-Fraktionsmitglied und Vorsitzender des Ausschusses Öffentliche Unternehmen, ließ sich für die Abstimmung entschuldigen, obwohl er im Parlament zugegen war. Vermutlich wusste er, aus welchem guten Grund er das tat: Laut seinem im Internet veröffentlichten Lebenslauf war er in seiner beruflichen Laufbahn bei der »HSH Nordbank zuletzt Geschäftsführer der HGA Capital Grund GmbH sowie Vorstandsmitglied der HSH N Real Estate AG«.

Zudem trat in der Bürgerschaftssitzung Erstaunliches zutage: SPD, Grüne, FDP und CDU entdeckten ihre Sympathie für die Mitarbeiter_innen der HSH Nordbank. Es wäre toll, wenn sich diese Fraktionen in den kommenden Haushaltsberatungen an ihre Haltung zur arbeitenden Bevölkerung in Hamburg erinnern. Nicht nur die HSH-Banker_innen mit ihrer überdurchschnittlichen Verdienststruktur, sondern das gesamte Personal der Stadt einschließlich der vielen Dienstleister im Auftrag der Stadt hat ein vergleichbares Engagement verdient.

Für den Vollzug des Kaufvertrags war die Zustimmung der beiden Länderparlamente notwendig. Weitere Voraussetzungen sind die Zustimmung der Europäischen Kommission und der Europäischen Bankenaufsicht.

  1. Der angebliche »Verkauf« ist eine faktische Schenkung zu »einem symbolischen Euro«. Durch die parallele Ausgliederung von Krediten und Verkauf an Zweckgesellschaften der Erwerbergruppe zu einem Dumpingpreis im Verhältnis zur Substanz (da sind auch gute performende Kredite in einer Größenordnung über fast eine Milliarden Euro dabei) kann sich die Erwerbergruppe den Kaufpreis zu Lasten der HSH Nordbank selbst zusammentragen.
  2. Alternative Szenarien sind nie ausreichend betrachtet oder ernsthaft in Erwägung gezogen worden. An einer Anhörung der Bürgerschaft, der Hamburger Legislative, im April 2013 warnte der Bankenspezialist Martin Hellwig, dass angesichts der Unwägbarkeiten die Erhöhung der Garantien mindestens so riskant sei wie eine Abwicklung der Bank. Es gehöre zur Rolle einer Geschäftsführung, dass sie bei schlechtem Geschäftsgang stets behaupte, morgen kämen bessere Zeiten. Doch in den Bereichen, in denen die Bank stark präsent sei, gebe es ein Überangebot und kaum Margen. Die Bank hatte 2009 eine Bilanzsumme von 200 Milliarden Euro, davon knapp 5 Milliarden Euro Eigenkapital. Der Problembereich der Schiffsfinanzierung betrug laut Hellwig 30 Milliarden Euro. Der Ökonom hat Recht behalten. Die ganze Garantie von 10 Milliarden Euro wurde ausgeschöpft und die Operation Nulltarif kostet die Steuerzahler*innen weitere Milliarden Euro.
  3. Der Bürgerschaft sind nicht, wie zugesagt, alle geforderten Unterlagen zu Einsicht vorgelegt worden, um sich ein umfassendes Bild machen zu können. Aus 2015 existiert zwar ein ausführliches Gutachten, das als Entscheidungsgrundlage für die Landesregierungen in Hamburg und Schleswig-Holstein zur erneuten Rettung der Bank aus Landesmitteln diente. Hier waren auch alternative Szenarien wie eine Überführung der Bank in ein geordnetes Verfahren nach dem Sanierungs- und Abwicklungsgesetz (SAG) ausführlich berechnet und beschrieben worden. Trotz Beschluss der Bürgerschaft auf Vorlage des Gutachtens (nach Artikel 30 der Landesverfassung), ungeschwärzt und ungekürzt, wurde ihr dieses Bain-Gutachten nicht vorgelegt. Im Gegenteil, seitens des Senates wurde alles unternommen, um diese Einsicht erfolgreich zu verhindern.
  4. Trotz vielfacher Anmahnungen seitens der Oppositionen gab es seitens der Eigentümer Hamburg und Schleswig-Holstein nie eine umfassende Kontrolle des Geschäftsbetriebes der Bank. Ungeniert konnte sich die Bank  ihre Jahresergebnisse zu Lasten der Länder zusammentragen. Beispiele: 2015 durfte die Bank ihre gebildeten Rückstellungen zu den Zusatzprämien zur eigenen Ergebnisverbesserung auflösen (Größenordnung etwa eine Milliarden Euro) Dieser Betrag stand den Ländern als Eigentümer zu, hatten diese doch über Monate lediglich sogenannte Besserungsscheine angedient bekommen. Für 2016 durfte die Bank im Rahmen einer »Re-Allokation« werterholte Wertpapierbestände über 4,5 Milliarden Euro zugunsten der Kernbank umbuchen und Schritt für Schritt ergebnisverbessernd liquidieren. Auch diese Beträge hätten zur Reduzierung der Länderverbindlichkeiten zugunsten der HSH herangezogen werden müssen.
  5. Offensichtlich zeigt sich niemand für dieses Desaster für die Länder Hamburg und Schleswig-Holstein verantwortlich, es scheint wie eine Naturkatastrophe über die beiden Bundesländer gekommen zu sein. Durch den Verkauf wird es auch vermutlich keine Aufarbeitung oder gar Untersuchung mehr geben können.

Viel treffender, als es Professor Martin Hellwig getan hat, kann man die Vorgehensweise des Senates nicht beschreiben. Bereits 2017 konstatierte er über das Verhalten der politischen Führungen: »Eine öffentliche Diskussion haben die Verantwortlichen in der Bank und den Regierungen erfolgreich unterbunden durch Vertuschen, Beschönigen und Verweigern von Antworten.«

Wie wird es jetzt weitergehen?

Der Kaufvertrag an die US-Investoren ist zwar bereits am 28. Februar 2018 unterzeichnet worden (»signed«), sein tatsächliches Inkrafttreten ist aber von diversen Parametern abhängig, wozu u.a. die Zustimmung der beiden Länderparlamente gehört.
Darüber hinaus sind in der seit 1 3.2018 laufenden Closingphase noch einige bedeutende Voraussetzungen zu erfüllen, die sicher keine Selbstläufer sind. Dazu gehören

  • Genehmigungen der Wettbewerbsbehörden in Deutschland und Österreich;
  • die Zustimmung der zuständigen Bankenaufsicht (EZB), Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) sowie der Commission de Surveillance du Secteur Financier (CSSF Luxemburg);
  • dass die europäische Kommission den Erwerb nach Rentabilitätsprüfung der geplanten neuen Unternehmensstruktur genehmigt;
  • die Bestätigung des Deutsche Sparkassen- und Giroverbands (DSGV), dass die HSH Nordbank für drei weitere Jahre nach dem Vollzug des Anteilskaufvertrages (Closing) die uneingeschränkte Mitgliedschaft im Institutssicherungssystem der Sparkassen-Finanzgruppe fortsetzen kann;
  • dass die HSH Finanzfonds AöR einen finalen Abrechnungsbericht über die von der HSH Finanzfonds AöR gewährte Zweitverlustgarantie vorlegt und
  • die Bieter den jeweils auf sie entfallenden Kaufpreisanteil zum Vollzugstag entrichtet haben.

Mit der Zustimmung der Landesparlamente zu einem Verkauf zum Nulltarif an die US-Investoren ist eine weitere Hürde genommen, aber noch nicht die letzte: Es stehen noch weitere Zustimmungen aus. Allerdings: In der politischen Klasse dominiert die Haltung, das Übel endlich los zu werden. Insofern wird es an der einen oder anderen Stelle haken, aber im Prinzip sind jetzt die Schuldenberge der Bundesländer erhöht und darüber herrscht Schweigen.

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